Berlin. Jetzt sollen immer zwei Personen vorn im Flugzeug sein. Doch die Regel gilt nur vorläufig – und Sicherheitsexperten haben Zweifel, ob das ausreicht
Der Schock über die Ursache des Germanwings-Absturzes sitzt tief. Weltweit sind Airlines in Sorge, dass Passagiere das Vertrauen ins Fliegen verlieren, weil nach Erkenntnissen der Ermittler der Co-Pilot den Piloten aus dem Cockpit aussperrte und das Flugzeug bewusst gegen den Berg steuerte. Seitdem das am Donnerstag bekannt wurde, haben viele Gesellschaften ihre Sicherheitsbestimmungen geändert – künftig sollen immer zwei Personen gleichzeitig (Vier-Augen-Prinzip) in der Kanzel sein. Sicherheitsexperten warnen jedoch davor, davon zu viel zu erwarten.
Viele Airlines und Flugsicherheitsbehörden in Europa, Australien und Neuseeland kündigten am Freitag eine Neuregelung an, oder sie wollen die Bestimmungen für die Cockpit-Besetzung überprüfen. Zumeist sind die Airlines bislang nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich immer mehr als ein Besatzungsmitglied im Cockpit aufhält. In den USA, aber auch in Europa wird das aber teils so bereits praktiziert.
Alle deutschen Fluggesellschaften kündigten am Freitag an, von sofort an die Zwei-Personen-Regel im Cockpit einzuführen. Dies sei nach Abstimmungen mit dem Bundesverkehrsministerium und dem Luftfahrt-Bundesamt beschlossen worden, teilte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) am Freitag mit. Bereits am Donnerstagabend hatte der Verband diese Konsequenz aus der Flugzeugkatastrophe angekündigt. Als erster Schritt werde als neues Verfahren vorläufig eingeführt, dass immer zwei autorisierte Personen im Cockpit eines Flugzeugs sein müssen, erklärte der BDL.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte die Absicht der Gesellschaften. „Das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist eine richtige Überlegung“, sagte er am Freitag.
Matthias von Randow, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) hatte am Donnerstagabend im ZDF allerdings gesagt, in punkto Sicherheit seien „Schnellschüsse das Falscheste, was man machen kann“. Germanwings-Chef Thomas Winkelmann erklärte im ZDF: „Mir stellt sich die Frage, wenn ein Mensch mit solcher Energie einen kriminellen Akt begehen will, ob das zu verhindern ist, wenn beispielsweise eine Flugbegleiterin oder ein Flugbegleiter im Cockpit ist.“
Auch die europäische Flugaufsichtsbehörde EASA erwägt nun, die ständige Anwesenheit von zwei Personen im Cockpit zu empfehlen. „Das ist eine Möglichkeit, die derzeit geprüft wird“, sagte ein mit den Gesprächen vertrauter Insider am Freitag.
In Großbritannien ändern die meisten Airlines ihre Regeln nach einer Empfehlung der Flugsicherheitsbehörde. Bei den Fluggesellschaften Virgin Atlantic, Easyjet, Monarch und Thomas Cook muss sich künftig ein Mitglied der Kabinenbesatzung im Cockpit aufhalten, wenn einer der Piloten seinen Platz verlässt. Bei den Billigfliegern Jet2 und Flybe sowie Ryanair sei das schon Standard. Auch Air Baltic, Norwegian und Air Canada führen nach eigenen Angaben die Zwei-Personen-Regel ein, ebenso Neuseeland, teilte die dortige Zivilluftfahrtbehörde mit.
Der ehemalige Sicherheitschef der polnischen Fluggesellschaft LOT, Jerzy Dziewulski, äußerte sich allerdings skeptisch. Flugbegleiter könnten während der Abwesenheit eines der Piloten nichts machen, um eine Katastrophe zu verhindern, sagte er. „Der Pilot in der Kabine sagt: Setz dich, fass nichts an, du hast keine Ahnung. Ich bin derjenige, der die Maschine steuert.“