Am Freitag soll bei einem Treffen der Kontaktgruppe ein Abkommen für einen Friedensplan unterzeichnet werden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kündigte eine Waffenruhe für Freitag an.
Newport. In der Ukraine-Krise haben Präsident Petro Poroschenko und die prorussischen Separatisten für Freitag eine Waffenruhe in Aussicht gestellt, sollte bei Verhandlungen der Konfliktparteien ein Abkommen unterzeichnet werden. Der Waffenstillstand solle den Weg für die schrittweise Umsetzung eines Friedensplans für sein Land ebnen und am Freitag um 12 Uhr mitteleuropäischer Zeit inkrafttreten, sagte Poroschenko am Donnerstag beim Nato-Gipfel im walisischen Newport. „Wir hoffen, dass die Umsetzung des Friedensplans morgen beginnt.“ Von den Rebellen kam vorsichtige Zustimmung. Sollte es in Minsk eine Einigung geben, würden sie ebenfalls eine Waffenruhe anordnen, erklärten sie.
Beim Nato-Gipfel steht der Westen unter Zugzwang. Die USA und die europäischen Verbündeten müssen Antworten geben: Wie kann der blutige Ukraine-Konflikt politisch gelöst werden? Entscheidend dabei ist das Verhältnis zu Russland. Denn Moskau soll Truppen und Panzer in den Osten der Ukraine geschickt haben. Die Kernfrage lautet also: Ist Russland noch ein Partner, oder ist es nach Jahren der Entspannung wieder ein Gegner?
Den ganzen Sommer über feilten Diplomaten mit militärischer Präzision im Brüsseler Hauptquartier an Plänen und Formulierungen, um alle 28 Mitgliedstaaten für Gipfelkompromisse ins Boot zu holen. Doch es bleiben Brüche und Spannungen, die beim Auftakt des Spitzentreffens im walisischen Newport deutlich zu spüren waren.
Die Militärallianz ringt darum, ob sie sich an bestehende Abmachungen hält oder nicht. Im Bündnis wird kein Zweifel daran gelassen, dass Moskau die 1997 besiegelte Nato-Russland-Grundakte mit Füßen tritt. Doch vor allem die USA und große europäische Alliierte wie Deutschland und Frankreich halten an dem Abkommen fest, das die komplizierten Beziehungen zwischen den Allianz und Russland regelt. „Wir wollen den Konflikt nicht noch zusätzlich anheizen“, lautet die Linie der Moderaten.
Baltische Staaten sehen sich von Russland bedroht
Nato und Russland betrachten einander nicht als Gegner, sagt der Vertrag. Und es gebe keinen Anlass, Nuklearwaffen in den neuen Nato-Mitgliedstaaten im Osten der Kontinents zu stationieren. Der Vertrag verbietet auch die dauerhafte Stationierung von „substanziellen Kampftruppen“ in den neuen Nato-Ländern in der Mitte und im Osten Europas.
Polen, Rumänien und die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sehen sich von den Moskauer Expansionsbestrebungen aber direkt bedroht. Ihre Forderung lautet: Mehr massive Nato-Präsenz an der Ostgrenze der Allianz.
„Russland hat angefangen, Russland hat die Vereinbarung gebrochen, und die Nato und der Westen müssen daraus die Schlussfolgerungen ziehen“ – die Linie des polnischen Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak ist klar. Im polnischen Nachrichtensender TVN24 machte er am Donnerstag deutlich, Russland sollte von der Nato nicht mehr als Partner behandelt werden.
Doch das Bündnis schreckt davor zurück, bedeutende Kampftruppen permanent an seiner Ostflanke zu stationieren. Die Botschaft an Kreml-Chef Wladimir Putin lautet einfach formuliert: Wir halten uns zwar an die Grundakte. Aber die Beistandsgarantie im Bündnis gilt. Russische Truppen würden also in Estland oder Lettland auch auf US-Soldaten treffen.
Botschaft der Nato: Wir lassen die Ukraine nicht fallen
Die Nato zeigt stärker Präsenz in Polen und im Baltikum, mit Manövern oder Verstärkungen auf Rotationsbasis. Eine Truppe von 3000 bis 5000 Soldaten soll im Krisenfall innerhalb von zwei bis drei Tagen eingesetzt werden können.
Frankreichs Staatspräsident François Hollande erfuhr schon vor Start des Gipfels, wie stark der Druck in der Ukraine-Krise inzwischen gestiegen ist. Ein in Frankreich für Russland gebauter Hubschrauberträger der Mistral-Klasse wird vorerst nicht ausgeliefert. Das ist eine französische Kehrtwende um 180 Grad. „Wir erfüllen den Vertrag, und das ist völlig legal“, hatte Hollande noch vor genau drei Monaten gesagt.
Der scheidende Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kündigte an, die Allianz werde ihre Zusammenarbeit mit dem Nicht-Mitglied Ukraine verstärken. So wird beim Modernisieren der Armee geholfen, beispielsweise bei der Logistik oder der Abwehr von Angriffen im Internet.
Rasmussen verkündete zugleich, dass die Entscheidung über Waffenlieferungen an die Ukraine nicht in den Händen des Militärbündnisses liege. „Die Allianz als solche liefert keine Waffen, weil sie keine besitzt“, sagte der Nato-Generalsekretär. Die Entscheidung über Waffenlieferungen liege damit allein bei den einzelnen Staaten. Deutschland lehnt es ab, Waffen an die Ukraine zu schicken, liefert aber Schutzausrüstung.
In Newport kam der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko im vornehmen Golfhotel „Celtic Manor Resort“ mit einer illustren Runde zusammen. Sie vertrat den klassischen Westen. Am Tisch saßen außer Hollande die Regierungschefs Großbritanniens und Italiens, David Cameron und Matteo Renzi, Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama. Die Botschaft war deutlich: Wir lassen die Ukraine nicht fallen.