Luftangriffe im Gazastreifen, gezielte Vernichtung von Häusern: Israels Vergeltung für die Ermordung der entführten Jugendlichen trifft die Hamas schwer.
Jerusalem. Die israelische Luftwaffe hat am frühen Dienstag Vergeltungsangriffe auf Ziele im Gazastreifen geflogen. Ein Militärsprecher erklärte, insgesamt seien 34 Ziele in dem von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Region beschossen worden. Die Angriffe seien eine Antwort auf den Abschuss von insgesamt 18 Raketen seit Sonntag.
Wenige Stunden zuvor waren die drei Leichen der entführten israelischen Jugendlichen bei der Ortschaft Halhul in der Nähe von Hebron entdeckt worden. Bei Halhul waren die drei Religionsschüler am 12. Juni auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab der radikalislamischen Hamas die Schuld. Mit seinen Sicherheitsexperten hatte er am Abend über eine Reaktion beraten.
„Die Hamas ist verantwortlich, und die Hamas wird bezahlen“, erklärte Netanjahu. Die Jugendlichen seien von „wilden Bestien entführt und kaltblütig ermordet“ worden, teilte er mit. Israel hatte früh Mitglieder der Hamas beschuldigt und hat die größte militärischen Bodenaktion seit knapp einem Jahrzehnt gestartet, um die Jugendlichen zu finden. Rund 400 Menschen wurden in Zusammenhang mit dem Fall festgenommen, die meisten davon Hamas-Mitglieder. Zwei mutmaßliche Drahtzieher sind jedoch noch auf der Flucht.
Augenzeugen im Gazastreifen berichteten, überall seien Explosionen zu hören gewesen. Sicherheitsleute der radikalislamischen Hamas erklärten, es seien mehr als 25 Luftangriffe innerhalb von weniger zehn Minuten gewesen. Augenzeugen sprachen von Dutzenden von Explosionen.
Ziele seien Militäreinrichtungen der Hamas und des Islamischen Dschihad gewesen. Die Einrichtungen seien in Erwartung israelischer Luftangriffe bereits vorher evakuiert gewesen. Auch von der See habe die israelische Marine den nördlichen Gazastreifen beschossen.
Nach Angaben des medizinischen Dienstes im Gazastreifen wurden bei Chan Junis vier Menschen verletzt. Einer wurde vermisst. Im Westjordanland sei in der Nähe eines Flüchtlingslagers ein Mensch von der israelischen Armee getötet worden, berichtete das Onlineportal „Ynet“ unter Berufung auf palästinensische Angaben.
Präsident Mahmud Abbas berief nach dem Fund der Leichen eine Dringlichkeitssitzung der Palästinenserführung für Dienstag ein. Dabei solle es um die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen gehen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur „Wafa“ am Montag.
Die Hamas beschuldigte ihrerseits Israel, den Tod der drei Jugendlichen für weitere Militäraktionen gegen die Palästinenser zu benutzen. „Wir weisen alle israelische Unterstellungen und Drohungen gegen uns zurück“, hieß es in einer Erklärung der Hamas. Keine palästinensische Gruppe – auch nicht die Hamas – habe sich zu der Aktion bekannt.
Die Jugendlichen wurden offenbar schon kurz nach der Entführung erschossen. Ihre Leichen wurden nur wenige Kilometer entfernt von dem Ort gefunden, an dem sie zuletzt gesehen worden waren. Die Jagd nach den Entführern dauere noch an, berichteten israelische Medien. Der Geheimdienst hat zwei Hamas-Mitglieder als Tatverdächtige genannt. Nach Medienberichten drang die Armee am Montagabend in die Häuser von zwei Verdächtigten in Hebron ein. Laut palästinensischen Angaben, die „Haaretz“ zitierte, sprengten die Soldaten die Gebäude, nachdem die Familien die Häuser verlassen mussten.
US-Präsident Barack Obama verurteilte die Ermordung der drei Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren auf das Schärfste. Obama bezeichnete die Tat als „sinnlosen Terrorakt gegen unschuldige Jugendliche“ und sprach den Familien der drei Teenager sein tiefstes Mitgefühl aus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte „geschockt“. „Es handelt sich um eine verabscheuenswürdige Tat, für die es keinerlei Entschuldigung geben kann“, erklärte Merkel.
„Papst Franziskus schließt sich dem unsagbaren Schmerz der Familien an, die von dieser mörderischen Gewalt getroffen wurden“, erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Montagabend in Rom.
Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte eine Kooperation der Ermittler. Er hoffe, israelische und palästinensische Behörden würden zusammenarbeiten, um die Täter so rasch wie möglich zu fassen, erklärte Ban in New York. Der Mord sei ein heimtückischer Akt der Feinde des Friedens und solle den Konflikt vertiefen und Misstrauen verstärken. „Das darf keinen Erfolg haben.“
Rechtsorientierte israelische Abgeordnete forderten ein hartes Vorgehen gegen Hamas. „Dieses tragische Ende muss auch das Ende der Hamas sein“, sagte Danny Danon von der Regierungspartei Likud. Er forderte eine Militäroperation und einen „tödlichen Schlag“ gegen die Hamas. Auch Parlamentspräsident Juli Edelstein (Likud) sagte: „Israel muss einen kompromisslosen Krieg gegen den Terror im Allgemeinen und speziell gegen die Hamas führen.“ Wirtschaftsminister Naftali Bennett sagte: „Es gibt keine Gnade für Kindermörder.“ Der Vorsitzende der Siedlerpartei sagte zudem: „Dies ist eine Zeit für Taten, nicht für Worte.“
Die konservative norwegische Tageszeitung „Aftenposten“ erwartet eine weitere Eskalation im Nahostkonflikt: „Die Morde an den drei Jugendlichen werden blutige Tage auslösen, vielleicht Wochen. Israel will Rache, und das Land will mit allen Mitteln zeigen, dass solche Untaten bestraft werden. Dazu gehören auch Maßnahmen, die den Stempel der kollektiven Bestrafung der Palästinenser tragen werden.“