Tausende Demonstranten warfen bei der Beisetzung des Brigadegenerals al-Hassan der Regierung zu enge Beziehungen zu Assad vor.
Beirut. Nach dem Bombenanschlag auf den syrien-kritischen Chef des Polizei-Geheimdienstes wächst im Libanon die Sorge vor einem neuen Bürgerkrieg. Tausende Demonstranten warfen am Sonntag bei der Beisetzung des getöteten Brigadegenerals Wissam al-Hassan der Regierung zu enge Beziehungen zum syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vor. Im Anschluss kam es im Zentrum der Hauptstadt Beirut zu vereinzelten Krawallen, als wütende Demonstranten Büros der Regierung stürmen wollten und die Polizei mit Steinen bewarf. Diese setzte Tränengas ein und gab Warnschüsse in die Luft ab. Die Lage entspannte sich dann aber. Die Regierung um Ministerpräsident Nadschib Mikati, der auch pro-syrische Mitglieder angehören, hatte zuvor ihren Rücktritt angeboten. Sie bleibt auf Bitten von Präsident Michel Suleiman aber zunächst im Amt.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte in Paris, es deute einiges auf eine Beteiligung Syriens an dem Anschlag hin. Das Attentat zeige, wie dringend der Abgang Assads in Syrien sei. Ein westlicher Diplomat bezeichnete die Lage im Libanon als instabil. „Ich weiß nicht, ob das (der Anschlag auf al-Hassan) der erste einer ganzen Serie ist – aus der Historie heraus würde ich es vermuten.“ Unter allen Zielen für ein Attentat sei al-Hassan dasjenige gewesen, das die Stabilität des Libanon am meisten ins Wanken habe bringen können.
Landesweit demonstrierten am Wochenende Zehntausende Sunniten gegen den Anschlag, bei dem neben al-Hassan sieben weitere Menschen getötet wurden. Nach dem weltweit verurteilten Attentat verstärkte die Regierung die Sicherheitsvorkehrungen, Soldaten bezogen an strategisch wichtigen Plätzen Stellung. Regierungschef Mikati sagte, er sehe einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und einer jüngst von al-Hassan aufgedeckten Attentats-Verschwörung, die zur Anklage gegen Ex-Minister Michel Samaha geführt hatte. Samaha gilt als Anhänger Assads.
Brennende Autoreifen: Proteste von Sunniten
Zum Zeichen ihres Protestes gegen die Tötung ihres Glaubensbruders al-Hassan steckten demonstrierende Sunniten am Sonnabend Autoreifen in Brand. Sie blockierten die Zufahrt zum internationalen Flughafen in Beirut und sperrten Straßen in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli. Demonstrationen und Straßenblockaden wurden aus dem Bekaa-Tal im Osten und der Stadt Sidon im Süden gemeldet. In einem Dorf im Bekaa-Tal schossen Soldaten auf Demonstranten, die eine Straße blockierten, und verletzten Aussagen von Zeugen zufolge zwei Menschen.
Al-Hassan war ein enger Gefolgsmann des getöteten Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri und leitete auch die Ermittlungen zu dessen Tod. Seine Recherchen legten eine Verwicklung Syriens und der Hisbollah nahe. Al-Hariris Sohn, der ehemalige Ministerpräsident Saad al-Hariri, warf Assad vor, für den Anschlag verantwortlich zu sein.
Der multireligiöse Libanon ist tief zerstritten zwischen Anhängern und Gegnern Assads. Viele Schiiten unterstützen den ihrer Konfession nahestehenden Alawiten Assad, die meisten Sunniten stehen auf der Seite seiner Gegner. Schon vor dem Anschlag, bei dem am Freitag auch 80 Menschen verletzt wurden, hatten sich in Tripoli Sunniten und Alawiten Kämpfe geliefert. Tausende Syrer sind vor der Gewalt in der Heimat in das Nachbarland Libanon geflohen.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Attentat. Einstimmig wurde die Tat als Terroranschlag eingestuft. US-Außenministerin Hillary Clinton warnte vor einer Destabilisierung des Libanon. Ähnlich äußerten sich auch die EU, Frankreich und der Vatikan. Auch der Iran – ein Verbündeter Assads – verurteilte die Tat. Syrien hatte jahrzehntelang die Rolle einer Vormacht im Libanon gespielt. Auch lange nach dem Ende des 15-jährigen Bürgerkriegs 1990 standen syrische Soldaten im Zedernstaat. Ihr Abzug konnte erst nach dem Attentat auf Hariri im Jahr 2005 durchgesetzt werden.
Der internationale Syrien-Gesandten Lakhdar Brahimi unternahm unterdessen einen neuen Vorstoß für eine Waffenruhe in dem arabischen Land. Überschattet wurde das Vorhaben von einem Bombenanschlag in der Innenstadt von Damaskus, bei dem am Sonntag 13 Menschen bei der Explosion einer Autobombe starben. Brahimi beriet mit Assad über eine Waffenruhe während des islamischen Opferfestes, das am Donnerstag beginnt.