Von der Leyen will Mini-Renten von Geringverdienern, die lange in die Rentenkasse eingezahlt und privat vorgesorgt haben, auf bis zu 850 Euro aufstocken – und zwar auch mit Beitragsgeldern aus der Rentenkasse.CSU-Chef Horst Seehofer strebt eine möglichst parteiübergreifende Lösung noch vor der Bundestagswahl 2013 an.
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer strebt eine möglichst parteiübergreifende Lösung im Kampf gegen die drohende Altersarmut noch vor der Bundestagswahl 2013 an. „Das Thema liegt jetzt auf dem Tisch, und es wird in den nächsten Monaten nicht einfach in die Schublade zu legen sein“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag). „Je bessere Antworten man darauf findet, desto wahrscheinlicher ist es, dass es dann nicht ein Mittelpunktthema des Wahlkampfes wird.“
Zugleich kündigte Seehofer eigene Vorschläge an. „Wir werden die nächsten Wochen nutzen, uns auch innerhalb der CSU konzeptionell mit dieser Frage zu beschäftigen.“ Dem Plan von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), eine Zuschussrente für Geringverdiener einzuführen, erteilte Seehofer eine klare Absage: „Das ist nicht der richtige Weg.“ Er habe Probleme damit, „dass die Rentenversicherung unterschiedliche Einkommen in der aktiven Erwerbsphase ausgleichen soll“.
Von der Leyen will Mini-Renten von Geringverdienern, die lange in die Rentenkasse eingezahlt und privat vorgesorgt haben, auf bis zu 850 Euro aufstocken – und zwar auch mit Beitragsgeldern aus der Rentenkasse.
Die Ministerin räumte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ ein, dass die von ihr vorgeschlagene Zuschussrente nur einen kleinen Teil des Rentenproblems lösen könne. Sie verstehe, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diesen Teil auf zehn Prozent beziffere, sagte von der Leyen. Diese zehn Prozent seien aber „der erste, dringendste Schritt“, der die Gerechtigkeitsfrage für Geringverdiener löse und die Mütter besserstelle. Das müsse jetzt passieren. Die anderen 90 Prozent könnten danach „in einer größeren Dimension“ angegangen werden. „Das geht nicht innerhalb von Wochen, das sehe ich ein“, sagte von der Leyen.
Seehofer wandte sich dagegen, das Konzept der Zuschussrente isoliert weiterzuverfolgen. Man müsse die Probleme der Altersarmut umfassender betrachten. Der CSU-Chef strebt dabei einen gesellschaftlichen Konsens an. „Es gibt, wie ich finde, eine nicht schlechte Tradition in Deutschland zu versuchen, die Fragen der Sicherung im Alter immer über die Parteigrenzen hinweg zu lösen. Rentenfragen sind Vertrauensfragen“, sagte Seehofer.
Der Sozialverband Deutschland verlangte von der Bundesregierung einen Sofortplan gegen die drohende Altersarmut. Zunächst müsse die Absenkung des Rentenniveaus gestoppt werden, sagte Verbandspräsident Adolf Bauer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Zudem forderte er eine Rückkehr zur Lohndynamik der Renten. Die von der Ministerin geplante Zuschussrente sei untauglich. Bauer warnte angesichts des Tauziehens in der Koalition vor Vertröstungen auf unbestimmte Zeit. Wenn am Ende des monatelangen Rentendialogs „eine Nullnummer steht, werden wir das der Politik nicht durchgehen lassen“, sagte er.
Die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, forderte von der Leyen auf, zunächst ein Konzept für die Mütter-Rente vorzulegen. „„Die Einführung besserer Rentenleistungen für ältere Mütter muss im Zentrum unserer Strategie gegen Altersarmut stehen. Wir müssen die Gerechtigkeitslücke zwischen jüngeren und älteren Müttern schließen“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Freitag). „Ich gehe davon aus, dass das Arbeitsministerium eine Berechnung vorlegt, wie wir die Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, besser stellen können.“
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ingrid Fischbach (CDU), schloss sich Hasselfeldts Forderung an: „Diese Zahlen benötigen wir, um in der Fraktion über die Rentenreform entscheiden zu können.“ Gezielte Verbesserungen für ältere Mütter in der Rente seien eine „systemkonforme und zielgerichtete Maßnahme“, sagte auch die Chefin der Frauenunion, Maria Böhmer (CDU). „Eine Rentenreform ohne eine bessere Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten von Müttern, die künftig in Rente gehen, ist für die Frauen Union undenkbar.“
Die Angst vor Armut im Alter ist in Deutschland weit verbreitet. Jeder dritte Deutsche, dem die Rentenzeit noch bevorsteht, befürchtet spätere Altersarmut, wie aus einer am Donnerstagabend in Köln veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD hervorgeht. Vor allem Menschen mit geringem Einkommen machen sich demnach Sorgen über ihr Auskommen im Alter.
So äußerten 58 Prozent der Befragten mit einem Haushaltseinkommen von höchstens 1.500 Euro netto die Sorge, später einmal von Altersarmut betroffen zu sein. Bei Menschen mit einem Haushaltseinkommen bis 3.000 Euro netto sind es noch 40 Prozent, bei Menschen mit höherem Einkommen nur 15 Prozent. Zufrieden ist dagegen die Mehrzeit der heutigen Rentner: Von ihnen gaben 69 Prozent an, sie hätten ihren früheren Lebensstandard „in etwa halten“ können. Von Altersarmut betroffen sehen sich neun Prozent.
Um Altersarmut zu verhindern, befwortet jeder Dritte eine Aufstockung niedriger Renten aus, wie sie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorschlägt. Mehr Zustimmung findet mit 40 Prozent die Einführung einer Mindestrente, wie sie etwa die SPD erwägt. Fast jeder vierte Befragte (23 Prozent) findet, jeder sollte „selbst für eine angemessene Rente sorgen“.
In der Diskussion um die Überschüsse in der Rentenkasse lehnt eine große Mehrheit den Beschluss des Bundesregierung ab, die Rentenbeiträge zu senken. Dies wünschen sich nur 15 Prozent der Befragten. Dagegen wollen 83 Prozent der Deutschen lieber, dass das Geld zurückgelegt wird. Das Institut befragte am Montag und Dienstag 1.003 wahlberechtigte Bundesbürger.
Mit Material von EPD und dpa