Monatelang dauerte der Postenpoker. Nun steuert die EU auf die Besetzung neuer Spitzenämter zu. Der Luxemburger Juncker könnte vorerst an der Spitze der Eurogruppe bleiben. Die Euro-Finanzminister machen zudem Tempo bei der Nothilfe für Spaniens Banken.
Brüssel. Nach monatelangem Streit zeichnet sich in der EU eine Lösung für die Besetzung mehrerer EU-Spitzenposten ab. Die Euro-Finanzminister ebneten bei ihrem Treffen am Montag in Brüssel den Weg für eine Verlängerung der Amtszeit von Jean-Claude Juncker an ihrer Spitze. Der Luxemburgische Premier könnte maximal sechs weitere Monate den Vorsitz in der Eurogruppe führen, berichteten Diplomaten.
Möglich wurde dies durch eine zweite Personalie: Die Minister nominierten nach Angaben aus der Eurogruppe den luxemburgischen Notenbankchef Yves Mersch für den vakanten Posten im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Direktorium ist das Machtzentrum der Notenbank in Frankfurt.
Juncker (57) hatte die Entscheidung für Mersch zur Bedingung dafür gemacht, um weiter an der Spitze der Eurogruppe zu bleiben. Juncker selbst sagte der Nachrichtenagentur dpa, er erwarte eine Entscheidung noch bei der Abendsitzung am Montag. Zu dem Postenpoker sagte er: „Ich habe dazu alles gesagt.“
Laut EU-Diplomaten war aber nicht sicher, ob die Entscheidung über weitere Posten wirklich noch am Abend fallen würde. So äußerte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) skeptisch. Juncker habe beim Gipfel erklärt, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe. „Er hat es Ädie PersonalieÜ damit auch zu den Staats- und Regierungschefs gebracht und die werden es auch entscheiden“, sagte Schäuble.
Schäuble selbst galt als einer der möglichen Nachfolger für Juncker. Er selbst hatte mehrfach signalisiert, im Notfall für den Posten bereit zu stehen. Von dem Postenpoker hängt auch ab, ob der Deutsche Klaus Regling künftig den ständigen Krisenfonds ESM leiten wird. Frankreich hatte wegen der Wahlen das gesamte Personalpaket lange Zeit blockiert.
Mersch (62) ist einer der dienstältesten Notenbankgouverneure im Eurogebiet. Eine endgültige Entscheidung zu der Toppersonalie muss von den EU-Staats- und Regierungschef gefällt werden. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Das normale Mandat des Eurogruppen-Vorsitzenden dauert zweieinhalb Jahre, Junckers reguläre Amtszeit läuft am 17. Juli aus.
Paris sprach sich klar für den luxemburgischen Premier aus: „Wir streben an, dass in der Tat Jean-Claude Juncker heute Nachfolger von Jean-Claude Juncker wird“, sagte Finanzminister Pierre Moscovici. Zu Spekulationen, dass Frankreich und Deutschland in einem Rotationsverfahren den Eurogruppenvorsitz aufteilen könnten, sagte Moscovici: „Es gibt keinen Antrag Frankreichs in dieser Hinsicht.“ Der französische Staatspräsident Francois Hollande hatte jüngst eine deutsch-französische Lösung für den Eurogruppen-Vorsitz ins Spiel gebracht, wenn Junckers Amtszeit ende.
Die Minister sprachen bei dem Treffen auch über Spanien, das bis zu 100 Milliarden Euro Notkredite zur Sanierung seiner maroden Banken erhalten soll. Um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen, wollen die Euroländer noch im Juli die Nothilfen auf den Weg bringen. Die Vereinbarung für das Hilfsprogramm soll bei einem Sondertreffen am
20. Juli unter Dach und Fach gebracht werden. „Es gibt bereits eine substanzielle Basis für eine Abmachung“, sagte Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Minister Schäuble sieht die Verhandlungen „auf einem guten Weg“. Nach seinen Worten wollten die Minister einen verbindlichen Rahmen und einen Zeitplan verabreden.
Die EU kommt dem krisengeschüttelten Spanien, das unter hoher Arbeitslosigkeit leidet, weiter entgegen. Die Kassenhüter aller 27 EU-Länder wollten am Dienstag bestätigen, dass Madrid bis 2014 – und damit ein Jahr länger als ursprünglich geplant – Zeit hat, sein ausgeufertes Defizit unter die Maastrichter Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen.
Die EU-Kommission hatte dies vorgeschlagen. Spanien muss an misstrauischen Märkten hohe Zinsen zahlen – bei zehnjährigen Anleihen wurde die kritische Marke von sieben Prozent wieder überschritten.
Die Euro-Minister berieten auch über das aus dem Ruder gelaufene Hilfsprogramm für Griechenland und ein Hilfsprogramm für den Inselstaat Zypern. Für beide Länder lagen – nicht öffentliche - Expertenberichte vor. Mit Beschlüssen wurde aber nicht gerechnet.
Luxemburgs Ressortchef Luc Frieden deutete an, dass es Nachbesserungen für Griechenland geben könnte: „Ich denke, dass wir Griechenland entgegen kommen können, aber Griechenland muss auch wissen, dass dies keine Einbahnstraße ist....“. Im Gespräch ist die Streckung von Fristen, beispielsweise beim Defizit.
Thema war auch die geplante europäische Bankenaufsicht. Sie ist laut Gipfelbeschluss von Ende Juni Voraussetzung dafür, dass der Euro-Rettungsschirm Notkredite direkt an marode Banken weitergeben kann. Schäuble sagte, dies sei „keine Kleinigkeit, sondern eine Riesenaufgabe“. „Das wird Zeit brauchen, das ist aufwendig, das ist nicht einfach zu schaffen und daran werden wir arbeiten.“ Ein Datum für den Start nannte er nicht. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass die Aufsicht frühestens Mitte 2013 stehen wird.