Obama fordert „härteste Sanktionen“ wegen des Mordkomplotts gegen den saudischen Botschafter. Alle Zweifel ausräumen kann er nicht.

Washington. Mit dem Ruf nach „härtesten Sanktionen“ hat US-Präsident Barack Obama für Vertrauen in die US-Darstellung eines iranischen Mordkomplotts gegen den saudi-arabischen Botschafter in den Vereinigten Staaten geworben. Die amerikanische Regierung „weiß, dass er (der verhinderte Attentäter) direkte Kontakte zu Individuen in der iranischen Regierung hatte, von dort bezahlt und angeleitet wurde“, sagte Obama auf einer Pressekonferenz, die anlässlich des Staatsbesuchs des südkoreanischen Staatspräsidenten Lee Myung-bak angesetzt worden war. „Nun liegen die Fakten für alle sichtbar vor“, fuhr der US-Präsident fort. Die US-Regierung würde einen solchen Verdacht nicht äußern, wenn sie nicht sicher wäre, jeden Anklagepunkt beweisen zu können. Der wenig gefragte Lee äußerte sich diplomatisch „schockiert“ über die „Berichte“ von einem Mordkomplott: „Ich und das koreanische Volk verurteilen entschieden jede Form des Terrorismus.“

Es geschieht nicht alle Tage, dass der amerikanische Präsident selbst beteuern muss, schwere Vorwürfe seiner Regierung gegen einen anderen Staat seien glaubwürdig. Und es ist ohne Beispiel, dass Barack Obama selbst die Option eines Militärschlags nicht ausschließt. Doch offenbar überwiegen angesichts der kuriosen, amateurhaften Einzelheiten der angeblichen Verschwörung Skepsis und Zurückhaltung selbst unter Verbündeten, die verschärfte Sanktionen vor allem mitzutragen hätten. Die USA unterhalten seit den ersten Sanktionen der Reagan-Regierung in den 80er-Jahren keine Geschäftsverbindungen mit dem Iran. Druck auf europäische Unternehmen über alliierte Regierungen auszuüben gilt als Routinefall, der den Superlativ „härteste Sanktionen“ kaum verdiente. Nur wenn sich China, Russland und Indien zu einer solchen Verschärfung samt einer Verurteilung Irans im Weltsicherheitsrat überreden ließen, so Beobachter, könnten die Maßnahmen Biss bekommen. Eine solche einmütige Verdammung scheint angesichts der öffentlich bekannten dürftigen Beweislage wenig wahrscheinlich. Was immer US-Diplomaten ihrem Gegenüber im Verborgenen vorlegen, mag überzeugen oder nicht. Auch wenn es wenig direkt ausgesprochen wird: Colin Powells verhängnisvoller Auftritt vor den Vereinten Nationen 2003, der die Existenz von Massenvernichtungswaffen in Saddam Husseins Irak beweisen sollte und den Krieg vorbereitete, ist unvergessen. Nach Angaben des State Departments wollen die USA nun ein Expertenteam nach Moskau schicken, um dort Zweifel an den Mordplänen und der Verwicklung der iranischen Regierung auszuräumen.

Noch während der Pressekonferenz von Obama und Lee bestätigte das State Department zudem höchst ungewöhnliche direkte Kontakte mit dem Iran. Die amerikanische Uno-Botschafterin Susan Rice habe ihrem iranischen Gegenüber einen Brief übergeben. Nähere Details über den Inhalt des Schreibens oder die Art, wie die Übergabe stattfand, wollte die Sprecherin des State Departments, Victoria Nuland, nicht nennen. Sie räumte ein, dass die Details des Komplotts auf den ersten Blick „wie aus einem Film“ wirkten. Wenn man die Tatsachen analysiere, werde es indessen keinen Zweifel geben. Einstweilen verdammt nur Saudi-Arabien, nicht unbefangen in diesem Fall, offen die „feige Tat“ Teherans.

In Großbritannien äußerte Außenminister William Hague die Loyalität zu den USA vor dem Unterhaus in der rhetorisch gewundenen Konjunktiv-Figur „what would appear to constitute...“: „Es hat den Anschein, als könnte dies eine größere Eskalation von Irans Förderung des Terrorismus außerhalb seiner Grenzen bedeuten“.

In der Tat gibt es Anzeichen, dass sich in den USA selbst Skepsis und Glauben die Waage halten. Nur die „New York Times“ berichtete am Freitag in großer Aufmachung von Präsident Obamas Pressekonferenz. Doch in diesem Blatt, das als treuester Advokat Israels unter den US-Medien gilt, wie in anderen wichtigen Zeitungen fehlten auffallend Meinungsstücke oder Leitartikel zu dem Iran-Mordkomplott.

Einer Demonstration von Skepsis kommt es nahe, dass die „Washington Post“ das Thema am Freitag vollkommen ignorierte. Politiker der Republikaner (die vorlauten Präsidentschaftskandidaten eingeschlossen), die sonst nicht zögern, Barack Obama eine zaudernde Haltung im Nahen Osten und mangelnde Bündnistreue zu Israel vorzuwerfen, halten sich sonderbar zurück. Sie mögen ahnen, dass der Schlachtruf „Bomb Teheran!“ in der von Finanzkrise und zwei Kriegen zermürbten amerikanischen Bevölkerung auf wenig Begeisterung stieße. Diese „Option“ war vor wenigen Wochen wieder ins Gerede gekommen, als Dick Cheney in seinen Memoiren seine starke Sympathie für Militärschläge bekannte.

Die iranische Regierung in Teheran weist die Beschuldigungen nach wie vor kategorisch zurück. Erstmals äußerte sich am Freitag auch Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei in den Staatsmedien. „Die Wiederholung von dummen und nutzlosen Methoden der USA, eine Islam- und Iran-Phobie in der Welt zu schüren, wird nichts bringen. Sie ist zum Scheitern verurteilt“, sagte der Ajatollah. Chamenei ist nach der iranischen Verfassung das Staatsoberhaupt und hat in allen Staatsangelegenheiten das letzte Wort.