Ein geschwächter Mubarak hört auf einer Krankenliege im Gericht die Anklage und plädiert „nicht schuldig“
Kairo. Ägyptens Ex-Präsident Husni Mubarak hat zu Beginn seines Prozesses eine Verstrickung in die Tötung von Demonstranten während des Aufstandes bestritten. „Ich weise alle diese Vorwürfe vollständig zurück“, sagte der 83-Jährige am Mittwoch in Kairo – ein knappes halbes Jahr nach seinem Sturz. Das Verfahren gegen den 30 Jahre mit harter Hand regierenden Mubarak ist der Lackmustest für die neue Führung und wird von den Ägyptern kritisch beobachtet. Auch in anderen arabischen Ländern, in denen eine autokratische Führung herrscht und sich Proteste regen, dürfte der Prozess Widerhall finden. Denn Mubarak muss sich nicht nur wegen der Niederschlagung der Proteste verantworten. Ihm werden auch Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Und es droht ihm die Todesstrafe.
Der Staatsanwalt warf Mubarak vor, er habe seinem Innenminister Habib al-Adli erlaubt, scharfe Munition gegen die Demonstranten einzusetzen. Rund 850 Menschen wurden während des Aufstands getötet, mehr als 6000 verletzt. Adli muss sich deshalb ebenfalls vor Gericht verantworten. Mubarak „hatte die Absicht, eine ganze Reihe von Demonstranten in verschiedenen Gouvernements zu töten, die friedliche Kundgebungen gegen die Verschlechterung der Lebensbedingungen abgehalten haben“, sagte der Staatsanwalt. Die Tötungen seien während der 18 Tage dauernden Proteste angeordnet worden. Der Staatsanwalt warf Mubarak auch Korruption und Verschwendung staatlicher Mittel vor. Er habe seine Machtposition missbraucht, um sich selbst und seinen beiden Söhnen Reichtum und Privilegien zu sichern.
Mubarak verfolgte den Prozess von einem Krankenbett aus, auf dem er in den Gerichtssaal gerollt worden war – eingesperrt in einen Metallkäfig zusammen mit den anderen Angeklagten. Neben Mubarak müssen sich seine Söhne Alaa und Gamal, Ex-Innenminister Adli und mehrere hohe Polizeioffiziere verantworten. Alle trugen sie die für Angeklagte übliche weiße Kleidung. Auch Alaa und Gamal Mubarak wiesen die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück.
Der Prozess findet in einer Polizeiakademie am Stadtrand statt, in dem Saal finden Hunderte Zuschauer Platz. Draußen verfolgten die Menschen das Verfahren auf einem großen Bildschirm. „Bleib stark, Mubarak“, riefen die einen. „Wir werden das Gefängnis zerstören und es niederbrennen, wenn Mubarak verurteilt werden sollte.“ Andere hielten dagegen: „Erhebt eure Stimme, die Freiheit wird nicht sterben!“ Einige Demonstranten bewarfen einander mit Steinen. Polizisten gingen dazwischen. Nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Mena wurden dabei 53 Menschen verletzt.
In Cafes, in Kiosken – wo immer ein Fernseher stand, versammelten sich die Ägypter. Manch einer konnte seinen Augen kaum trauen: „Ich glaube das nicht. Ich sehe einen Präsidenten vor Gericht“, staunte Ahmed Amer, ein Angestellter. „Ich bin so glücklich. Und ich bin sicher, dass der nächste Präsident weiß, was ihm blühen kann, wenn er sich gegen sein Volk wendet.“
Auch in anderen arabischen Ländern beobachteten die Menschen fasziniert den Prozess. In Bahrain wandte sich ein Aktivist im Internet an die Despoten: „Lieber arabischer Diktator, sieh genau hin zu Mubarak. Er war einst genauso mächtig, wie du es warst. Deine Zeit ist abgelaufen, wenn du dich nicht änderst.“
Mubaraks Prozess, der am 15. August fortgesetzt wird, ist ohne Beispiel: Der tunesische Ex-Präsident Zine al-Abidine Ben Ali, der erste arabische Herrscher, den das Volk im Frühjahr aus dem Amt verjagt hatte, wurde in Abwesenheit verurteilt. Ben Ali war nach Saudi-Arabien geflohen. Und schon 2006 wurde der irakische Diktator Saddam Hussein hingerichtet – gestürzt hatte Saddam nicht sein Volk sondern ein von den USA geführtes Militärbündnis.
Für Mubarak schließt sich in der Polizeiakademie der Kreis. Genau dort hatte er am 25. Januar die Polizei dafür gelobt, dass sie die Sicherheit im Land aufrechterhalte. Zwei Tage später brach der Proteststurm los, der Mubarak am 11. Februar aus dem Amt fegte.