Als Barack Obama den Schuldendeal verkündete, sah er grau und angeschlagen aus – Sinnbild eines Präsidenten, der immer verbissener um seine Ziele kämpfen muss.

Washington. Wer beim Amtsantritt von Barack Obama vor zweieinhalb Jahren am lautesten „Yes, we can!" rief, maulte nach dem Schuldendeal am meisten. „Das ist eine Kapitulation vor dem radikalen Rand der Republikaner“, wetterte etwa der demokratische Senator Robert Menendez. Die Konservativen, obwohl lediglich im Abgeordnetenhaus im Besitz der Mehrheit, scheinen die großen Gewinner des wochenlangen Washingtoner Schuldengezerres. Steuererhöhungen schmetterten sie ab, Einsparungen gehen komplett zulasten von Mittelschicht und Armen. Auch im Lager der Demokraten wird inzwischen immer lauter gefragt, ob Obama noch alles im Griff hat.

Das Ergebnis der Abstimmung im US-Repräsentantenhaus in der Nacht zum Dienstag hätte im Tenor klarer nicht sein können, was die Parteigänger der Präsidenten von dem Kompromiss halten. 95 Demokraten stimmten dagegen, 95 dafür – Geschlossenheit sieht anders aus. Vizepräsident Joe Biden höchstselbst musste kurz vor dem Votum erzürnte Parteifreunde auf Linie trimmen und sich von ihnen einiges anhören. „Sie haben all ihren Frust rausgelassen“, erzählte er danach.

„Der vereinbarte Deal ist politisch eine komplette Kapitulation der Demokraten“, befindet William Gale vom renommierten Brookings-Politikinstitut in Washington. „Bei dem Paket geht es alleine um Ausgabenkürzungen, was die ursprüngliche Position der Republikaner war.“ In der Praxis bedeute das, „die Hauptlast zur Schließung der Lücke werden arme Haushalte und die der Mittelschicht zu tragen haben, nicht Großverdiener oder Reiche“.

„Wenn er die Macht haben will, Wandel herbeizuführen, muss er sich auch für den Wandel einsetzen, den er anstrebt“, sagt der frühere ranghohe Politikberater von Präsident Bill Clinton, William Galston, zur politischen Schlagkraft Obamas. „Ob er sich dafür entscheidet oder in der Lage dazu ist – ich weiß es nicht“, sagt er der „Washington Post“. Schlimmer noch: „Seine Präsidentschaft ist in Gefahr, und ich hoffe es gibt Leute in seiner Umgebung, die ihm das auch einmal offen sagen.“

Andere sind hingegen vorsichtiger, was die verbliebene politische Potenz des Präsidenten angeht. Der Kompromiss mit den Republikanern, selbst wenn er wie eine Niederlage scheint, könnte möglicherweise wahlentscheidende parteiungebundene Wähler wieder ins Obama-Lager locken, spekuliert die „Washington Post“. Denn während linke Demokraten ganz bestimmt nicht den Republikanern ihre Stimmen geben, haben die „Unabhängigen“ mit der Rolle des Wechselwählers kein Problem. Sie waren auch mit die ersten, die sich von Obama abwandten.

Im Weißen Haus meint man derweil, es seien vielmehr die Republikaner, die sich mit dem Schuldendeal einen Bärendienst erwiesen. „Kurzfristig leiden alle“, meint Obamas Top-Wahlkampfstratege David Axelrod. „Auf lange Sicht hingegen haben die Republikaner sich selber furchtbar geschadet. Denn jetzt definieren sie sich völlig durch ihre schrillsten Stimmen“, sagt Axelrod mit Blick auf die Tea-Party-Bewegung, deren Anhänger im Kongress vor allem einen knallharten Kurs setzten.

Was derweil sicher scheint: Das wochenlange Gebalge von Demokraten und Republikanern um das Schuldenlimit ließ das Ansehen Washingtons bei vielen Wählern noch tiefer sinken. Unlängst von der „Washington Post“ und dem Pew-Institut nach einem einzigen Wort gefragt, das den Streit umschreibt, sagten zwei Drittel der Amerikaner schlicht: „Lächerlich.“ Nicht einmal jeder fünfte US-Bürger ist unterdessen der Meinung, dass das Land noch auf dem richtigen Kurs ist.

Ein weiteres Damoklesschwert für Obama: der drohende Verlust der höchsten Stufe der Kreditwürdigkeit der USA als Folge des Polit-Spektakels und der miesen Etatlage. „Die fundamentalen Voraussetzungen für eine Herabstufung (durch Ratingagenturen) sind gegeben“, sagt Uri Dadush vom Programm für Internationale Wirtschaft beim US-Politikinstitut Carnegie Endowment for International Peace. Als Konsequenz drohen unter anderem höhere Zinsen – böses Gift für die schwächelnde US-Konjunktur und ihre hohe Arbeitslosigkeit. Kommt die weltgrößte Volkswirtschaft nicht bald in Schwung, dürfte der Wind Obama noch einmal steifer ins Gesicht wehen.

Vorbehalte in China und Russland

Auch in China stieß die Einigung im US-Schuldenstreit auf Vorbehalte. Zwar hielt sich die Regierung in Peking mit einer offiziellen Stellungnahme zurück. In den Staatsmedien wurde der Kompromiss aber als halbherzig kritisiert. „Zwar haben die USA die Zahlungsunfähigkeit nun praktisch verhindert, aber ihre Schuldenprobleme sind weiterhin ungelöst“, urteilte die Zeitung „Renmin Ribao“, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei. Das Problem sei im Endeffekt nur aufgeschoben worden. Es sei damit zu rechnen, dass der Schuldenberg der USA weiter anwachse. „Dies wirft einen Schatten auf die Erholung der US-Konjunktur und erhöht auch die Gefahren für die Weltwirtschaft.“

China hält rund 3,2 Billionen Dollar in ausländischen Staatsanleihen, wovon etwa 70 Prozent in die US-Währung investiert sind. Damit schulden die USA keinem anderen Land in der Welt soviel Geld wie China. Die Abhängigkeit vom Dollar sei vorerst aber kaum zu verringern, erklärte das Blatt in dem kurzen Kommentar weiter. „Der Dollar bleibt eine harte Währung, die alle anderen Länder akzeptieren müssen.“

Russlands Ministerpräsident Putin warf den USA vor, über ihre Verhältnisse „wie ein Parasit“ zu leben. Die Dominanz des Dollar sei zu einer Gefährdung der Finanzmärkte geworden, sagte er vor Mitgliedern der ihn unterstützenden Jugendorganisation Naschi. Putin wies darauf hin, dass Russland ebenfalls viele US-Staatsanleihen halte. Er sprach sich zugleich dafür aus, dass es außer dem Dollar noch andere Reservewährungen geben sollte.

(dpa/rtr/abendblatt.de)