Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt gegen Libyens Machthaber Gaddafi, der Soldaten mit Potenzmitteln versorgt und zu sexueller Gewalt ermutigt haben soll. Von systematischen Vergewaltigungen ist die Rede. Unterdessen greift die Nato weiter Ziele in Tripolis an.
Den Haag/Tripolis/Brüssel. Die Schreckensnachrichten nehmen kein Ende: Jetzt geht der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Vorwürfen nach, wonach Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi dafür gesorgt haben soll, dass Potenzmittel an Soldaten ausgegeben wurden, um sie zu Vergewaltigungen zu ermutigen. Chefankläger Luis Moreno Ocampo sagte am Mittwoch, sein Büro sammle Beweise zu Vergewaltigungsvorwürfen und würde immer stärker zu der Überzeugung kommen, dass Gaddafi entschieden habe, Frauen dadurch zu bestrafen, dass er Vergewaltigungen als Waffe einsetzt.
Zeugen sollen ausgesagt haben, dass die libysche Regierung containerweise Viagra-ähnliche Produkte einkaufe, teilte Ocampo auf einer Pressekonferenz mit. Bereits am 16. Mai stellte Ocampo einen Antrag auf Ausstellung eines internationalen Haftbefehls für Gaddafi, seinen Sohn Seif al Islam und den Geheimdienstchef Abdullah al Sanussi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er habe auch Hinweise, dass Gaddafi selbst beschlossen habe, sexuelle Gewalt gegen Regimegegner einzusetzen. Genügend Beweismittel für eine Anklage gegen Gaddafi gebe es bereits hinsichtlich des Schießbefehls gegen wehrlose Demonstranten sowie das Foltern und vermutlich auch Töten von Regimegegnern.
Nato greift weiter Ziele in Tripolis an
Unterdessen gehen die Kämpfe in Libyen weiter. Die Nato hat ihre Luftangriffe auf die libysche Hauptstadt Tripolis Medienberichten zufolge auch in der Nacht zum Donnerstag fortgeführt. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira online bekannt gab, soll die Stadt am späten Abend von einer schweren Explosion erschüttert worden sein. Auch der Triebwerkslärm eines Kampfflugzeuges sei zu hören gewesen. Am Mittwoch hatte die Nato angekündigt, den Luftkrieg in Libyen bis zum Sturz des Regimes von Machthaber Muammar al-Gaddafi fortsetzen zu wollen.
Dennoch zeigten sich die Mitgliedstaaten nicht willens, ihre militärischen Anstrengungen deutlich über das bisherige Maß auszuweiten. Ein Appell von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen an alle 28 Nato-Regierungen, zusätzliche militärische Kräfte für den Libyen-Einsatz bereitzustellen, verhallte beim Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel ohne erkennbare Reaktionen.
Die libyschen Rebellen sehen die Luftangriffe auf Tripolis als Vorbereitung für ihren Einmarsch in die Hauptstadt. Aufständischen-Sprecher Guma al-Gamaty erklärte via Twitter: "Die Zerstörung der Mauern und Tore von Bab al-Asisija bedeutet, dass sich Gaddafi eine blutige Nase geholt hat. Den K.-O.-Schlag werden ihm schon sehr bald die Libyer selbst versetzen.“ Im Stützpunkt Bab al-Asisija, der bereits mehrfach Ziel der Nato-Angriffe war, befindet sich das Anwesen Gaddafis.
In den Medien der Aufständischen hieß es unterdessen, in der Stadt Jafren südwestlich von Tripolis hätten ihre Kämpfer zahlreiche Waffen der Gaddafi-Truppen erbeutet, die sie für die Schlacht um die Hauptstadt nutzen wollten. Sie rechneten in vier Stadtvierteln von Tripolis mit Unterstützung durch Anhänger der Revolution. Bislang konnten sich die Rebellen nach eigenen Angaben der Hauptstadt auf bis zu 80 Kilometer nähern.
Für eine Nach-Gaddafi-Ära sehen die Nato-Verteidigungsminister vor allem die Vereinten Nationen und regionale Organisationen in der Pflicht, beim Wiederaufbau zu helfen. "Gaddafi ist Geschichte“, sagte Rasmussen. "Die Frage ist nicht, ob er geht, sondern wann er geht. Es kann Wochen dauern oder morgen passieren. Aber wenn er geht, dann sollte die internationale Gemeinschaft vorbereitet sein.“
Nur 14 Nato-Staaten am Libyen-Einsatz beteiligt
Von den 28 Nato-Staaten sind nur 14 an dem Libyen-Einsatz beteiligt. Von diesen wiederum nehmen nur neun an Kampfeinsätzen teil. Am Luftkrieg gegen Gaddafi beteiligen sich auch Schweden und Katar. Vor allem Frankreich, Großbritannien und Italien, die bisher die Hauptlast des Einsatzes trugen, hatten um Entlastung gebeten.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière kündigte für die Zeit nach Gaddafis Sturz deutsche Hilfen an. "Wir unterstützen die Ziele und die Maßnahmen der Nato“, sagte er. "Wir sind in diesem Fall militärisch nicht dabei. Dabei bleibt es. Aber wir engagieren uns in Libyen politisch“, sagte er. Deutschland sei "bereit, in der Nach-Konflikt-Phase Verantwortung zu übernehmen“.
(Mit Material von dpa/dapd)