Der designierte Parteichef will “mit aller Kraft“ die Liberalen erneuern. Rösler wird Guido Westerwelle zudem auch als Vizekanzler ablösen.
Berlin. Philipp Rösler muss als neuer Parteichef und Vizekanzler die FDP aus ihrer tiefen Krise holen. Nach tagelangem Zögern meldete der Gesundheitsminister am Dienstag seine Kandidatur für die Nachfolge von Guido Westerwelle an. Von Bundestagsfraktion und Spitzengremien der Partei bekam der 38-Jährige viel Applaus. Die endgültige Entscheidung fällt aber erst beim nächsten FDP-Parteitag Mitte Mai in Rostock. Die FDP-Ministerriege im schwarz-gelben Kabinett bleibt vorerst unverändert.
Als wichtiges Ziel nannte Rösler, für die FDP wieder „Glaubwürdigkeit“ zu gewinnen. „Das braucht Zeit. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber das wird gelingen, wenn wir geschlossen sind.“ Die FDP müsse nicht ihr Programm komplett umschreiben, sich aber wieder auf ihren „liberalen Kompass“ besinnen.
Im schwarz-gelben Kabinett will Rösler Gesundheitsminister bleiben. Damit ist die Position von Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister zunächst nicht mehr gefährdet. Der bisherige FDP-Chef muss zwar seinen Titel als Vizekanzler abgeben, bleibt aber Außenminister. Auch Fraktionschefin Birgit Homburger soll ihr Amt behalten. Die gesamte FDP-Parteiführung wird in Rostock neu gewählt.
Rösler kündigte nach seiner Kandidatur an, bis dahin personelle und inhaltliche Vorschläge zu präsentieren. Als einzigen sicheren Personalvorschlag nannte er Generalsekretär Christian Lindner. Das neue Team an der Spitze der FDP müsse eine „Mischung aus jungen und erfahrenen Kräften“ werden. Damit wies er Spekulationen über eine vollständige Verjüngung der Parteispitze zurück.
Die Entscheidung für den Parteivorsitz fiel Rösler nach eigenen Worten nicht leicht. Er sagte: „Das ist ein erster Schritt zur inhaltlichen und personellen Erneuerung der Partei.“ Weitere Schritte müssten in den nächsten Tagen und Wochen folgen. Zu den Spekulationen über seinen Wechsel an die Spitze des Wirtschaftsministeriums, um eine größere Durchsetzungskraft in der Regierung zu haben, sagte Rösler: „Das Amt des Gesundheitsministers macht mir sehr viel Freude.“
Reaktionen auf Röslers Kandidatur
Mit Philipp Rösler habe die FDP einen überzeugenden Kandidaten für den Parteivorsitz präsentiert, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe dem Hamburger Abendblatt. Er wies die Kritik der Opposition am Wechsel an der FDP-Spitze scharf zurück: „Die Opposition sollte ihre sinnlosen Attacken schleunigst wieder einstellen und sich lieber konstruktiv einbringen – gerade im Hinblick auf unseren angestrebten gesellschaftlichen Konsens in der Energiefrage“, sagte Gröhe. „Die Koalition kann und muss sich jetzt wieder auf die Sacharbeit konzentrieren“, sagte Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstands-Union.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ließ mitteilen, Rösler starte bereits mit einer Niederlage, weil er seine Wunschkonstellation nicht gegen die alten Beharrungskräfte durchsetzen konnte. Dies sei ein Neuanfang mit angezogener Handbremse. Die Grünen erwarten keine wesentlichen Änderungen. „Jetzt erleben wir einen Frühling des ich-weiß-nicht-wie-vielten Neustarts, der zum Frühling des Nichtstuns zu werden droht. Westerwelle geht, aber die Probleme bleiben“, sagte Fraktionschefin Renate Künast. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi wertete die Krise der FDP als „Kanzlerinnendämmerung“: Angela Merkel (CDU) habe weder die Atom-Debatte im Griff „noch wer eigentlich ihr Außen- oder ihr Wirtschaftsminister wird“.
Die FDP-Landesverbände zeigten sich durchweg zuversichtlich. „Philipp Rösler ist ein glaubwürdiger und fairer Mannschaftsspieler, der auch über die notwendige Durchsetzungskraft verfügt“, sagte Daniel Bahr, Landes-FDP-Chef in Nordrhein-Westfalen. Der niedersächsische Fraktionsvorsitzende Christin Dürr nannte Rösler eine tolle Persönlichkeit. „Es ist wichtig, dass wir ein sympathisches Gesicht an der Spitze der FDP haben.“ Rösler könne die FDP aber nicht alleine aus dem Umfragetief retten, sagte Dürr. „Wenn man auf den Thron des Bundesvorsitzenden kommt, wird man nicht automatisch Harry Potter und kann zaubern.“
Rösler hält an Ministerriege fest
In der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Rösler?“ hielt Rösler an der Zusammensetzung der FDP-Ministerriege im schwarz-gelben Kabinett fest. „Wir haben hervorragende Mitglieder im Bundeskabinett“, bekräftigte er. „Insofern gibt es da keine Notwendigkeit, etwas zu ändern.“ Als Vizekanzler werde er jedoch den „Kurs aller Liberalen im Bundeskabinett“ bestimmen.
Westerwelle forderte bei der gemeinsamen Sitzung von Fraktion und FDP-Vorstand seine Kritiker dreimal dazu auf, einen Gegenkandidaten zu präsentieren, wenn er sein Amt als Außenminister abgeben solle. Daraufhin meldete sich nach Teilnehmerangaben aber niemand zu Wort. In der Runde mit den FDP-Landeschefs hatte zuvor lediglich der Berliner Landesvorsitzende Christoph Meyer die bisherige Zusammensetzung des Bundeskabinetts infrage gestellt. Er blieb aber damit allein.
In der Sitzung von Vorstand und Fraktion zeigte sich Westerwelle vom Erfolg seines Nachfolgers überzeugt. „Ich bin zuversichtlich, dass diejenigen, die sich anschicken, die Führung zu übernehmen, das packen werden“, sagte er nach Teilnehmerangaben. Westerwelle hatte am Wochenende seinen Rückzug als FDP-Chef angekündigt. Die parteiinterne Kritik an ihm war wegen der jüngsten Wahlschlappen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg immer heftiger geworden. Bereits zuvor hatte er wegen der Ausrichtung der FDP als Steuersenkungspartei Rückhalt in der Partei verloren.
Rösler steht wie die anderen jungen FDP-Hoffnungsträger Lindner (32) und Daniel Bahr (34) für eine Öffnung der Partei zu neuen Themen. „Es gilt, neue Antworten auf die Alltagsfragen der Menschen zu finden“, sagte er. Den Ruf als reine „Steuersenkungspartei“ will die FDP loswerden.
Wenn Rösler beim Parteitag in Rostock gewählt wird, wäre er der 13. Parteivorsitzende seit Gründung der FDP. Als Präsidiumsmitglied ist er bereits seit 2005 mitverantwortlich für den Kurs. Er blieb aber loyal gegenüber Westerwelle, der ihn im Herbst 2009 zum Bundesgesundheitsminister machte. Zuvor war Rösler in Niedersachsen Wirtschaftsminister gewesen. (dpa/afp/dapd)