Olaf Scholz hat in seiner mit Spannung erwarteten Regierungserklärung viel versprochen. Dies wird der neue Senat nun halten müssen.
Hamburg. Die Hamburger Bürgerschaft hat den neuen Senat von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mehrheitlich bestätigt. Insgesamt stimmten am Mittwoch 62 von 119 Abgeordnete für das fünf Frauen und fünf Männer umfassende Kabinett, 56 votierten dagegen, ein Abgeordneter enthielt sich der Stimme. Zweite Bürgermeisterin ist somit Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Die Senatoren werden in der Hansestadt nicht einzeln gewählt. Die Bürgerschaft stimmt über sie nur en bloc ab. Mit der Bestätigung des Senats ist Scholz’ Regierungsmannschaft nun vollständig und im Amt. Seit seiner Wahl zum Bürgermeister am 7. März hatte Scholz allein regiert. Im Anschluss wollte Scholz seine erste, mit Spannung erwartete Regierungserklärung abgeben.
Hier gibt es die komplette Rede von Olaf Scholz im Wortlaut
Ein Überblick:
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat den Bürgern der Stadt in den kommenden Jahren eine verlässliche und pragmatische Regierungspolitik zugesichert. "Dieser Senat tritt an mit dem Versprechen, Hamburg wieder ordentlich zu regieren. Wir werden es halten“, sagte Scholz am Mittwoch in seiner ersten, mit Spannung erwarteten Regierungserklärung. In Anlehnung an "Wir schaffen das moderne Deutschland!“ aus dem Bundestagswahlkampf von Willy Brandt (SPD) von 1969, betonte Scholz in seiner rund 70-minütigen Rede: "Wir schaffen das moderne Hamburg.“ Er wolle einen Politikstil kultivieren, der Sachlichkeit und Vernunft ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung rücke. Scholz erneuerte noch einmal all seine im Wahlkampf gegebenen Versprechen. Für Hamburg sei die Globalisierung schon gelebter Alltag gewesen, "als in vielen Gegenden Deutschlands die Landbevölkerung noch an die Scholle gebunden war“, betonte der Bürgermeister.
Doch Hamburg werde nur unter den richtigen Rahmenbedingungen eine wachsende Stadt sein. "Ich will, dass wir Hamburg in diesem Verständnis zu einer Metropole des Fortschritts machen.“ Hamburg sei eine der prägenden deutschen Städte. "Geographisch, wirtschaftlich und kulturell hat es die Chance, zu der deutschen Metropole zu werden. Wir wollen das Tor zur Welt wieder ein Stück weiter aufstoßen.“
Scholz betonte, seine Regierung werde keine Klientelinteressen bedienen. "Wir sind für ganz Hamburg da. Ich verstehe mich als der Bürgermeister für alle Hamburgerinnen und Hamburger.“ Der Opposition bot er eine "faire Partnerschaft“ an. "Lassen Sie uns aus den kommenden Jahren keine konfrontative Veranstaltung machen, sondern echte Werbung für die Demokratie.“ Für den Senat sicherte Scholz zu, dass dieser auch unangenehme Dinge klar ansprechen werde. "Wir werden keine blumigen Versprechen machen und auch keine Beschönigungen.“ Im Rathaus müsse wieder eine Politik der Verlässlichkeit einziehen.
Für Scholz bedeute Pragmatismus konkret handeln entlang klarer Vorstellungen. "Wir haben sie vor den Wahlen klar benannt: Vernunft. Klarheit. Verantwortung.“ Vielleicht werde der eine oder andere bemängeln, dass den Plänen der Glamour fehle. Doch jetzt gehe es nicht darum, "neue Projektnebelkerzen zu werfen und Hoffnungen zu wecken, die jetzt wohlig sind aber dennoch enttäuscht werden müssen“. Es gehe darum, "ganz praktisch das zu machen, was anliegt“. "Der Maßstab unseres Handelns ist, dass es uns gelingt, das Leben im Alltag – ganz konkret und fühlbar – wieder ein wenig besser zu machen.“
Scholz erneuerte seine im Wahlkampf gegebenen Versprechen. Dazu zähle auch die Sanierung des desolaten Haushalts. "Wir sorgen dafür, dass die Ausgaben langsamer steigen als die Einnahmen.“ Dazu dürfe im Schnitt der nächsten Jahre jeweils nicht mehr als ein Prozent mehr als im Vorjahr ausgeben werden. Wann immer irgendwo ein Cent mehr ausgegeben werde, müsse dieser zudem an anderer Stelle eingespart werden, verwies Scholz auf das Haushaltssystem des früheren US-Präsidenten Bill Clinton ("pay as you go"). "Wir wollen das genauso handhaben und werden nicht wackeln.“
Zum Thema Bauen in Hamburg und zur Elbphilharmonie sagte Scholz, dass es wieder Bauvorhaben geben soll, die verlässlich in den Kosten geplant würden. "Auch wenn dies bedeutet, dass in die Planung neuer Gebäude mehr Geld fließen wird als bisher, selbst wenn diese Gebäude am Ende dann doch nicht gebaut werden, weil die Kosten zu hoch wären."
Der Hafen ist für Olaf Scholz ein wichtiges finanzielles Rückgrat der Stadt. Daher will Scholz auch "die Elbvertiefung umsetzen."
Um den Verkehrsinfarkt in der Stadt zu vermeiden, will Olaf Scholz die bisherigen Verkehrssysteme (U-Bahn, S-Bahn, Busse, Radwege) modernisieren und ausbauen.
"Ich will das Jahr der Umwelthauptstadt Hamburg nutzen, um die Elektromobilität voranbringen." Der Stadtstaat Hamburg wird sich an der Verfassungsklage gegen Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke beteiligen. Außerdem habe die Hansestadt bereits vergangene Woche einen Antrag auf Rücknahme der Laufzeitverlängerungen im Bundesrat mit eingebracht, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in der Bürgerschaft. "Das Zeitalter der Atomtechnologie ist schon seit längerem vorbei.“ Mit Blick auf die Katastrophe in Japan sagte er, "Brunsbüttel und Krümmel dürfen nie wieder ans Netz gehen und auch alle anderen Meiler gehören schnellstmöglich abgeschaltet“. Wer die Bilder aus Japan gesehen habe, dürfe nie vergessen: Krümmel liege keine 30 Kilometer vom Hamburger Stadtzentrum entfernt. „In Japan lägen wir mitten in der Evakuierungszone.“
"Wir wollen, dass sich jeder ein Leben in Hamburg leisten kann." Hamburg brauche 6000 neue Wohnungen im Jahr, zum Teil durch die Stadt finanziert, zum anderen Teil durch private Gelder. Doch die Gebäude sollen in Gegenden gebaut werden, in denen sie auch gebraucht würden.
Bezirke sollen wieder mehr Freiheiten in der Stadtplanung in den schwierigen Quartieren bekommen, "Ich will nicht wissen, wie etwas funktioniert, sondern, dass es funktioniert." Im Zuge dessen nennt Scholz die Internationale Gartenschau in Wilhelmsburg, wo ein "Problem-Quartier" wieder aufblüht.
"Mein Senat wird sich an den Schulfrieden halten." Das Abitur in Hamburg, sei es auf den Gymnasien oder Stadtteilschulen, müsse bundesweit erstklassig werden. Dafür soll "das Sitzenbleiben durch kostenlosen Förderunterricht praktisch abgeschafft werden." Ziel in Hamburg sei es, allen Schulkindern einen Schulabschluss zu ermöglichen. "Es dürfe keiner verloren gehen, der die Schule "schmeißt" und dann keine Berufsausbildung beginnt."
Auch die Universität steht im Blickpunkt des Senats. Um die Arbeitsbedingungen an der Universität zu verbessern, werden wir "die Studiengebühren wieder abschaffen."
"Wir werden den Negativtrend von Kürzungen und Schließungen in der Kultur umkehren und wieder mehr Geld in die Kultur fließen lassen." Auch die Akzeptanz der Elbphilharmonie will Scholz in der Bevölkerung durchsetzen: "Ich will, dass jedes Kind in Hamburg ein Konzert in der Elbphilharmonie besucht."
Scholz will die Integrationspolitik in der Hansestadt voranbringen, so sollen die internationalen Abschlüsse schneller anerkannt werden.
Hamburgs Sportplätze sollen ausgebaut werden und die Vereine sollen diese kostenfrei nutzen dürfen. "Sport sei ein wichtiger Faktor in der Entwicklung der Kinder. "Wer früh an sportliche Betätigung herangeführt werde, wird sich auch in der Zukunft gesünder ernähren", so Scholz.
"Ich verspreche, dass keine Polizeidienststelle geschlossen werden wird." Um die Sicherheit in der Stadt zu garantieren, sollen jährlich 250 neue Polizeianwärter eingestellt werden.
Begonnen hatte die Sitzung am Mittwoch mit einer Schweigeminute für die Opfer des Erdbebens und des Tsunamis in Japan. Im Anschluss wählten die Abgeordneten eine neue Bürgerschaftspräsidentin. Die bisherige Präsidentin, Dorothee Stapelfeldt (SPD), wechselt auf die Senatsbank an die Spitze der Wissenschaftsbehörde. Die SPD-Familienpolitikerin Carola Veit wurde mit dem schlechtesten Ergebnis der vergangenen 30 Jahre zur neuen Bürgerschaftspräsidentin gewählt. Von 119 gültigen Stimmen gab es 65 Ja-Stimmen, 46 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Veit nahm die Wahl an und sagte, dass sie sich allen Abgeordneten verpflichtet fühlen werde. Sie ist die fünfte Hamburger Bürgerschaftspräsidentin seit 1945. Seither hatten zudem sechs Männer das protokollarisch höchste Amt in dem Stadtstaat bekleidet.
Kurzporträt Carola Veit :
Wenn es um Kinder geht, versteht sie keinen Spaß. Dann kann Carola Veit in der Hamburger Bürgerschaft schon mal zur Furie werden und den Regierenden den Marsch blasen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht. Seien es die von der früheren schwarz-grünen Koalition beschlossenen Kita-Gebührenerhöhungen, seien es Proteste gegen neue Kindertagesstätten in Wohnvierteln oder Debatten um die Verwahrlosung von Kindern und Jugendgewalt – bei jedem dieser Themen pflegte die 37 Jahre alte frühere Vorsitzende des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses keine Gefangenen zu machen. Die zierliche Sozialdemokratin und bisherige Familienexpertin der SPD-Fraktion nahm stets und eindeutig Partei für die Kinder.
Nun bekleidet sie das höchste in der Hamburger Politik zu vergebene Amt, muss als neue Bürgerschaftspräsidentin vor allem Repräsentations- und Vermittlungsaufgaben erfüllen. Für ihre beiden Kinder Paul Sebastian (9) und Marie Helene (5) wird die in Hamburg-Billstedt geborene Juristin zu ihrem Unglück deshalb wohl noch weniger Zeit haben. Bereits als Abgeordnete – sie sitzt seit 2004 in der Hamburger Bürgerschaft – beklagte sie, dass sie die beiden viel zu oft alleine lassen müsse. „Wenn ich dann abends aus dem Rathaus oder von Veranstaltungen komme, liegen sie längst in ihren Betten und träumen hoffentlich ab und zu von Mama“, heißt es auf ihrer Homepage.
Veit, seit 1991 in der SPD, ist derzeit zudem Distriktsvorsitzende der SPD Rothenburgsort und Mitglied im SPD-Landesvorstand. Außerdem ist sie unter anderem Mitglied bei der Gewerkschaft Verdi und beim FC St. Pauli. Zu ihren Leidenschaften zählt sie das Reisen. „Frankreich liebe ich, und es ist so groß und vielfältig, dass ich noch viele Jahre hinreisen und immer wieder Neues sehen kann.“ Am liebsten fahre sie dabei mit dem Auto, weil man überall anhalten und aussteigen könne. „Außerdem müssen bei zwei Kindern immer anderthalb Kubikmeter Gedöns mit auf die Reise.“
Wäre sie nicht Juristin und Politikerin geworden, hätte sie sich nach eigenen Angaben im Fach „Kochen“ und „Backen“ versucht. „Das Schöne ist, dass man selbst in der Hand hat, was draus wird und rasch das Ergebnis sieht. Und keiner reinquatscht...“ Deshalb sei sie noch heute stets in der Küche zu finden, wenn sie „vor Stress nicht mehr aus den Augen gucken kann (oder mich tierisch geärgert habe)“. Denn wenn sie dann dort etwas Kompliziertes gekocht oder gebacken habe, fühle sie sich anschließend mental wieder einigermaßen fit – „fast wie nach einem Kurzurlaub“.