Die geschwächte CDU steht nach der Hamburg-Wahl einer erstarkten FDP gegenüber. Auch bei Rot-Grün ändert sich das Machtverhältnis.
Berlin. Und wieder sind es die Grünen. Als Angela Merkel neben Christoph Ahlhaus im Berliner Konrad-Adenauer-Haus steht und die Gründe für das Wahldebakel der Hamburger CDU aufzählen soll, fällt ihr sofort wieder die Ökopartei ein: Erst Koalitionsbruch an der Elbe, jetzt das Ausscheiden aus den Hartz-IV-Verhandlungen - die Charakterisierung als "Dagegen-Partei" sei nun mal richtig. Auch das, sagt die Bundeskanzlerin in der CDU-Parteizentrale, gehöre für sie zu den Wahrheiten des Wahlsonntags: Eine Zusammenarbeit mit den Grünen auf Bundesebene sei weiterhin ein "Hirngespinst". Eine Koalition in den Ländern sei durch das Verhalten der Partei nicht einfacher geworden.
Zur gleichen Zeit, im Thomas-Dehler-Haus der FDP, schlägt Parteichef Guido Westerwelle die gleiche Richtung ein: Die CDU solle sich endgültig von schwarz-grünen Optionen verabschieden, fordert er. Wenn es noch Träume in dieser Richtung gegeben habe, seien diese seit Sonntagabend zum Albtraum geworden. Augenscheinlich, sagt Westerwelle, werde dieses Modell von den Bürgern abgestraft, "weil nichts als Gewürge dabei herauskommt".
Insgesamt ist es also ein guter Tag für den Chef-Liberalen. Nicht nur, weil die Kanzlerin in Sachen Grüne auf seiner Linie zu sein scheint, sondern auch, weil er derjenige ist, der nach Olaf Scholz als Sieger gelten kann. Die FDP, die noch vor Wochen völlig am Boden lag, ist wieder da - und zwar mit ihm, der das Deck des Parteischiffs auch bei dem schwersten Sturm nicht verlassen hat. Genauso hatte Westerwelle argumentiert, als er Ende des Jahres mit Rücktrittsforderungen konfrontiert wurde.
Selbst der Fraktionschef der Schleswig-Holsteinischen Liberalen, Wolfgang Kubicki, der die Führungsdebatte der FDP mit einem kritischen Interview ins Rollen gebracht hatte, rudert zurück: "Auf absehbare Zeit sind die Personaldiskussionen zu Ende", sagt Kubicki der "Leipziger Volkszeitung". Das dürfte auch daran liegen, dass Westerwelle es als seinen Erfolg verbuchen kann, dass die Partei erstmals seit 1993 in allen 16 Länderparlamenten vertreten ist. Für die kommenden Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist das ein nötiger Motivationsschub: In allen drei Ländern bewegen sich die Liberalen in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde. Ein Erfolg wie am Sonntag an der Elbe ist nicht gesichert. Motivation ist genau das, was auch die CDU jetzt gebrauchen könnte. Schließlich geht sie mit einer ganz anderen Gefühlslage in die kommenden Wochen. In Berlin räumt Merkel eine "herbe Niederlage" ihrer Partei in Hamburg ein - etwas Ähnliches könnte passieren, wenn Kurt Beck (SPD) in Rheinland-Pfalz seinen Titel als der am längsten amtierende Ministerpräsident verteidigt und CDU-Landeschef Stefan Mappus seinen Stuhl in der Stuttgarter Staatskanzlei vielleicht für den Grünen-Politiker Winfried Kretschmann räumen muss. Während sich die bundespolitische Bedeutung der Hamburg-Wahl in Grenzen hält, wäre eine Niederlage in Baden-Württemberg ein klarer Dämpfer für die Kanzlerin. Sie muss in den kommenden Wochen nicht nur mit dieser Sorge leben, sondern auch damit, dass der Juniorpartner FDP nach den Hamburg-Wahlen wieder ein bisschen selbstbewusster wird.
Und so ist der Machtwechsel im Hamburger Rathaus auch eine Kräfteverschiebung im Bund. Bei Schwarz-Gelb pendelt sich ein neues Gleichgewicht ein - und auch im rot-grünen Lager gibt es einen ganz ähnlichen Effekt. Nach dem Wahldebakel vom Herbst 2009 haben die Sozialdemokraten bei den großen Themen der Bundespolitik kaum eine Rolle gespielt. Ob Gorleben, die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke oder Stuttgart 21 - stets waren es die Grünen, die sich als treibende Kraft profiliert haben. Auch in den Umfragewerten sind sie nah an die SPD herangerückt. So nah, dass manche die Grünen schon als künftige Volkspartei bezeichnet haben.
Das Hamburger Ergebnis hat diesem Trend entgegengewirkt - zwar lässt der Höhenflug der Ökopartei ohnehin seit ein paar Wochen nach. Aber dass das Wahlziel "Regierung" nicht erfüllt wurde, ist ein viel bedeutenderer Rückschlag. Parteichef Cem Özdemir sagt deshalb auch: "Wir werden die Ärmel hochkrempeln müssen." In Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern will die Partei in die Landtage einziehen.
Mit dem Sieg von Olaf Scholz hat die SPD im Oppositionslager wieder einigen Boden gutgemacht. Für sie ist der Stimmungsschub für die kommenden Wahlen wohl am größten. Man will jetzt selbstbewusster und schlagkräftiger auftreten. Trotzdem müssen sich auch die Sozialdemokraten fragen, ob sich das Erfolgserlebnis aus Hamburg noch oft wiederholen wird. Schwierig wird es am 20. März in Sachsen-Anhalt. Hier muss die SPD froh darüber sein, Juniorpartner der CDU in der Regierung zu bleiben. Eine Woche später könnte Kurt Beck seine absolute SPD-Mehrheit im Mainzer Landtag verlieren.
Im Bundesrat hat sich der Vorsprung der SPD nach der Hamburg-Wahl jedoch vorerst vergrößert. Schon seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 und dem Amtsantritt von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kommen die schwarz-gelben Regierungsparteien nur noch auf 34 von 69 Stimmen. In den kommenden Wochen werden es nur noch 31 sein - die Hansestadt verfügt über drei Sitze in der Länderkammer.