Die USA arrangieren sich nur schwer mit Chinas wirtschaftlichem Aufstieg – Rivalitäten begleiten USA-Besuch von Präsident Hu Jintao.
Washington. Die eine Großmacht stemmt sich gegen den Niedergang, die andere tritt zum Sprung an die Spitze an. Globale Machtverschiebungen einer derartigen Größenordnung gehen nicht ohne Rivalitäten ab. Das Verhältnis zwischen den krisengeschwächten USA und der auftrumpfenden Volksrepublik China wird zu den prägenden Konstellationen des 21. Jahrhunderts zählen. Insofern wird der am Dienstag beginnende Staatsbesuch von Chinas Präsident Hu Jintao in den USA die Ahnung einer Zukunft vermitteln, deren Gestalt von einer bislang ungelösten Frage abhängen wird: Werden sich die USA und China als Freunde verstehen – oder als Gegner?
Es knirscht in den Beziehungen. China beansprucht unverhohlen die Anerkennung als Weltmacht. Seine Wirtschaft wächst ungebremst, und mit ihr sein Selbstbewusstsein. Die USA hingegen sehen ihre Macht schwinden, die Finanzkrise hat den Prozess noch beschleunigt. Argwohn prägt das Verhältnis. Die Beziehungen seien „extrem angespannt, sie sind auf dem tiefsten Punkt seit mindestens einem Jahrzehnt“, urteilt der Chinaexperte David Shambaugh vom Brookings-Institut in Washington. „Präsident Hus Besuch öffnet eine wichtige Möglichkeit, die ausblutenden Beziehungen zu stabilisieren."
Die Liste der Streitthemen ist lang. Die Gegensätze bergen die Gefahr ernsthafter Konflikte. Der derzeit drängendste Vorwurf der USA betrifft die Währungs- und Handelspolitik. Die USA halten Peking vor, seine Währung künstlich niedrig zu halten, um die eigenen Exportwaren im Ausland billig zu halten. Das Handelsungleichgewicht ist extrem: In den ersten elf Monaten 2010 verzeichnete China im Handel mit den überschuldeten USA einen Rekordüberschuss von 252 Milliarden Dollar (189 Milliarden Euro).
Sorge löst in Washington auch Chinas militärische Aufrüstung aus, die mit einem zunehmend nationalistischen Gebaren einhergeht. Die Volksrepublik sieht sich als Regionalmacht im Pazifik, mit Ansprüchen auf umstrittene Meeresregionen im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer riskiert sie unverhohlen Konflikte mit ihren asiatischen Nachbarn – und stellt die Rolle der USA als pazifische Ordnungsmacht in Frage. Zudem ärgern sich die USA über Chinas Bremserrolle bei UN-Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea, über die Drangsalierung von Google, über Hackerangriffe aus China und über die Verletzung von Menschenrechten.
China sei im vergangenen Jahr „viel selbstbewusster und weniger kooperativ“ aufgetreten, urteilt der Chinaexperte Michael Green vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Die „fundamentale Herausforderung“ für die USA sei, „wie sie die Macht mit aufstrebenden Staaten teilen“. Die Klärung dieser Frage sei für die USA schwierig, weil „Ungewissheit über Chinas langfristige Absichten herrscht“, sagt Green.
Will China Freund oder Rivale der USA sein? Momentan profiliert sich die Volksrepublik als Konkurrent. China fühlt sich stark genug, um die jüngsten Avancen der USA zunächst einmal ins Leere laufen zu lassen. Das Angebot eines strategischen Dialogs über Militärfragen, das US-Verteidigungsminister Robert Gates vor wenigen Tagen unterbreitete, ließ Peking zunächst unbeantwortet. Auch in der Devisenpolitik zeichnet sich trotz beständigen Bittens aus Washington kein Kurswechsel ab. Eine Weltmacht, so die Botschaft aus Peking, lässt sich nicht drängen. Für die Volksrepublik ist Hus Besuch von hoher symbolischer Bedeutung: Die Visite untermauert Chinas Anspruch, auf gleicher Augenhöhe mit den USA aufzutreten. Washington billigt dem Gast die höchsten protokollarischen Ehren zu von Salutschüssen bis hin zum Staatsbankett im Weißen Haus. „Mit Chinas Aufstieg sind wir an einem historischen Punkt angelangt“, sagt Wirtschaftsprofessor Jeffrey Bergstrand von der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana. „Dass sich der wirtschaftliche Schwerpunkt der Welt weg von der Transatlantikregion hin nach Asien verlagert, ist eine Tatsache.“