Die geplante Kontrolle über das Fernsehen und die Presse löst europaweit Empörung aus. Ungarn soll auf den EU-Ratsvorsitz verzichten.
Luxemburg/Budapest. Das umstrittene Mediengesetz in Ungarn hat für heftige Reaktionen innerhalb der Europäischen Union gesorgt. Stellvertretend für die Empörung vieler warnt die polnische Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“: „Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist als Politiker viel begabter und erfahrener als der nicht mehr lebende Jörg Haider. Orban hat seine politische Karriere in der demokratischen Opposition begonnen, sein Kampfwille kann beeindrucken – nach zwei verlorenen Wahlen ist er an die Macht zurückgekehrt. Leider könnte sich sein Populismus in Verbindung mit dem ungarischen Messianismus und Nationalismus wie aus dem 19. Jahrhundert als gefährlicher als die Haider-Politik erweisen.“
Die von der rechtskonservativen ungarischen Regierung beschlossene Verschärfung des Medienrechts sorgt auch im Europa-Parlament für Kritik. „Wir werden Ungarn sehr genau an den europäischen Standards zur Pressefreiheit messen“, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz, der „Frankfurter Rundschau“. Sollten diese nicht erfüllt werden, werde Budapest „große Probleme bekommen“. Der FDP-Europa-Abgeordnete Alexander Alvaro nannte es „äußerst fragwürdig“, dass eine designierte EU-Präsidentschaft „kritische Medien im eigenen Land mundtot machen“ wolle.
Während Regierungsvertreter in Budapest versichern, das Gesetz entspreche europäischen Normen, sieht Alvaro es im Widerspruch zur EU-Grundrechtecharta. „Die ungarische Regierung muss sich fragen, ob sie mental überhaupt hinter dem Projekt der Europäischen Union steht, deren Werte mitträgt und nächste Woche den EU-Vorsitz übernehmen kann“, sagte der FDP-Parlamentarier.
Mit großer Empörung hat Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn auf das Vorhaben der ungarischen Regierung reagiert, die staatliche Kontrolle über die heimischen Medien zu verstärken. „Die EU-Kommission muss unverzüglich gegen die Pläne vorgehen. Sie verstoßen gegen den Geist und die Worte der EU-Verträge“, sagte Asselborn im Reuters-Interview. Er forderte einen sofortigen Stopp der Pläne, auch weil Ungarn am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen soll. „Es stellt sich die Frage, ob ein solches Land würdig ist, die EU zu führen“, sagte Asselborn.
Wenn Ungarn mit diesem Gesetz den EU-Ratsvorsitz übernehme, müsse man wirklich von Doppelstandards der Europäer sprechen. Denn die Europäische Union sehe sich bisher zu Recht als weltweite Speerspitze im Kampf für Meinungs- und Pressefreiheit.
Das neue Mediengesetz sieht vor, dass die von der Regierungspartei Fidesz kontrollierte Medienbehörde NMHH künftig neben der Aufsicht der staatlichen Medien auch die Kontrolle über die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale erhält. Kritiker fürchten eine massive Einschränkung der Medienfreiheit, zumal die NMHH-Präsidentin für neun Jahre von Ministerpräsident Viktor Orban ernannt worden war.
Asselborn sieht darin einen Bruch der Werte der Europäischen Union und wählte drastische Worte: „Dies ist eine direkte Gefahr für die Demokratie. Hier wird die Meinungsbildung unter die Kontrolle des Staates gestellt.“ Etwas Schlimmeres könne es in einer Demokratie nicht geben. Ausdrücklich warf Asselborn der ungarischen Führung autoritäre Tendenzen vor: „Bisher galt der (der weißrussische Präsident) Lukaschenko als der letzte Diktator in Europa. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, stimmt das nicht mehr ganz“, sagte er. Luxemburgs Außenminister wies zudem einen Vergleich mit dem missglückten Versuch der EU-Staaten zurück, Österreich im Jahr 2000 wegen der damaligen Regierungsbeteiligung des Rechtspopulisten Jörg Haider auszugrenzen. „Im Vergleich zu den ungarischen Plänen war Haider ein Messdiener.“
Der Österreicher habe nie versucht, die Medien unter staatliche Kontrolle zu stellen. „Diesmal kann auch niemand behaupten, ein Eingreifen der EU sei eine Einmischung in innere Angelegenheiten: Das geplante Gesetz verstößt gegen die festgeschriebenen Werte von 500 Millionen Europäern.“ Es dürfe nicht in Kraft treten.