Der CSU-Innenexperte Uhl fordert eine Warndatei. Bisher haben die Botschaften keine Kenntnis von Verdächtigen und stellen Visa aus.
Leipzig. Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl hat nach dem Terroranschlag in Stockholm die zügige Einführung einer deutschen Visa-Warndatei gefordert. „Natürlich brauchen wir eine Visa-Warndatei. Der Politik würde zurecht Verantwortungslosigkeit vorgeworfen, wenn wir Terroristen ungeprüft mit deutschem Visum bei uns einreisen lassen würde“, sagte Uhl der „Leipziger Volkszeitung“ (Montagausgabe). Es könne nicht sein, dass Terroristen in einer deutschen Botschaft irgendwo auf der Welt ein Visum beantragen und es auch bekommen, um anschließend einen Bombenanschlag in Deutschland durchzuführen. „Das ist doch Wahnsinn. Wir müssen Daten von Terrorverdächtigen, die wir ohnehin bei den Nachrichtendiensten gelistet haben, bei der Visaantragsstellung abgleichen.“ Diese Visa-Warndatei sei allerdings nichts Neues. „Sie sollte schon in der großen Koalition verabschiedet werden, die SPD war im Prinzip einverstanden, es waren nur noch Detailfragen offen“, sagte Uhl.
Der Grünen-Chefin Claudia Roth, die der Union eine politische Instrumentalisierung der Bedrohungslage vorwirft, entgegnete Uhl: „Frau Roth ist entweder böswillig oder ahnungslos. Es geht um keine neuen Sicherheitsgesetze, wer das behauptet, betreibt Populismus. Wir wollen aber Nachbesserungen bei der Vorratsdatenspeicherung im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe.“ Die Ereignisse in Stockholm zeigten, dass die Terrorgefahr in Europa nicht abstrakt ist. „Die Gefährdungslage war und ist auch heute noch konkret, auch wenn Datum und Örtlichkeiten sich nicht detailliert beschreiben lassen. Europa und auch Deutschland sind aber mögliche Ziele. Die Alarmierung war und ist berechtigt und angemessen“, sagte Uhl. (dapd)
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Deutschland: Keine stärkeren Vorkehrungen gegen Terror
Deutschland ist wohl keiner verstärkten Terrorgefahr ausgesetzt: Laut dem Bundesinnenministerium gibt es keinen Grund, nach dem Anschlag in Schweden die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Nach bisherigem Kenntnisstand gebe es keinen Bezug zu Deutschland, sagte eine Sprecherin. Außenminister Guido Westerwelle erklärte: „Angriffe wie dieser machen deutlich, dass wir nicht nachlassen dürfen in unserem Engagement gegen den Terrorismus.“ Unmittelbar vor den Explosionen hatten die Polizei und die Nachrichtenagentur TT eine Drohmail sowie den auf Band gesprochenen Abschiedstext eines Mannes bekommen. Die Texte waren auf Arabisch und Schwedisch gesprochen. Darin rief der Mann zum „Heiligen Krieg“ gegen Schweden auf. In der Mail nannte er „das Schweigen des schwedischen Volkes“ zur Mohammed-Karikatur des heimischen Künstlers Lars Vilks sowie schwedischen Afghanistan-Einsatz als Grund für seinen Terroraufruf: „Jetzt müssen eure Kinder, Töchter und Schwestern sterben.“
Im Zentrum der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat sich der Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Minuten zuvor war in der nur 200 Meter entfernten Haupteinkaufsstraße ein Auto explodiert. Wie durch ein Wunder wurden nur zwei Passanten verletzt. Die Polizei sprach von einem „sehr ernsten Terrorakt“.
Es war der erste islamistische Anschlag in Schweden. Erste Indizien weisen auf einen Einzeltäter hin. Die Drohung per E-Mail spricht nach Ansicht von Experten gegen eine Verbindung zum Terrornetzwerk Al-Kaida, das sich meist nachträglich bekennt. Westliche Geheimdienste weisen seit Wochen darauf hin, dass bis Weihnachten islamistische Terrorakte in Europa zu befürchten sind. Die Bundesregierung hatte am 17. November für Deutschland vor einem Anschlag bis Ende November gewarnt. Als mögliches Ziel wurden auch Weihnachtsmärkte genannt.
Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verurteilte den Anschlag scharf. Seine Regierung werde sich dadurch aber nicht von ihrem Eintreten für eine „offene Gesellschaft“ abhalten lassen, sagte Reinfeldt am Sonntag. Es sei wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. „Wir müssen uns an das halten, was wir wissen und die Toleranz verteidigen, die unsere Gesellschaft prägt.“
Nach Medienangaben lebte der 28 oder 29 Jahre alte Selbstmordattentäter in einer Wohnung in der mittelschwedischen Ortschaft Tranås im Bezirk Småland. Der Mann war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggergatan im Stadtzentrum kurz vor 17 Uhr sofort tot.
Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung „Dagens Nyheter“: „Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte.“ Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden Erste Hilfe zu leisten: „Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät.“ Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt. Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt an der Ecke Olof-Palme-Gatan zur Drottninggatan ein Auto explodiert. Die Drottninggatan ist vor allem an den Dezember-Wochenenden Stockholms meistbesuchte Einkaufsstraße. Die Menge flüchtete nach der Explosion in Panik. Augenzeugen berichteten, dass sie in dem geparkten Auto mindestens eine Gasflasche gesehen hätten.
In dem gesprochenen Abschiedstext berichtete der Mann, dass er sich bei einem Aufenthalt im Nahen Osten für den Jihad habe ausbilden lassen. Seine Familie bat er um Vergebung, weil er sie über die Gründe für die Reise getäuscht habe. Er bat seine Ehefrau, die Kinder von ihm zu küssen. In ersten Kommentaren aus Stockholm wurde vermutet, dass sich der Attentäter wahrscheinlich erst auf der von Menschen wimmelnden Drottninggatan in die Luft sprengen wollte. „Wenn das gelungen wäre, hätte es ein furchtbares Massaker gegeben“, zitierte die Zeitung „Aftonbladet“ einen namentlich nicht genannten Behördensprecher. Der zuständige Staatsanwalt Thomas Lindstrand kündigte schnelle Ermittlungen zur Frage möglicher Mittäter an. Grundsätzlich erwarte man keine neue akute Gefährdung für Schweden, hieß es weiter. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren. (dpa)