Amerikanische Lobbygruppe will Rebellenführer aufspüren. Video wurde millionenfach angesehen. Kritik an Vereinfachung des komplexen Themas.
Hamburg/Kampala. Das halbstündige Video über die Gräueltaten der ugandischen Rebellengruppe "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) und deren Führer Joseph Kony wurde bis Freitagabend allein bei Youtube mehr als 56 Millionen Mal angeschaut. Die Internetkampagne „Kony 2012“ gegen den Rebellenführer findet aber nicht nur im Internet immer mehr Aufmerksamkeit. Auch andere Medien berichten über den Kriegsverbrecher. Der halbstündige Clip soll das Bewusstsein über den vom Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gesuchten Rebellenführer schärfen – und dazu beitragen, dass Kony noch vor Jahresende gefasst wird.
An der Vorgehensweise der US-Lobbygruppe Invisible Children regt sich jedoch inzwischen Kritik. So wird moniert, dass sie ein komplexes Thema zu sehr vereinfache. In einer auf ihrer Website veröffentlichten Reaktion räumte Invisible Children nun ein, dass ihr Film tatsächlich viele Aspekte übersehen habe. Allerdings gehe es vielmehr darum, den seit 26 Jahre andauernden Konflikt in „einem leicht verständlichen Format“ zu erklären.
+++ Die Netzwelt jagt den Kriegsverbrecher Joseph Kony +++
+++ Zum Töten gezwungen - die Kindersoldaten von Gulu +++
„Die Kernbotschaft soll aufzeigen, dass es einige wenige Fälle gibt, in denen Probleme schwarz oder weiß sind“, sagte der 28-jährige Vorsitzende Ben Keesey. „In der Welt gibt es viele komplizierte Dinge, aber Joseph Kony und seine Taten sind schwarz und weiß.“
Mit der digitalen Aufmerksamkeit gerät nun jedoch auch die umstrittene Ausgabenpolitik von Invisible Children ins Zwielicht. Dabei geht es darum, wie viel Geld die in San Diego ansässige Gruppe auf direkte Hilfsmaßnahmen verwandte. Die Organisation gab daraufhin auf ihrer Webseite an, 80 Prozent ihrer Mittel für Missionen auszugeben, die ihre Ziele vorantrieben. Für Kritik sorgte jedoch auch ein Foto aus dem Jahr 2008, das drei Mitglieder neben Truppen im heutigen Südsudan zeigt.
Für IStGH-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo ist die Kony-Kampagne trotz alledem ein Segen. Moreno-Ocampo: „Kony ist schwierig. Er tötet nicht in Paris oder New York. Kony tötet in der Zentralafrikanischen Republik, keinen kümmert das". Nach dem Erlass des Haftbefehls gegen Kony im Jahr 2005 sei es schwierig gewesen, ihn in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. „Was diese jungen Leute mit ihren Bemühungen bewegen, ist wunderbar - und genau das, was wir brauchen“, so der Chefankläger
Der blutige Feldzug der LRA begann in den 1980ern in Uganda, als Kony den Sturz der dortigen Regierung anstrebte. Seitdem seine Miliz vor einigen Jahren aus dem ostafrikanischen Land hinausgedrängt werden konnte, versetzt sie Dörfer in Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und dem Südsudan in Angst und Schrecken. Die LRA soll in den vergangenen 26 Jahren zehntausende Menschen verstümmelt oder getötet haben. Sie ist auch für die Entführung und die Rekrutierung von Kindersoldaten bekannt.