Westerwelle forderte angesichts des Abbruchs der Beobachtermission eine klare Reaktion des UN-Sicherheitsrats. Der Außenminister forderte noch zögernde Staaten auf, „sich der notwendigen und angesichts der Verschärfung der Situation überfälligen Resolution nicht länger in den Weg zu stellen“.
Kairo/New York. Deserteure haben nach Angaben der Opposition mitten in Damaskus eine Zentrale des Geheimdienstes der syrischen Luftwaffe angegriffen. Die Muslimbrüder, deren Führung sich derzeit zum Teil in der Türkei aufhält, meldeten, Ziel der Attacke sei ein Gebäude am Tahrir-Platz gewesen. Nach Angaben der Opposition gehört der Geheimdienst der Luftwaffe zu den Einheiten, die für die Gewalt gegen die Protestbewegung verantwortlich sind.
Die Truppen von Syriens Präsident Baschar al-Assad setzen Regierungsgegnern zufolge ihre Angriffe auf Außenbezirke von Damaskus mit unvermittelter Härte fort. Am Sonntag seien dabei mindestens fünf Zivilisten getötet worden, sagten die Oppositionellen. Assads Armee versuche, die von Rebellen gehaltenen Viertel am Rande der Hauptstadt zurückzuerobern. Mit mindestens 50 Panzern seien rund 2000 Soldaten bei Tagesanbruch in einen Vorort am Rande von Damaskus eingerückt. Sie seien Verstärkung für die Assad-Truppen, die schon andere Außenbezirke belagern. Beim Beschuss der Orte seien bereits am Samstag mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen.
Weitere Todesopfer wurden aus dem von Rebellen gehaltenen Ort Rankus rund 30 Kilometer nördlich von Damaskus gemeldet. Von Mittwoch bis Samstag starben Oppositionellen zufolge dort mindestens 33 Menschen. Durch den Panzerbeschuss der Regierungstruppen seien mindestens zehn Gebäude eingestürzt. Assads Armee habe in der Bergstadt nahe der libanesischen Grenze ein Lager errichtet. Die meisten Bewohner seien in nahe gelegene Dörfer geflüchtet.
Die Regierung in Damaskus geht seit fast einem Jahr gegen Demonstranten vor. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) vom Dezember sind dabei mehr als 5000 Menschen ums Leben gekommen. Als Reaktion auf die unaufhörlich eskalierende Gewalt hatte die Arabische Liga am Samstag den Einsatz ihrer Beobachter unterbrochen. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, sagte am Sonnabend, die Organisation habe sich entschlossen, die Beobachtermission angesichts des Blutvergießens umgehend abzubrechen. Bis der Rat über das weitere Vorgehen entschieden habe, werde die Arbeit der Delegierten eingestellt. Elarabi machte Damaskus für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Das Regime habe seine Versprechungen, die blutige Niederschlagung der Proteste zu beenden, nicht gehalten, sondern im Gegenteil noch mehr Militär eingesetzt. Die Opfer der Gewalt seien „unschuldige Bürger“, erklärte Elarabi und widersprach damit den Aussagen des Regimes von Präsident Baschar Assad, „Terroristen“ zu bekämpfen.
Elarabis Stellvertreter, Ahmed Ben Heli, sagte Medienvertretern, die etwa 100 Beobachter blieben in Damaskus, während der Rat des Staatenbundes das Thema erörtere. Ben Heli signalisierte die Wiederaufnahme der Arbeit der Beobachter zu einem späteren Zeitpunkt. Auf die Frage, ob die Beobachter abgezogen würden, erklärte er, der Stopp sei angesichts der Ereignislage zwingend gewesen, um die Sicherheit der Beobachter zu gewährleisten. Allerdings sprach er davon, dass die Beobachter möglicherweise andere Orte besuchen könnten.
Seit Beginn des Aufstands gegen das Regime von Assad im März vergangenen Jahres wurden nach UN-Angaben mindestens 5.400 Menschen getötet. In den vergangenen drei Tagen kamen Berichten zufolge mindestens 80 Menschen ums Leben.
Elarabi und der Ministerpräsident von Katar wollten noch am Sonntag nach New York aufbrechen, um die Vereinten Nationen um Unterstützung für einen arabischen Friedensplan zu bitten, mit dem die Krise in Syrien beendet werden soll. Die Initiative sieht die Bildung einer Einheitsregierung innerhalb von zwei Monaten vor, wobei Assad die Macht an seinen Stellvertreter abgeben soll. Damaskus lehnt das Vorhaben mit der Begründung ab, es verstoße gegen die Souveränität des Landes.
Westerwelle fordert klare Reaktion des UN-Sicherheitsrats
Westerwelle forderte angesichts des Abbruchs der Beobachtermission eine klare Reaktion des UN-Sicherheitsrats. Der Außenminister forderte noch zögernde Staaten auf, „sich der notwendigen und angesichts der Verschärfung der Situation überfälligen Resolution nicht länger in den Weg zu stellen“. Der von europäischen und arabischen Staaten gemeinsam erarbeitete Resolutionsentwurf sei „eine gute Grundlage für eine eindeutige Verurteilung der Gewalt durch das syrische Regime“.
Insbesondere Russland hat Vorbehalte gegenüber der vorgelegten Resolution. Der von Marokko eingebrachte Entwurf überschreite für Moskau mehrere „rote Linien“, sagte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin am Freitag in New York. Dazu gehörten alle Andeutungen von Sanktionen und eines Waffenembargos. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, einen politischen Dialog einzuleiten“, sagte Tschurkin.
Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant betonte hingegen, dass in dem Text, der auf den jüngsten Empfehlungen der Arabischen Liga basiere, keine Sanktionen und kein Waffenembargo erwähnt seien. Der Entwurf stoße auf breite Unterstützung bei den anderen Mitgliedern des Sicherheitsrats. „Wir wollen, wie die Araber, eine einstimmige Resolution“, sagte Lyall Grant. „Es wird Zeit, dass wir die Bemühungen der Arabischen Liga unterstützen.“
Katar will den Sicherheitsrat über die Lage in Syrien am Dienstag informieren. Der französische UN-Botschafter Gerard Araud erklärte, er erwarte, dass dann ab Mittwoch ein „sehr entschlossener Verhandlungsprozess“ auf Botschafterebene beginnen werde.
Wieder Tote bei Kämpfen
Unterdessen kamen bei neuerlichen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und abtrünnigen Soldaten in Syrien und bei anderen Gewaltakten nach unterschiedlichen Angaben von Menschenrechtsaktivisten zwischen mindestens 20 und 34 Menschen ums Leben. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA meldete am Samstag, „Terroristen“ hätten nahe der Stadt Duma, einem Vorort von Damaskus, einen Bus mit Armeeoffizieren überfallen und sieben von ihnen getötet.