Nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines kann sich die Linke eine Doppelspitze vorstellen - oder Gregor Gysi als alleinigen Parteichef.
Berlin. Nach dem Rückzug von Parteichef Oskar Lafontaine strebt die Linkspartei eine neue Doppelspitze an. Es gibt aber auch Forderungen, dass Gregor Gysi alleine den Vorsitz übernehmen soll. Der Landesvorsitzende der niedersächsischen Linken, Diether Dehm, sprach sich am Montag für Gysi aus: „Er sollte jetzt für eine gewisse Phase den Fraktions- und Parteivorsitz übernehmen.“
Als Favoriten für eine Doppelspitze gelten Parteivize Klaus Ernst als westdeutscher Vertreter und Fraktions-Vizechefin Gesine Lötzsch als Ost-Vertreterin. Die Partei will die Nachfolge Lafontaines und des ebenfalls nicht mehr kandidierenden Co-Vorsitzenden Lothar Bisky rasch klären. Die Linke sieht durch Lafontaines Abgang keine Veränderung im Verhältnis zur SPD.
Lötzsch signalisierte Bereitschaft, für den Parteivorsitz zu kandidieren. „Das hängt aber von der Gesamtkonstellation ab“, sagte Lötzsch. Parteivize Ernst sagte, es bringe nichts, jetzt Namen zu nennen und Personen in Stellung zu bringen. Er betonte aber: „Mit Frau Lötzsch arbeite ich sehr gut zusammen.“
Der noch amtierende Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch hält eine Fortführung der Doppelspitze für denkbar. Er sei zwar kein Freund dieser Lösung, „wir haben jetzt aber eine besondere Situation, in der wir diese Variante zumindest erörtern sollten“, sagte er in Berlin. Die bisherige Regelung war nach der Gründung der Linkspartei als Ausnahmeregelung bis 2010 gedacht. Für eine erneute Doppelspitze ist daher eine Satzungsänderung notwendig. Bartsch sagte, dass es keine erneute Doppelspitze mit zwei Männern geben könne und dass sie aus einem Ost- und einem Westvertreter bestehen sollte. Lafontaine hatte am Samstag wegen seiner Krebserkrankung angekündigt, nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren, zudem gibt er sein Bundestagsmandat ab.
Die auch für den Parteivorsitz gehandelten Politikerinnen Dagmar Enkelmann und Petra Pau schlossen eine Kandidatur aus. Pau sagte MDR Info: „Es ist allgemein bekannt, dass ich Vizepräsidentin des Bundestages bin und Innenpolitikerin. Damit bin ich voll ausgelastet.“ Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Enkelmann, schloss im Deutschlandradio Kultur eine Kandidatur aus und sagte: „Ich gehöre zu denen, die ganz klar sagen: Ja zu einer Doppelspitze, Männlein-Weiblein, Ost-West.“
Am späten Montagabend wollten diverse Parteigremien erste Lösungsmöglichkeiten für ein Personaltableau sondieren. Die neue Parteispitze muss die 2007 aus der westdeutschen WASG und der ostdeutschen PDS entstandene Partei nach den Querelen der vergangenen Wochen befrieden. Lafontaine will sich vom Saarland aus, wo er Fraktionschef bleibt, auch künftig in die Debatten der Partei etwa über ein Parteiprogramm einschalten, für das ein Entwurf bis spätestens März vorliegen soll.
Brandenburgs Linksparteichef Thomas Nord warnte vor Schnellschüssen. Es werde eine „solide Lösung“ gebraucht, sagte er. Derzeit sei die Partei in einer Situation, die nach einer „Teamlösung“ verlange. Ein aus sechs bis acht Personen bestehendes Team solle die Linke aus der Krise führen. Der stellvertretende Linke-Vorsitzende Klaus Ernst sagte im ZDF mit Blick auf die künftige Parteispitze: „Das muss ein Gremium sein, in dem sich die gesamte Partei wiederfindet. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass Ost und West entsprechend vertreten sein müssen.“
Der Rückzug Lafontaines - der 1999 den SPD-Vorsitz hingeworfen und 2005 aus der Partei ausgetreten war - befeuert auch die Debatte über eine stärkere Annäherung von SPD und Linkspartei neu. Linken-Vize Ernst sieht die Chancen für Rot-Rot aber nicht gewachsen. „Das lag doch nicht an Oskar Lafontaine, sondern das liegt an der Programmatik.“ Auch Bartsch betonte, es gehe um Inhalte, nicht um Personen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, es sei unerheblich, wer die Linke führe, das ändere nichts an der kritischen Einstellung der SPD. Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft sprach sich erneut gegen Gespräche mit der Linken aus, sollte man nach der Landtagswahl im Mai eine gemeinsame Mehrheit haben. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bezeichnete Gabriels Absage hingegen als nicht glaubhaft. „Rot- rote Bündnisse, ob im Bund oder auch in NRW, sind das erklärte Ziel“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“.