Direktmandate sind nichts nur für die großen Parteien. Die kleineren Parteien hoffen darauf, in Berlin, Stuttgart und Saarbrücken erfolgreich zu sein.
Berlin. SPD und Union kämpfen im Endspurt zur Bundestagswahl nicht nur um jede Zweitstimme, sondern vor allem um die möglicherweise wahlentscheidenden Erststimmen. Die Wähler der kleinen Bundestagsparteien werden dabei frei nach dem Motto umworben: Euer Kandidat hat keine Chance, dann gebt die Stimme lieber uns. Aber in einigen Wahlkreisen hoffen FDP, Grüne und die Linke, ihre jeweiligen Kandidaten selbst direkt in den neuen Bundestag zu schicken. Von den 598 Sitzen im Parlament geht die Hälfte an die Sieger der 299 Wahlkreise.
Traditionell verteilen sich die Direktmandate zwischen den Volksparteien CDU/CSU und SPD. Die Union entsandte bei der Bundestagswahl 2005 insgesamt 150 Abgeordnete per Direktmandat in den Bundestag, die Sozialdemokraten gewannen 145 Wahlkreise direkt. Verglichen damit waren die Mandatsgewinne der kleinen Parteien überschaubar: Die Linke gewann 2005 drei Direktmandate im Osten Berlins, die Grünen eines ebenfalls in Berlin und die FDP in ganz Deutschland kein einziges.
Die Linke
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi holte 2005 das Direktmandat für seine Partei im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, Petra Pau gewann in Marzahn-Hellersdorf und Gesine Lötzsch in Berlin-Lichtenberg. Mindestens diese Wahlkreise im Osten der Stadt will die Partei verteidigen. Außerhalb der Hauptstadt könnte Dagmar Enkelmann in Brandenburg im Wahlkreis Märkisch-Oderland-Barnim II ein Mandat holen: Hier unterlag sie 2005 der SPD-Kandidatin Petra Bierwirth nur um gut zwei Prozent.
Auch Linken-Kandidat Klaus Bartl im sächsischen Wahlkreis Chemnitz fehlten 2005 nur wenige hundert Stimmen gegenüber dem SPD-Kandidaten Detlef Müller. Hier hofft die Linke auf ihr fünftes Direktmandat. Nach den guten Ergebnissen bei den Landtagswahlen im Saarland – der Heimat von Parteichef Oskar Lafontaine – will die Linke zudem ihren Direktkandidaten Volker Schneider in Saarbrücken durchbringen. Diesen Wahlkreis verlor Lafontaine 2005 gegen die SPD-Kandidatin Elke Ferner; in diesem Jahr tritt er nicht mehr als Direktkandidat an.
Die Grünen
Das einzige Direktmandat der Grünen errang bereits 2002 der Berliner Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele. 2005 konnte er es verteidigen. In diesem Jahr will Ströbele zum dritten Mal hintereinander den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg für die Grünen gewinnen. Ströbele verzichtete darauf, sich über die Landesliste einen Platz im Bundestag zu sichern. Weitere Hoffnungen setzen die Grünen auf den Wahlkreis Stuttgart, in dem der Bundesvorsitzende Cem Özdemir antritt. Die Grünen sind hier stärkste Kraft im Gemeinderat. Als Gegenkandidatin schickt die SPD mit Ute Vogt allerdings die Nummer eins der SPD-Landesliste ins Rennen.
Auch in Hamburg-Eimsbüttel wollen die Grünen ein Direktmandat holen. Hier hoffen sie, von innerparteilichen Querelen rund um den SPD-Kandidaten Danial Ilkhanipour zu profitieren. „Wo zwei sich streiten, freut sich vielleicht der Dritte“, sagte eine Grünen-Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP. Die glückliche Dritte soll die Grünen-Kandidatin Krista Sager sein.
FDP
Bei den Liberalen soll der Frontmann der Partei das erste Direktmandat seit Jahren holen: FDP-Chef Guido Westerwelle tritt in Bonn an. 2005 habe er zugunsten des CDU-Kandidaten auf eine Direktkandidatur verzichtet, sagte Westerwelle. Gewonnen aber hatte damals der SPD-Kandidat Ulrich Kelber. Diesmal wirbt Westerwelle offensiv um Erst- und Zweitstimmen. Die FDP holte bislang nur selten Direktmandate. Bei der ersten Bundestagswahl nach der Wiedervereinigung 1990 gewann der FDP-Politiker Uwe Lühr den Wahlkreis Halle – in der Heimatstadt des damaligen Bundesaußenministers Hans Dietrich Genscher (FDP).