Der Tod Benno Ohnesorg wurde zu einem Symbol des Grabens zwischen dem Staat und den Studenten der 60er-Jahre. Dieser bereitete auch den Weg für die terroristischen Stömungen der 70er-Jahre.

Hamburg. Er sei introvertiert und eher nachdenklich als tonangebend, habe aber „Ansätze, jemand zu werden, der nicht ganz alltäglich ist“. So beschrieb Elisabeth Müller-Luckmann, Psychologin des Kollegs, an dem Benno Ohnesorg sein Abitur machte, den jungen Mann. Sie sollte mit diesem Satz Recht haben: Ohnesorg löste eine Welle der Gewalt gegen den Staat aus, der auch die RAF entsprang. Ohnesorg starb mit 26 Jahren.

Geboren wurde der sensible, eigensinige junge Mann am 15. Oktober 1940 in Hannover. Er starb am 2. Juni durch einen Kopfschuss des PolizistenKarl-Heinz Kurras in Berlin. Der Vater riet seinem 1.82 Meter großen, blonden, schmalen Sohn, nach seiner mittleren Reife möglichst schnell einen Beruf zu ergreifen, da er es ihm nicht ermöglichen konnte, eine höhere Schule zu besuchen. Also machte Benno Ohnesorg eine Lehre als Schaufenster-Dekorateur, holte aber nach der Ausbildung das Abitur am Braunschweiger Kolleg nach. In seiner Bewerbung gab er Kunsterzieher als Berufswunsch an. Seine Interessen waren unter anderem das Schreiben von Gedichten; er liebte Shakespeare, klassische griechische und gegenwärtige Dramen, Kammermusik.

An Politik war der als schmächtig beschriebene Student zunächst nicht sonderlich interessiert, doch das sollte sich nach einer schicksalhaften Begegnung ändern. Im Jahre 1964 begann Ohnesorg als 24-Jähriger in West-Berlin Romanistik zu studieren und fuhr gerne nach Ost-Berlin, um im Theater am Schiffbauerdamm Bühnenstücke von Bertolt Brecht zu sehen. Dabei lernte er Alex Schubert kennen. Dieser weckte bei Ohnesorg Interesse an Politik.

Beide nahmen 1964 am Pfingsttreffen der FDJ (Freie Deutsche Jugend) teil, dem Jugendverband der DDR. Von nun an war Ohnesorg Mitglied im Diskussionsclub "Argument" und regelmäßig bei Demonstrationen anwesend, wie beispielsweise gegen die Bildungspolitik des West-Berliner Senats. Im April 1967 heiratete er seine Freundin Christa, die bereits im fünften Monat schwanger war und gegensätzlicher als ihr Mann nicht sein konnte. Freunde beschrieben sie als laut, robust und unordentlich. Die Geburt seines Kindes erlebte Benno Ohnsorg jedoch nicht mehr.

Das Verhältnis zwischen der Staatsgewalt und den Studenten war seit April 1967 von Spannungen geprägt. Ausschlaggebender Grund war die Festnahme von elf Mitgliedern der Kommune I - sie wurden zu Unrecht verdächtigt, einen Anschlag auf den US-Vizepräsidenten einen Anschlag geplant zu haben. Bei einer Demonstration gegen die Festnahmen gingen die Beamten äußerst hart gegen die Studenten vor.

Schließlich stand der Besuch des Schahs Mohammad Reza Pahlavi von Persien an - es war der Todestag Benno Ohnesorgs, der 2. Juni 1967. Die Studenten bereiteten Aktionen vor - mit Plakaten, Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen sollten Studenten und Berliner Bevölkerung über dessen diktatorische Politik in Persien aufgeklärt werden. Bei seiner Ankunft riefen rund 400 Gegenner: "Mörder, Mörder!". Plötzlich gingen Schah-Anhänger mit Holzlatten und Schlagstöcken auf die Studenten los - 30 Minuten lang prügelten sie auf diese ein, bis die Polizei eingriff.

Kurz darauf eskalierte die Lage. Das Schah-Paar besuchte die Deutsche Oper; einige tausend Demonstranten hatten sich davor versammelt und ließen Sprechchöre erklingen, wie: „Schah, Schah, Scharlatan“. Die Menge war zu groß um noch aufgelöst zu werden. Polizisten griffen sich immer wieder vereinzelt Studenten heraus, die sie verprügelten. Es wurden Eier, Tomaten und Rauchkerzen gegen die Staatsgäste geworfen, die jedoch zu weit weg waren, um getroffen zu werden.

Kurz bevor die Situation eskalierte, flüchteten Benno und Christa Ohnesorg und erreichten das Ende der Absperrung an der Krumme Straße Ecke Bismarckstraße. In einem Häuserinnenhof hatten sich einige Studenten versteckt. Kurras und seine Kollegen hatten sie aufgepürt. Unter den Demonstranten war auch Ohnesorg, der nach Aussage von Kurras versuchte zu fliehen. Dann fiel ein Schuss. Ohnesorg ging zu Boden, die Kugel hatte ihn am Kopf getroffen. Zuvor wollen Zeugen gehört haben, wie der 26-Jährige rief: "Bitte, bitte, nicht schießen!"

Ohnesorgs Tod wurde der Ausgangspunkt westdeutschen Terrorismus der 70er Jahre - Ralf Reinders begründet die Namensgebung der im Januar 1972 gegründeten Bewegung 2. Juni wie folgt: "Alle wußten, was der 2. Juni bedeutet… Mit diesem Datum im Namen wird immer drauf hingewiesen, daß sie zuerst geschossen haben!"