IRAK Während sich US-Soldaten blutige Gefechte mit Aufständischen liefern, sorgen neue Folterfotos in den USA für Empörung. George Bush: "Es tut mir Leid."
Washington/Bagdad
afp/dpa/Fra
Die Affäre um Folterungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten weitet sich immer mehr aus: Die US-Tageszeitung "Washington Post" veröffentlichte schockierende, bislang unbekannte Fotos. In den USA lösten die Bilder Empörung aus.
Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) war die US-Regierung schon seit Monaten über schwere Misshandlungen irakischer Gefangener informiert. Unterdessen starben bei Kämpfen und Anschlägen im Irak fast 70 Menschen.
Laut "Washington Post" gehören die neuen Bilder zu insgesamt rund tausend Digitalfotos, die unter US-Militärpolizisten im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis bei Bagdad herumgereicht wurden.
Ein Foto zeigt eine Soldatin, die einen sich am Boden krümmenden nackten Gefangenen an einer Leine hält. Auf einem anderen Bild sind Gefangene auf dem Boden nackt aneinander gefesselt. Ein weiteres, für Muslime besonders beschämendes Bild, zeigt einen nackten Gefangenen, der an ein Metall-Bettgestell gefesselt wurde, mit Damen-Unterhose auf dem Kopf.
Auch andere Gewalt dokumentierende Fotos hätten die US-Soldaten aufgenommen, berichtete die "Washington Post". Nach Angaben des Blattes zirkulierten die Aufnahmen per E-Mail unter den Soldaten der 372. Kompanie der Militärpolizei in Cresaptown im US-Bundesstaat Maryland.
Die USA und Großbritannien, die stets das Banner von Freiheit und Demokratie vor sich her trügen, hätten sich damit ein "Stigma der Schande" verpasst, schreiben ägyptische Zeitungen.
US-Präsident George W. Bush erteilte seinem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen dessen Informationspolitik öffentlich eine Rüge. Der demokratische Senator Joseph Biden forderte bereits Rumsfelds Rücktritt. Für heute wurde der Pentagonchef vom Streitkräfteausschuss des Senats vorgeladen, um Rede und Antwort zu stehen.
Derweil hat sich Bush erstmals für die Misshandlungen entschuldigt. "Es tut mir Leid, dass die Gefangenen diese Demütigungen erleiden mussten", sagte er im Anschluss an ein Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. Gleichzeitig hielt er aber an seinem Verteidigungsminister fest. "Rumsfeld bleibt im Kabinett", sagte er.
In Bagdad wurden unterdessen bei einem Selbstmordanschlag mit einer Autobombe mindestens sieben Menschen getötet und 14 weitere verletzt. Sechs Iraker und ein US-Soldat starben, als ein Fahrzeug auf einer Brücke in der irakischen Hauptstadt explodierte. Bei einem weiteren Anschlag in Bagdad wurden nach Angaben des Militärs zwei US-Soldaten getötet und zwei verletzt. Sieben weitere US-Soldaten sollen getötet oder verletzt worden sein, als Aufständische einen US-Militärkonvoi bei Falludscha angriffen. Schwere Kämpfe in Kerbela, Nadschaf und Kufa forderten zudem mehr als 50 Todesopfer.
LYNNDIE ENGLAND,
DIE SOLDATIN
AUF DEN FOTOS
Es sind Fotos wie aus einem Horror-Album: gequälte irakische Gefangene, gedemütigt von amerikanischen Soldaten. Gestern tauchten weitere schockierende Bilder auf. Darunter eines, das eine junge Soldatin zeigt, die einen am Boden liegenden irakischen Häftling im Abu-Ghraib-Gefängnis von Bagdad wie einen Hund an der Leine hält. Vor nackten Gefangenen brüstete sich die 21-jährige Lynndie England bereits mit einer Zigarette im Mund - ihre Zeigefinger auf die Genitalien der Männer gerichtet.
Statt der geplanten Hochzeit droht der schwangeren England und ihrem Freund, ebenfalls ein US-Soldat aus Abu Ghraib, nun eine Anklage wegen Grausamkeit, Misshandlung und Vernachlässigung der Dienstpflichten. Die Soldatin war aus ihrer Einheit nach Fort Bragg im Bundesstaat North Carolina versetzt worden, als sie schwanger wurde. Dort soll sie nach US-Medienberichten inzwischen festgenommen worden sein. Der Vater des Kindes soll einer der anderen angeklagten Soldaten sein. Die beiden hätten heiraten wollen.
Lynndie England hat auf den ersten Blick keine einfache Biografie. Aufgewachsen als Tochter eines armen Eisenbahners in einem Wohnwagen-Park in Fort Ashby, West Virginia, wollte Lynndie studieren und die Welt bereisen. Ihre kleine, heile Welt in Fort Ashby bestand aus Truthahn-Schießen und regelmäßigen Besuchen beim Eiscreme-Mann mit ihrer Schwester Destiny.
Sie wird von Verwandten als starrköpfig und unabhängigkeitsliebend beschrieben. Mit 21 hat sie bereits ihre erste Ehe und Scheidung hinter sich. Sie arbeitete nach Presseberichten in einer Hühnerfabrik in West Virginia und träumte vom College, um später als Meteorologin das Heraufziehen von Stürmen voraussagen zu können. England sei dann in die Reserve eingetreten, weil sie selbst das Geld für ihre Ausbildung verdienen wollte, erzählte ihre Mutter.
Die anfängliche Begeisterung über ihren Einsatz im Irak wich aber rasch einer Bitterkeit, berichtete die Mutter. Ihre Tochter habe ihr gesagt, sie sei von Kameraden gebeten worden, für die Bilder zu posieren. ",Mutter', sagte sie zu mir, ,ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.'"
Ihre Nation ahnte nichts und war stolz auf die jungen Helden: Lynndies Foto hängt daheim im Walmart-Supermarkt; im Gerichtsgebäude prangt ihr Foto mit dem anderer US-Soldaten unter der Überschrift: "Wir sind der Stolz der Heimatstadt."
(dpa/cl/Fra)