Deutschland habe die Ex-Regierungschefin zu einem Gas-Geschäft mit Russland gedrängt und sei mitschuldig an der Haft Timoschenkos.
Kiew. Die Ukraine hat der Bundesregierung eine Mitschuld am Gas-Vertrag mit Russland gegeben, der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko sieben Jahre Haft eingebracht hat. Deutschland und andere europäische Staaten hätten Timoschenko Anfang 2009 zur Unterschrift gedrängt, behauptete der ukrainische Außenminister Konstantin Grischtschenko in einem am Freitag von seiner Behörde in Kiew veröffentlichten Gespräch mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. Nur deshalb setze sich Bundeskanzlerin Angela Merkel heute für die Oppositionsführerin ein. Timoschenko war 2011 wegen angeblichen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
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„Sie verübte eine Straftat, die negative Folgen für die nationale Sicherheit und die Perspektiven der ukrainischen Wirtschaft hatte“, verteidigte Grischtschenko das als politisch motiviert kritisierte Urteil. Kritik an westlichen Politikern kam auch vom ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, der als Timoschenkos stärkster Rivale gilt. „Ich bin enttäuscht von den vorzeitigen Schlussfolgerungen meiner westlichen Kollegen im Fall von Julia Timoschenko“, sagte der Staatschef. Einige Politiker würden Erklärungen abgeben, ohne „die Tiefe des Problems“ zu verstehen. Solches Verhalten sei „abstoßend“, sagte Janukowitsch.
Die Europa-Abgeordnete Rebecca Harms schloss nach einem Treffen mit Timoschenko westliche Sanktionen gegen Kiew nicht aus. Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament verwies auf ähnliche Strafmaßnahmen gegen das autoritär regierte Weißrussland. „Die Frage von Sanktionen gegen bestimmte Politiker oder Beamte der Ukraine taucht bei der Diskussion über den Fall Julia Timoschenko innerhalb der EU immer wieder auf“, sagte Harms in Kiew. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Harms hatte am Vortag in Charkow die erkrankte Oppositionsführerin in einer Klinik getroffen.
Harms äußerte aber auch Verständnis für einen Boykott von EM-Spielen in der Ex-Sowjetrepublik . „Ich respektiere die Entscheidung führender Politiker, der Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch die Rote Karte zu zeigen“, sagte Harms am Freitag in Kiew.
Wer aber in das Co-Gastgeberland reise, dürfe dies nicht nur als Fan tun. „Politiker müssen die schlechte Lage der Opposition zum Thema machen.“ Harms hatte mit ihrem Parteikollegen Werner Schulz am Rande des EM-Spiels Deutschland gegen die Niederlande in Charkow mit einem Transparent protestiert.
„Es ist wichtig, nicht nur den Fußball zu genießen, sondern sich auch Gedanken zu machen über die undemokratische Entwicklung in der Ukraine“, sagte die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament. Eine Berufung auf eine strikte Trennung von Sport und Politik sei inakzeptabel. Sportliche Großereignisse ließen sich nicht von Politik trennen.
Harms kündigte eine genaue Untersuchung der Kosten für die Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine an. „Wir werden uns vor allem den Stadionbau anschauen.“ Schätzungen zufolge soll das Turnier das klamme Land rund 11,5 Milliarden Euro gekostet haben. Die Opposition in Kiew beklagt Korruption und Vetternwirtschaft.
Mit Material von dpa