Das Düsseldorfer Oberlandesgericht kippte am Mittwoch Beschlüsse der Bundesnetzagentur und ordnete eine Neuberechnung der Durchleitungsgebühren für Strom und Gas an. Diese Entgelte müssen von den Versorgern an die Netzbetreiber gezahlt werden und sind Teil des Strompreises. Fast 300 Gas- und Stromnetzbetreiber hatten Beschwerde eingelegt und bekamen nun Recht. Das könnte teuer für den Verbraucher werden.
Düsseldorf. Den deutschen Strom- und Gaskunden drohen neben den Preiserhöhungen durch die Energiewende weitere Belastungen. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht kippte am Mittwoch Beschlüsse der Bundesnetzagentur und ordnete eine Neuberechnung der Durchleitungsgebühren für Strom und Gas an. Diese Entgelte müssen von den Versorgern an die Netzbetreiber gezahlt werden und sind Teil des Strompreises. Fast 300 Gas- und Stromnetzbetreiber hatten Beschwerde eingelegt und bekamen nun Recht.
Konkret ging es um die von der Bundesnetzagentur verwendete Kalkulation, mit der die Entgelte für die Nutzung der Strom- und Gasnetze bestimmt werden. Die Netzagentur müsse andere Ansätze berücksichtigen, befanden die Richter.
Sollte die Düsseldorfer Entscheidung Bestand haben, könnten die Netzbetreiber für mehrere Jahre rückwirkend höhere Netzentgelte verlangen. Die Nachforderung würde auf fünf Jahre gestreckt und aller Voraussicht nach von den Energieversorgern auf den Endkunden umgelegt.
Das Gericht stieß sich an der Wertermittlung für die bestehenden Netze. Dafür waren Preisindizes für das produzierende Gewerbe verwendet worden. Eher hätten Indizes des Baugewerbes verwendet werden müssen, wie es auch in der Schweiz geschehe. Auch sei die Bundesnetzagentur von zu hohen Produktivitätssteigerungen ausgegangen, befand der Senat unter Vorsitz von Richter Wiegand Laubenstein. Die Netzagentur müsse nun die Ansätze entsprechend ändern.
Damit konnten sich fast 300 Gas- und Stromnetzbetreiber durchsetzen. Das Gericht hatte ihre Beschwerden in 19 Pilotverfahren gebündelt. Allerdings ließ der Kartellsenat die Beschwerde gegen seinen Beschluss beim Bundesgerichtshof (BGH) zu. Die Bundesnetzagentur ließ am Mittwoch offen, ob sie vor den BGH zieht. „Wir warten erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung ab“, sagte Sprecher Rudolf Boll auf Anfrage. Schätzungen der komplexen Gesamtforderungen bewegen sich zwischen einer dreistelligen Millionensumme bis hin zu einem Milliardenbetrag. Weil die konkreten Kalkulationen der Netzbetreiber Geschäftsgeheimnisse sind, ist die Summe nicht bekannt.
Die Entscheidung des Gerichts bestätige die Auffassung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), teilte dessen Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller mit. Der BDEW habe bereits im Juli 2008 mit einem Gutachten auf erhebliche rechtliche Bedenken hingewiesen.
Den Verbrauchern drohen bereits durch den Atomausstieg und den Netzausbau für die erneuerbaren Energien höhere Preise. Die Stromkosten könnten im kommenden Jahr massiv ansteigen. Grund ist neben steigenden Netzentgelten durch den Aus- und Neubau von Trassen auch ein drohender Aufschlag bei der Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien und eine Umlage zur Anbindung der Windparks auf See ans Stromnetz. Zum einen werden gerade energieintensive Betriebe weitgehend davon befreit, weshalb die Kosten auf weniger Schultern umverteilt werden müssen. Zum anderen wachsen durch immer mehr Wind- und Solarstrom die Förderkosten – in diesem Jahr fallen hierfür wahrscheinlich mehr als 13 Milliarden Euro an.
Ein Dreipersonenhaushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden Strom im Jahr zahlt derzeit 75 Euro im Monat, errechnete der BDEW. Das sind schon jetzt sechs Euro mehr als noch 2010. Hauptgrund ist der wachsende Anteil von Steuern und Abgaben. Die machen auch wegen Netzentgelten und Ökostrom-Umlage bereits 45 Prozent der Kosten aus.
(dpa)