Gewerkschaften verlangten einen Mindestlohn, gleiche Bezahlung für Frauen und Männer sowie für Festangestellte und Leiharbeiter.
Stuttgart/Dortmund. Gewerkschaften und Politik haben am Tag der Arbeit ihre Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn bekräftigt. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, rief die Politik zu einer Untergrenze von 8,50 Euro auf. Dieser Betrag sei das Mindeste, was ein arbeitender Mensch brauche, um sich selbst über die Runden zu bringen, für eine Familie reiche das immer noch nicht, betonte Sommer am Dienstag in Stuttgart bei der DGB-Hauptkundgebung zum Tag der Arbeit.
SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Mindestlohn-Pläne der CDU. Sie verhinderten nicht, dass Menschen mit einer vollen Stelle, „beim Sozialamt um Aufstockung betteln müssen“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwochsausgabe). DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki erinnerte daran, dass es bereits in 20 von 27 Ländern Europas gesetzliche Mindestlöhne gebe. Deutschland brauche ebenfalls einen Mindestlohn „und zwar sofort“. Insgesamt nahmen laut DGB 419.000 Menschen an bundesweit mehr als 420 Veranstaltungen und Kundgebungen zum Tag der Arbeit teil.
Sommer betonte, ein Viertel der Menschen in Deutschland müsse zu „Hungerlöhnen“ arbeiten. Statt mit Sparprogrammen auf die Wirtschaftskrise zu reagieren müsse die Politik die Konjunktur ankurbeln. Die Förderung von prekärer Arbeit und das Außerkraftsetzen der Tarifautonomie sei dagegen „ökonomischer Blödsinn“ und „ideologische Verbohrtheit“. Zur Finanzierung von Konjunkturprogrammen sollte nach Sommers Überzeugung eine Transaktionssteuer auf Börsengeschäfte eingeführt werden.
Die Gewerkschaften prangerten außerdem Lohnunterschiede bei Frauen und Männern, drohende Altersarmut und Bildungsungerechtigkeit an. Auch Arbeitsverhältnisse wie Leiharbeit und 400-Euro-Jobs kritisierten die Arbeitnehmervertreter. Leiharbeit sei schlimmer als Sklaverei, sagte etwa der DGB-Vorsitzende von Nordrhein-Westfahlen, Andreas Meyer-Lauber, vor etwa 5.000 Menschen in Dortmund.
CDU und CSU hatten sich am vergangenen Mittwoch auf einen einheitlichen Mindestlohn geeinigt. Eine Lohnuntergrenze soll demnach überall dort gelten, wo es keine Tarifverträge gibt. Die Höhe soll regelmäßig von einer unabhängigen Kommission festgelegt werden, in der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite paritätisch vertreten sind. Tarifverträge mit Löhnen unter den künftigen Mindestlöhnen würden nach den Unionsplänen ihre Gültigkeit behalten.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte den in Essen erscheinenden Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Dienstagsausgaben), er erwarte nun auch Zustimmung vom Koalitionspartner FDP als „ein Signal der sozialen Verantwortung“. FDP-Chef Philipp Rösler forderte im Deutschlandfunk, die Union müsse belegen, welchen Vorteil das von ihr favorisierte Modell gegenüber bestehenden Reglungen habe. Bislang lehnte die FDP gesetzliche Lohnuntergrenzen ab.
Seit dem 1. Mai gilt in Nordrhein-Westfalen ein Mindestlohn von 8,62 Euro pro Stunde für öffentliche Aufträge von mehr als 20.000 Euro. Das Auftragsvolumen der öffentlichen Hand liegt bei schätzungsweise rund 75 Milliarden Euro pro Jahr, wie der nordrhein-westfälische Arbeitsminister, Guntram Schneider (SPD), am Dienstag in Düsseldorf erklärte. (epd/abendblatt.de)