Hamburg. Im Abendblatt-Weinpodcast “Vier Flaschen“ schauen wir in die Gläser von Staatsgästen im Schloss Bellevue in Berlin.

Was gibt es beim Bundespräsidenten eigentlich zu trinken – und wie viel? Das ist die Frage, die in unserer Reihe „Vier Flaschen“ heute mit einem geklärt wird, der es wissen muss. Knut Bergmann hat unter Horst Köhler im Bundespräsidialamt gearbeitet und (nicht nur) über diese Zeit das Standardwerk über Wein und große Politik geschrieben: „Mit Wein Staat machen“.

Und genau unter diesem Motto hat Michael Kutej, neben Axel Leonhard und Lars Haider Gastgeber bei den „Vier Flaschen“, die Weine ausgesucht: ein Sekt, ein Weißburgunder, zwei Rotweine, die „man bei jedem Staatsbankett trinken könnte“. Wobei das für Deutschland nicht zwangsläufig ein Kompliment sein muss: „Wenn ich mir die Teilnahme an einem Staatsbankett aussuchen dürfte, würde ich mich für eines in Großbritannien mit der Queen entscheiden“, sagt Bergmann.

In Deutschland gelte Bescheidenheit und Nüchternheit

Dort gebe es die besten Weine aus dem Vorrat des Königshauses, selbst der ewig Cola trinkende US-Präsident Donald Trump habe einen Lafite-Rothschild aus dem Jahr 1990 ausgeschenkt bekommen: „Da reden wir über 1500 Euro die Flasche: Ich als US-Präsident hätte mir noch eine einpacken lassen“. Trump habe dagegen wahrscheinlich gar nicht bemerkt, was für einen einmaligen Tropfen er im Glas hatte …

In Deutschland werde ganz bewusst bei Staatsbanketten nicht „das Allerbeste ausgeschenkt“, so Bergmann weiter. Das sei eine bewusste Entscheidung, weil für politische Entscheidungsträger in der Bundesrepublik das Diktum der Bescheidenheit und Nüchternheit gelte: „Das geht auf Theodor Heuss zurück, der auch mal Weine ausschenken ließ, die in heutigen Preisen vielleicht fünf Euro die Flasche kosten würden.“ Um es vorwegzunehmen: Die vier Flaschen, die heute verkostet werden, sind wahrscheinlich einen Tick besser als das, was es normalerweise beim Bundespräsidenten zu trinken gibt.

Champagner gibt es nur in Ausnahmefällen

Los geht es mit einem Sekt, dessen Grundwein 2014 geerntet wurde, den es aber erst seit sechs Monaten zu kaufen gibt – und der Michael Kutej zu Jubelstürmen hinreißt: Er hat dem Fluxus 2014 vom Weingut Bergdoltmit seiner „überwältigenden Frische“ bei einer Verkostung für das Magazin „Falstaff“ 95 von möglichen 100 Punkten gegeben. Wird beim Bundespräsidenten überhaupt Sekt serviert – oder immer gleich Champagner? „Den gab und gibt es nur in begründeten Ausnahmefällen, der Standard ist deutscher Sekt“, sagt Bergmann. Der sei viele Jahrzehnte leider nicht besonders gut gewesen, was allerdings kaum jemanden gestört habe. Der Grund: „Die wenigsten Politiker trinken bei einem Besuch im Schloss Bellevue viel Alkohol.“

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Bei Staatsbanketten würde pro Gang und Gast mit einem Glas gerechnet, es gibt drei Gänge plus Nachtisch, „da kommt nicht viel zusammen“. Überhaupt habe er die Beobachtung gemacht, dass die meisten Politiker sich nicht wirklich für Wein interessieren würden und den auch nicht genießen könnten: „Dafür lässt ihnen ihre Arbeit gar keine Zeit“, sagt Bergmann, der den Fluxus „wirklich super“ findet, das sei das Niveau, das im Moment im Schloss Bellevue ausgeschenkt werde – und das, obwohl sich Axel Leonhard beim ersten Reinriechen an den „Hasenkäfig seiner Schwester“ erinnert fühlt. Es sollte nicht der letzte tierische, politisch unkorrekte Vergleich bleiben …

Weißburgunder oder Spätburgunder?

Aber erst mal zur zweiten Flasche, einem Pinot Blanc Reserve aus dem Hause Maximin Grünhausund dem Jahrgang 2018. „Eigentlich ist das Weingut bekannt für seine Rieslinge, und deshalb entwickelt der Weißburgunder eine besondere Mineralität und Energie“, sagt Kutej. Diesmal ist Riesling-Liebhaber Lars Haider schwer begeistert: „Das ist ein Wein, der wie für mich gemacht ist, jeder Schluck ein anderes Geschmackserlebnis. Vielleicht der beste Weißburgunder, den ich bisher getrunken habe.“ Maximin Grünhaus sei unter anderem in der Präsidentschaft von Richard von Weizsäcker ausgeschenkt worden, sagt Bergmann, der „diesen Weißburgunder wahnsinnig gut gemacht“ findet.

Zur dritten Flasche, einem Pinot Noir (Spätburgunder) aus dem Jahr 2018 vom Weingut Chat Sauvage (auf Deutsch: wilde Katze), das in Assmannshausen im Rheingau liegt – und der 22 Monate im Fass gelagert wurde. Das Gut gehört seit dem Jahr 2000 dem Hamburger Unternehmer Günther Schulz, der auf acht Hektar nur zwei Rebsorten anbaut: viel Pinot noir, ein wenig Chardonnay. „Der Höllenberg in Assmannshausen war die bevorzugte Rotwein-Lage bei den Staatsbanketten in den 50er- und 60er-Jahren“, sagt Bergmann. Getrunken habe ihn damals unter anderem Charles de Gaulle.

Nach dem Öffnen riecht es zunächst eher nach Katze

Das klingt gut. Was Bergmann dann über den aktuellen Wein sagt, schließt dagegen an den oben erwähnten Hasenkäfig an: „Er hat direkt nach dem Aufmachen einen ganz kleinen Touch von Katzenurin, das ist nicht untypisch. Unter erfahrenen Verkostern ist das durchaus eine Note, die manchmal auftaucht, die in diesem Fall aber schnell verflogen ist.“ Deshalb rät Kutej grundsätzlich dazu, Rotweine deutlich vor dem Ausschenken zu öffnen und zu dekantieren, am „besten zwei Stunden vorher“. Die „wilde Katze“ würde sich innerhalb weniger Minuten stark verändern, Kutej schmeckt inzwischen Balsamico und Wacholder, „nix mehr mit Katzenurin: Das ist etwas sehr, sehr Anständiges.“

Zur letzten Flasche, einer Premiere bei den „Vier Flaschen“. Denn einen Lemberger, so heißt die Rebsorte, gab es hier noch nie, dieser stammt vom Weingut Graf Neipperg, Jahrgang 2015. „Als Erstes schmecke ich Vanille, danach etwas Kräutriges und Amarenakirsche“, sagt Kutej. Leonhard stimmt ihm zu: „Am Anfang ist es fruchtig, dann wird es würzig.“ Und Bergmann findet auch diesen Wein „sehr schön“ und erzählt, dass mit einem Wein aus dem Haus Neipperg „das deutsche Rotweinelend“ im Schloss Bellevue beendet wurde: „Diesen Wein hat 1986 der spanische König zu trinken bekommen, natürlich aus dem Jahr 1983. Damals noch als Lemberger Spätlese halbtrocken.“