Hamburg. Im Podcast „Schmeckt’s?“ dreht sich alles um unser Essen. Zu Gast diesmal: Ruth Staudenmayer, Managerin des Geflügelhofs Schönecke.

Es gibt kein emotionaleres Lebensmittel als das Ei, findet Ruth Staudenmayer. Zusammen mit ihrem Mann Henner Schönecke führt sie seit rund 20 Jahren den Geflügelhof Schönecke mit Stammsitz in Neu Wulmstorf. Dort leben 55.000 Legehennen in Freiland- und Bodenhaltung. „Wir sind ein durchschnittlich großer Betrieb. Wichtiger als die Zahl ist die Frage, wie man die Tiere hält“, sagt die studierte Kulturwissenschaftlerin im Abendblatt-Podcast „Schmeckt‘s?“.

Mehr als 50.000 Tiere – das ist Massentierhaltung. Die Hennen leben in drei großen Ställen mit 17.000 bis 20.000 Tieren. Zwar treffen sich nicht alle Hühner untereinander, aber es sei schon okay, wenn eine Henne im Laufe des Tages mehreren Hundert oder gar Tausend Artgenossinnen begegne, sagt Staudenmayer: „Untersuchungen zu Stress bei unterschiedlichen Gruppenstärken zeigen, dass es – wie beim Menschen – entweder ein Dorf- oder ein Stadtleben gibt: In Gruppen mit bis zu 50 Hennen kennt sich jedes Huhn, da muss nicht jeden Tag verhandelt werden, wie die Hackordnung ist. Die nächste erträgliche Größe ist mehr als 200.“ Dann wird die Hühnerschar zur anonymen Masse ohne Rangordnung.

Die Eier werden ab Hof verkauft

30 Prozent der Legehennen leben bei Schöneckes in Bodenhaltung. Das sei wie Freilandhaltung, nur ohne Auslauf, sagt Staudenmayer: „Die Hühner haben verschiedene Etagen, wo sie hin und her springen können, Futter, Nester, Scharrbereiche, Picksteine, das ganze Programm.“ Die Freilandtiere leben in Ställen mit angeschlossenem Wintergarten, von dem sie ins Freie laufen können. Dort haben sie vier Quadratmeter Auslauf pro Tier. Die Eier werden ab Hof verkauft, in einer Filiale in Ottensen (Mercado) und auf zwölf Wochenmärkten in Hamburg und dem Umland. Doch fast 90 Prozent finden sich in Supermärkten. Als mittelständischer Betrieb leiste sich der Geflügelhof den Luxus, die Eier und zugekaufte Fleischspezialitäten selbst zu vermarkten. Dadurch sei er nicht dem Preisdiktat des Großhandels unterworfen. „Unsere Eier kosten zwischen 20 und 30 Cent“, sagt die Managerin, die auf dem Hof für die Vermarktung verantwortlich ist.

„Das Problem ist, dass die Deutschen zu billig einkaufen wollen. Wir sind ein Billigfresser-Land. Wenn es zehn Eier für 1,99 Euro gibt, kann sich jeder überlegen, wie hochwertig dann die Unterbringung, das Futter und die Betreuung sein können.“

Der Hof Schönecke ist KAT-zertifiziert

Bei Schönecke gibt es unter anderem kleine Körbe mit 20 „Freiland-Minis“. So heißen die Eier der jüngeren, gut 23 Wochen alten Hennen, die gerade erst anfangen zu legen. Anders als die Kundschaft, die große Eier bevorzugt, hält Ruth Staudenmayer diese Eier für die besten: „Sie haben eine ganz feste Schale, weil junge Hennen noch viel Calcium haben. Ihr Dotter ist genauso groß wie der von den beliebten XL-Eiern. Diese stammen von älteren Hühnern, werden aber seltener gelegt. Große Eier haben mehr Füllflüssigkeit, das Eiweiß. Der Begriff ist eigentlich irreführend, denn Eiweiß enthält gar nicht so viel Protein. Es ist eher mit Fruchtwasser vergleichbar.“

Ein weiteres Qualitätsmerkmal sei die Frische: „Ein frisches Ei zerläuft nur am Rand, wenn Sie es auf den Teller schlagen. Das Dotter wird von ein bisschen Eiweiß gehalten – wie eine kleine Insel.“ Das Futter habe wenig Einfluss auf die Qualität, sagt die zweifache Mutter. Die beliebte dunkle Dotterfarbe entstehe durch Carotinoide, die dem Futter bei Freilandhaltung beigemischt werden dürfen. Bei Bioeiern sei das nicht erlaubt. Deshalb haben Bioeier hellere Dotter. Staudenmayer räumt mit einem Vorurteil auf: „Wenn ein Ei mal fischig schmeckt, liegt das nicht daran, dass Fischmehl gefüttert wurde – das ist längst verboten. Vielmehr sei dies auf einen Gendefekt zurückzuführen. Die Tiere können einen Futterbestandteil nicht richtig verstoffwechseln.“ Da man die betroffenen Tiere nicht erkennt, lässt sich so etwas nicht verhindern.

Der Hof Schönecke ist KAT-zertifiziert. Das Kürzel gehört dem „Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen“. Er hat im Jahr 2000 das erste System der Lebenswirtschaft geschaffen, mit dem eine Ware bis zur Produktionsstätte zurückverfolgt werden kann. Verbraucher erkennen die Eier am Stempel.

Immer mal wieder machten Eierskandale Schlagzeilen

Die Bedeutung der Ziffern und Buchstaben ist unter was-steht-auf-dem ei.de nachlesbar: Ganz vorn steht die Ziffer für die Haltungsform. 0 bezeichnet Bioeier, 1 steht für Freiland- und 2 für Bodenhaltung. Als Nächstes folgt die Länderkennung, meist DE für Deutschland. Staudenmayer: „Dort könnte auch NL stehen, da viele Eier, die wir in Deutschland verzehren, aus den Niederlanden stammen.“ Es folgen Ziffern, die verwirrend wirken können. Bei Schönecke­-Eiern kommt zunächst die 03. Sie steht für Niedersachsen (01 für Schleswig-Holstein, 02 für Hamburg, 13 für Mecklenburg-Vorpommern). Zum Schluss folgt die Stallnummer, damit das Ei bis zum Legeort zurückverfolgt werden kann.

Und das aus gutem Grund. Denn immer mal wieder machten in der Vergangenheit Eierskandale Schlagzeilen. Ihr Hof sei davon noch nie betroffen gewesen, sagt Staudenmayer. Er suche sich die Betriebe, mit denen er zusammenarbeite, sehr genau aus. „Wir kaufen die Junghennen zu. Das Geschäft ist hoch spezialisiert: Es gibt Kükenzüchter und Betriebe, die die Küken aufziehen.“ Das Futter produziere der Betrieb zum Teil selbst (Raps, Getreide, Mais), zum Teil bezieht er es von langjährigen Lieferanten. Zudem setzt der Hof auf Transparenz: „Auf jeder Verpackung steht ,Besucht uns im Stall.‘ Wir sind in den sozialen Medien aktiv und zeigen bei Tierwohl-TV Live-Bilder.“ So sind im Rewe-Center Stanislawski & Laas an der Dorotheenstraße „glückliche Hühner“ in Schönecke-Ställen per Webcam am Eierregal zu sehen.

Auf jeder Verpackung steht "Besucht uns im Stall"

Im Alter von eineinhalb Jahren endet das Leben eines Legehuhns. „Die Hennen geben alles für ihre Eier. Da bleibt wenig am Körper übrig, was für den menschlichen Verzehr nach heutigen Ansprüchen verwertbar ist“, sagt Staudenmayer. „Man kann daraus ein Suppenhuhn machen. Aber wenn wir das in unsere Auslagen legen würden, würde es niemand kaufen. An den Körpern ist wenig Fleisch. Vielleicht 300 bis 400 Gramm – wir wollen aber alle eine 250-Gramm-Brust haben.“ Nach der Schlachtung werde das Fleisch zu Tierfutter oder Tiefkühlprodukten verarbeitet. Gut möglich ist übrigens, dass in einer Packung tiefgekühlten Hühnerfrikassees eines norddeutschen Herstellers das Fleisch von ehemaligen Legehennen aus Neu Wulmstorf steckt.