Hamburg. Der Autor Gerhard Henschel legt mit „Soko Heidefieber“ eine hemmungslose Satire auf ein sehr populäres Buchgenre vor.
Diese reine, aber nur einstweilen unschuldige Freude am Benennen der Ortsnamen. Diese ganz sicher auch lautliche Lust am Kaff: Zwischen „Beckingen“ und „Bostelwiebeck“ also treibt sich das ermittelnde Personal in Gerhard Henschels Krimisatire „Soko Heidefieber“ einmal herum. Später muss sie aber auch in der „Verbandsgemeinde Bad Breisig am Rhein“ ran. Außerdem in Brandenburg, auf Spiekeroog, im Westerwald, in Ostfriesland, sogar im Engadin und am Großglockner. Dieses geografisch so weitläufige Buch ist, wie sein Untertitel sagt, „ein Überregionalkrimi“, und das heißt zunächst vor allem: Er muss an vielen Orten spielen.
Wer Gerhard Henschels fortlaufende, stark autobiografisch inspirierte Martin-Schlosser-Saga („Kindheitsroman“, „Bildungsroman“, „Liebesroman“) kennt, der weiß um die starke Verbundenheit dieses Schriftstellers mit der deutschen Provinz. Hier kennt einer die Orte abseits der Metropolen auch aus eigener Anschauung, man darf auch von einem gerüttelten Maß an Sympathie für jene oft verspotteten Wald-und-Wiesen-Gemarkungen ausgehen.
Es geht um das spektakuläre Ableben etlicher Autoren
Henschel lebt seit einiger Zeit in Bad Bevensen. Deswegen ist es nur logisch, dass er sein neues Buch, das man sicher als eine aus dem Komik-Ärmel geschüttelte literarische Lockerungsübung bezeichnen darf, in der Lüneburger Heide beginnen lässt. Der Krimiautor Armin Breddeloh wird tot im Teich gefunden. Gerade noch hat er in einer Buchhandlung gelesen, nun ist er Gegenstand einer Morduntersuchung. Es ermitteln die Uelzener Kommissare Gerold Gerold (sic!) und Ute Fischer — bald als Abteilung Nord einer Sonderkommission, die im Bundesgebiet und darüber hinaus das stets spektakuläre Ableben etlicher Krimiautoren aufklären muss. Denn, muss man wissen: Den Krimimarkt haben, erklärt eine der Romanfiguren einmal, die Schriftsteller einfach regional aufgeteilt, „wie die Mafia“. Es gibt so viele von ihnen.
Diese Schundautoren und Verantwortlichen des Regionalkrimibooms – „Die Kunden kaufen praktisch keine anderen Bücher mehr!“, erklärt ein Buchhändler gleich zu Beginn des Romans – werden in der Sauna gegrillt, aus Helikoptern geworfen, von Wölfen zerfleischt oder gefesselt in ausgehöhlten Bäumen entsorgt. Ihre Ermordung wird stets auf originelle Weise abgehandelt, wichtig aber in jedem Fall: Die Verstümmelung macht den Mordfall erst zum Mordsspaß. Für den Leser einschlägiger Regionalkrimiliteratur zumindest. Zu dem Eindruck muss man kommen, wenn man die im Roman ausführlich zitierten, von Henschel natürlich erfundenen Passagen liest. Sie sind großzügig über den Text verteilt, und zwar immer dann, wenn ein neuer Mord geschieht. Ist schnell klar, warum dies so ist: Der Mörder bringt die Autoren genau so um die Ecke, wie diese ihre Figuren in ihren
Romanen sterben lassen. Was für ein hundsgemeiner Racheengel!
Henschel nimmt das Genre der Regionalkrimis aufs Korn
Wie überhaupt dieser Roman des nicht eben erfolglosen Schriftstellers Henschel doch auch gerade in der grellen Offensichtlichkeit klammheimliche Züge einer tatsächlichen Rachefantasie tragen muss. Man kann es plump, aber auch einfach köstlich finden, wie Henschel das Genre der Regionalkrimis aufs Korn nimmt. Das fängt bei der Aufzählung der inflationären, leider auch inflationär stumpf betitelten Bücher an, deren Nennung im Sinne des „Schuldig im Sinne der Anklage“ aber wichtig ist: „Die zersägte Äbtissin“ wäre hier der absolute Favorit des Rezensenten.
Dieser fiktive Roman entstammt der Feder Waldemar Königs, der im Verlaufe der selbstverständlich total abstrusen Handlung von „Soko Heidefieber“ eine Sonderrolle in seiner Zunft übernimmt. Die Krimiautoren haben berechtigterweise Angst um Leib und Leben, und König, der eitle Zwirbelbartträger aus der Heide, orchestriert den vereinigten Protest gegen die Untätigkeit der Polizei, die zum einen den blutrünstigen Täter nicht dingfest machen kann und zum anderen mit dem Thema Polizeischutz eher zurückhaltend umgeht.
Am Ende gibt es ein paar Umdrehungen zu viel
„Soko Heidefieber“ ist rasant erzählt, scheut Kalauer und Albernheiten nicht, bedient sich sprachlicher Eigenheiten (Plattdeutsch, Bayerisch) und lässt bekannte Leute aus der Literatur auftreten. Stephen King zum Beispiel oder den Hamburger Verleger Gerd Haffmans. Gerhard Henschel muss, so stellt man sich das jedenfalls vor, beim Schreiben öfters leibhaftig und nicht nur metaphorisch ein Augenzwinkern unterlaufen sein. Wahrscheinlich besonders dann, wenn er mit dem zweiten Erzählstrang beschäftigt war: Dort ist es ein (ja real existierender) Schriftsteller namens Frank Schulz, der sich zunächst den Groll der Öffentlichkeit zuzieht, als er die Mordserie als „angewandte Literaturkritik“ bezeichnet, um dann nach seiner Flucht vor der medialen Zerfleischung in Griechenland eine Fülle von lebensgefährlichen, äußert schmerzhaften Abenteuern erleben muss, angesichts derer man sich fragt, was denn wohl dahintersteckt, wenn ein Autor einen Autorenkollegen literarisch so hinterhältig leiden lässt. Im Falle Schulz/Henschel eine Autorenfreundschaft: Normalerweise wären sie Anfang Juni gemeinsam im Polittbüro aufgetreten.
„Soko Heidefieber“ ist über weite Strecken ziemlich komisch, es entlarvt eine penetrante Form der Unterhaltungsliteratur. Am Ende hat diese Krimiparodie ein paar Umdrehungen zu viel, sie hätte auch schlanker sein können. Aber was soll’s, manchmal kann sich ein Autor nicht stoppen, weil er selbst so einen Spaß hat.