Hannover. Als Profi schaffte er es beim HSV in die Bundesliga, als Coach mit Paderborn. Im Podcast spricht er auch über einen Schicksalsschlag.

Nur ein paar Sekunden aus einer TV-Reportage genügen, um die Erinnerungen bei André Breitenreiter wieder anzuknipsen und für Kribbeln an den Armen zu sorgen. An einem ungemütlichen Wintertag 1996 drehte der HSV im alten Volksparkstadion die Bundesliga-Partie gegen den FC Bayern in den Schlussminuten. In der 85. Minute egalisierte der damalige HSV-Stürmer den Rückstand durch Mehmet Scholl, drei Minuten später sorgte Uwe Jähnig auf den Rängen für Karneval im Norden.

„Das war ganz klar einer der besonderen Momente in meiner Spielerkarriere“, sagt Breitenreiter über 24 Jahre später über jenes 2:1. „Und auch wenn ich Hannoveraner bin, so hat der HSV einen Teil meines Herzens für immer gewonnen.“

Ende der vergangenen Woche hat der heute 46-Jährige in sein Zuhause bei Hannover eingeladen. Im Podcast „HSV – wir müssen reden“ (abendblatt.de/hsv-podcast) nimmt sich Breitenreiter mehr als eine Stunde Zeit, um vor dem Spiel des HSV in Paderborn (20.30 Uhr/Sky, Liveticker bei Abendblatt.de) über die Chancen seiner beiden Ex-Clubs zu sprechen, über sein bewegtes Trainerleben und seine Pläne für die Zukunft.

HSV ist Breitenreiters Favorit

„Natürlich leidet man mit, wenn sich der HSV zweimal den Wiederaufstieg vornimmt, ihn eigentlich auch schaffen müsste und es am Ende doch nicht reicht“, aber der HSV wird immer der Favorit sein, egal wie die Herangehensweise an eine Saison auch ist“, schiebt Breitenreiter seinen früheren Verein ganz klar auf die Poleposition. Was die Chancen für die Partie und auch für den Aufstieg betrifft. „Der HSV verfügt über eine qualitativ sehr gute Mannschaft. Ich bin mir sicher, dass sie es in dieser Saison schaffen. Auch an Hannover führt kein Weg vorbei.“

August 1995: André Breitenreiter jubelt über eines von zwei Toren für den HSV beim 3:3 gegen Werder Bremen.
August 1995: André Breitenreiter jubelt über eines von zwei Toren für den HSV beim 3:3 gegen Werder Bremen. © WITTERS | Wilfried Witters

Breitenreiter weiß nur zu gut, wie man in die Bundesliga aufsteigt. Nach seiner ersten Trainerstation bei Regionalligist Havelse wechselte er 2013 zum SC Paderborn und stieg trotz des schmalen Budgets von gerade mal zehn Millionen Euro sensationell auf. 2017 folgte der zweite Streich, als er Hannover 96 zurück in die Bundesliga führte.

Für den Fußballlehrer, der seine Ausbildung 2013 gemeinsam mit Thomas Meggle (früher St. Pauli) abschloss, gibt es drei Hauptkriterien, die einen Aufstieg wahrscheinlicher machen „Das sagt sich so leicht daher, aber du benötigst erstens Teamgeist. Die Jungs müssen ihr persönliches Ego, ihre Interessen zurückstellen. Aber das reicht nicht. Ich brauche zweitens Variabilität in der Spielausrichtung, einen Plan B und C, um nicht leicht ausrechenbar zu sein. Und drittens geht es auch um die Frage, wer Ruhe hat.“

Was Breitenreiter an Paderborn schätzt

Wer beim FC Schalke – dort wurde Breitenreiter 2016 entlassen, nachdem er Platz fünf erreicht hatte – und in Hannover angestellt war, hat Erfahrung darin, wie schnell der Erfolg außer Sichtweite geraten kann, wenn der Fußball nicht im Vordergrund steht. Die Unaufgeregtheit, gepaart mit der Fähigkeit, in schwierigen Lagen zusammenzuhalten und nicht in Aktionismus zu verfallen, hat Breitenreiter jedoch damals in Paderborn vorgefunden: „Dort wurden über die Jahre, vor allem vom verstorbenen Präsidenten Wilfried Finke, viele kluge Entscheidungen auf entscheidenden Positionen getroffen.“

In Paderborn konnten sich Trainer wie Jos Luhukay, Roger Schmidt, André Schubert und auch Breitenreiter entwickeln. Markus Krösche (inzwischen Leipzig) als Sportdirektor zu installieren, der viele schlaue Transfers tätigte, sorgte für einen erneuten Aufschwung.

Derzeit ist Breitenreiter als Experte für die Champions League bei TV-Sender Sky tätig. „Ich wollte mich ganz bewusst mit dem internationalen Fußball intensiver beschäftigen, insofern passte die Anfrage perfekt.“ Außerdem hat er sein (schon gutes) Englisch optimiert und angefangen, Spanisch zu lernen.

Breitenreiter kümmert sich um kranken Vater

Warum Breitenreiter nicht schon längst wieder als Trainer aktiv ist, dafür gibt es diverse Gründe. „Nach meiner Entlassung in Hannover Anfang 2019 wollte ich ganz bewusst einige Monate keinen neuen Verein übernehmen.“ Im Sommer dann machte ein schwerer Schicksalsschlag – seine Mutter verstarb – alle Zukunftspläne zunichte. Breitenreiter sagte alle Anfragen ab und kümmert sich um seinen kranken Vater.

Zwar gibt Breitenreiter, der 2019 vor dem Engagement von Dieter Hecking auch beim HSV zum engen Kandidatenkreis gehörte, zu, dass er für die nächste Aufgabe brennt. „Aber ich möchte beim nächsten Schritt die 100-prozentige Überzeugung haben, darauf warte ich. Und diese Möglichkeit wird kommen, davon bin ich überzeugt.“

Der HSV-Check vor dem Spiel in Paderborn:

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Dabei sieht sich Breitenreiter eher in der Bundesliga oder in der Zweiten Liga als zum Beispiel in China. „Wenn ich an die Atmosphäre in den Stadien denke, an das Kribbeln im Spiel, an die Aufstiege – das macht doch den Fußball aus. Und ich muss die Spieler über die Sprache erreichen können. Deshalb bin ich zwar offen fürs Ausland, aber es muss Sinn ergeben.“