Sheku Kanneh-Mason (20) ist schon ein Star. In „Erstklassisch mit Mischke“ spricht er über Musik, Gefühle – und die Royals.
Die linke Hand hält das Mikro, die Bogenhand macht kreisende Bewegungen. Während des Gesprächs mit Sheku Kanneh-Mason ist sein Cello ebenfalls in der Elbphilharmonie-Garderobe, natürlich ist es das, die beiden sind so gut wie untrennbar. In wenigen Stunden wird er im Großen Saal das Elgar-Konzert spielen. Aber da er jetzt nur entweder antworten oder spielen kann, empfindet eine Hand schon mal vor.
Sheku wer? Weil er im Mai 2018 bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle Cello spielte, kennen ihn Millionen auf der ganzen Welt. In der Klassik-Welt ist er dabei, sich einen Namen zu erspielen. Er stammt aus einer Familie, die fast ein Kammerorchester ist: sieben Geschwister, alle mindestens ein klassisches Instrument.
Britain's Got Talent: Sheku und Familie räumten ab
Berühmt wurden die Kanneh-Masons durch einen Auftritt bei „Britain‘s Got Talent“, 2016 gewann Sheku den BBC Young Musician of the Year“-Preis. Seine erste CD ist draußen, seine Schwester Isata hat kürzlich ein Album mit Klaviermusik von Clara Schumann veröffentlicht; mehr von Sheku – eigentlich alle nennen ihn nur Sheku – soll folgen.
Und bis es soweit ist, ist der ruhige und sehr tiefenentspannte Mann, 20 Jahre jung, aus Nottingham das, was das Jazz-Magazin „down beat“ als „talent deserving wider recognition“ bezeichnet.
Hamburger Abendblatt: Kann man in Nottingham berühmter werden als durch die Tatsache, dass auf dem städtischen Bus – dem 613er – der eigene Name steht?
Sheku Kanneh-Mason: Das war wirklich reizend, etwas sonderbar aber auch. Das ist der Bus, den ich früher für meinen Schulweg genommen hätte.
Damit wir das erledigt haben: die royal wedding…. Sie erhielten einen Brief und später war dann Meghan Markle am Telefon, die fragte, ob Sie sich das vorstellen könnten und auch Zeit haben….
Und ich habe gesagt, sicher, es wäre eine große Ehre.
Wird man dann noch zur Feier eingeladen?
Ich bin nach dem Auftritt ziemlich schnell nach Hause.
Royal Wedding von Harry und Meghan
Haben Sie ein Geschenk mitgebracht?
Nein, ich denke, meine Musik war das Geschenk.
Sheku Kanneh-Mason im Video
Wird man danach belohnt? Gibt es den Ehrentitel „Musician of the British Empire“? Ein Honorar?
Es ist eine Ehrensache – und für mich war es auch die Gelegenheit, vor einem sehr großen Publikum zu spielen.
Sieben Kanneh-Mason-Kinder und alle üben ständig. Bei Ihnen zuhause muss es so laut sein wie neben der Landebahn eines Flughafens.
Schöner Lärm, aber dennoch… Ich habe mich daran gewöhnt, mit Klavierspiel im Nebenzimmer und einer Geige über mir zu üben. Als ich jünger war, wurde ich dadurch aber auch immer inspiriert. Die Nachbarn jedenfalls haben sich nie beschwert.
Amati-Cello: Liebe auf den ersten Ton?
Ein Schlüsselwort für ein Gespräch mit Ihnen: Disziplin. Wie schwer ist es, sich immer wieder zum Üben zu motivieren?
Ich glaube, meine Disziplin kommt daher, dass ich so gut wie nur möglich sein will. Das braucht nun mal viel Arbeit.
Eine vielleicht sonderbar klingende Frage: Wie alt fühlen Sie sich, wenn Sie Cello spielen? Denn manchmal verändern sich junge Musiker, sobald sie ihr Instrument berühren und spielen.
Auf jeden Fall bin ich als Person ruhiger und scheuer, wenn ich mit jemandem rede. Sobald ich Cello spiele, ändert sich das eindeutig. Ob ich mich älter fühle, weiß ich nicht. An Konzerten finde ich aufregend, welche Wirkung die Musik auf den Interpreten hat. Je stärker meine Gefühle, desto besser die Aufführung.
Sie spielen ein Amati-Cello von 1610. War das Liebe auf den ersten Ton?
Im Finale des BBC-Wettbewerbs habe ich darauf gespielt, ich durfte es für fünf Wochen ausleihen und musste es dann aber wieder zurückgeben. Später habe ich jemanden gefunden, der es kaufte, so dass ich es jetzt dauerhaft spielen kann.
Und nun soll Sie nichts mehr trennen?
Hoffentlich nicht.
Wie groß ist der Konkurrenzdruck unter sieben musizierenden Geschwistern? Will jeder vor allem besser sein als alle anderen?
Nein, so ist das nicht. Wettbewerb würde ich das nicht nennen. Wir inspirieren uns gegenseitig und geben uns alle Ratschläge.
Gleichzeitig in der Ausbildung und im Business
Wie lang können Sie es ohne Cello aushalten?
Als ich jünger war und wir waren für zwei Wochen in den Ferien, da habe ich das Cello auch mal nicht mitgenommen. Jetzt aber, mit den Konzertverpflichtungen, ist das anders. Es gibt aber auch Monate, in denen ich nur für mich übe und nicht auf eine Auftritts-Deadline hinarbeite.
Sie sind gleichzeitig Student an der Londoner Royal Academy of Music. Ist das nicht sonderbar – einerseits noch in der Ausbildung, andererseits schon im Profi-Business?
In der Musik kann man so viel lernen, von wunderbaren Musikern kann man so viel lernen und sich weiterentwickeln. Und meine Lehrerin stellt mich immer wieder vor neue Herausforderungen. Als Solist gehe ich mit dem gleichen Willen zum Lernen auf die Bühne.
Die anderen Academy-Studenten wollen um jeden Preis auf das Niveau, wo Sie schon waren. Sorgt das nicht für Reibungen?
Meine Bekannten sind Menschen, die so viel Musik wie möglich entdecken wollen. Sie motivieren mich stark. Was ich abseits von Konzerten mache, ändert nichts an diesen Beziehungen.
Ich habe früher Klarinette gespielt und daher als Holzbläser keine Ahnung, also klären Sie mich auf: Wie ist es, physisch, Cello zu spielen? Sie umarmen Ihr Instrument ja fast.
Es ist ein überwältigendes Gefühl. Mir gefällt es, fast Teil des Instruments zu sein. Und dann dieser Ton, der so sehr nach Gesang klingt…
To-Do-Liste für das Cellospiel
Eine ebenso generelle wie gemeine Frage: Welche Pläne gibt es, und welche Träume?
Meine Pläne: Es gibt viele Stücke, die ich spielen möchte. Weiter auftreten, in der ganzen Welt. So viele Menschen wie möglich inspirieren.
Gibt es eine To-Do-List beim Repertoire?
Ganz weit vorn sind die Bach-Suiten. An denen arbeite ich schon eine Weile. Beethovens Cello-Sonaten…
Sie sind bei Auftritten nicht nervös, haben Sie in früheren Interviews gesagt. Ist das Fehlen von Lampenfieber gut oder schlecht, wenn man abends da raus muss in die Arena?
Ja, es ist eher eine Art Aufregung.
Eine Frage, die nicht so gemein gemeint ist, wie sie vielleicht klingt: Fühlen Sie sich als Profi-Musiker oder als Student, der gigantisches Glück gehabt hat?
Oft fühle ich mich wie ein Student, was bei meinem Alter und meiner Umgebung ja auch Sinn macht. Und wenn ich auftrete, fühle ich mich sehr wohl und möchte das für den Rest meines Lebens machen.
Wer waren die für Sie beeindruckendsten Musikerpersönlichkeiten, die Sie bislang getroffen haben?
Besonders beeindruckt hat mich der Cellist Steven Isserlis, ich habe ihm mehrere Male vorgespielt und seine Ratschläge waren immer großartig. Außerdem der Cellist Guy Johnston, der den BBC-Wettbewerb 2000 gewann und mit dessen Spiel ich gewissermaßen aufgewachsen bin.
Was am Musiker-Beruf geht Ihnen wirklich mächtig auf die Nerven?
Ich liebe alles…
… Glaube ich nicht…
"Im Flugzeug schlafe ich sofort"
… Okay… Frühes Aufstehen, das ist nicht meins. Aber sobald ich im Flugzeug bin, schlafe ich sofort.
Gibt es Pläne für weitere Aufnahmen?
Vor kurzem habe ich das Elgar-Konzert – das Stück, schuld daran ist, dass ich Musiker werden wollte – mit dem London Symphony Orchestra eingespielt, mit Sir Simon Rattle…
… DER Sir Simon Rattle?...
… und das war wirklich toll.
Hat er alles so gemacht, wie Sie es sich vorstellten, oder gab es Stellen, bei denen Sie ihm sagten, Sie hätten es lieber anders?
Nein. Und er war unglaublich unterstützend. Es war total befreiend, er hatte so viele wunderbare Ideen.
Als es um den Zugang von jungen Menschen zur Klassik ging, haben Sie haben einmal gesagt: „Klassische Musik ist nicht elitär. Das wirkliche Problem: Das kostet viel Geld.“
Teil des Problems ist auch, ihnen eine Begegnung mit dieser Musik zu ermöglichen. Wenn ich in Grundschulen gehe, um dort zu spielen, reagieren die Kinder ganz unmittelbar darauf. Oft ist es für sie das erste Mal. Sobald dieses Interesse besteht, sollte das Bildungssystem es Menschen ermöglichen, guten Instrumentalunterricht zu bekommen. Dieses Interesse verstärken. Das würde verändern, wie Klassik wahrgenommen wird.
Musik macht Erstaunliches mit dem Gehirn
Wenn ich nicht ich wäre, sondern der kleine Stevie, neun Jahre alt – wie würden Sie mir erklären, dass es eine gute Idee wäre, ein Instrument zu erlernen?
Weil das Beste daran die Freude ist, die man damit erleben kann, diese wundervolle, ausdrucksstarke Musik zu spielen. Weil man seine Persönlichkeit damit ausdrücken kann. Ich habe so viel durch Musik gelernt: Konzentration, Zuhören... Ich bin mir sicher, dass Musik erstaunliche Dinge mit dem Gehirn anstellt. Aber am tollsten ist: der Spaß.
Sheku Kanneh-Mason – die Empfehlungen
CD: „Inspiration“ Schostakowitsch 1. Cello-Konzert, Marley „No Woman, No Cry“, Cohen „Hallelujah“ u.a. City of Birmingham Symphony Orchestra, Mirga Grazinyte-Tyla (Decca, 7 Euro). Digitale Single: „Nimrod“ aus Elgars Enigma Variations, LSO, Sir Simon Rattle (Decca, 1,50 Euro)