Hamburg. Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht mit dem Hamburger Moderator über Zukunftspläne, Corona-Maßnahmen und den 65. Geburtstag.

podcast-image

In der vergangenen Woche ist er 65 Jahre alt geworden, in dieser Woche erscheint sein neues Album „Haltbar bis Ende“ – und in der Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Reinhold Beckmann darüber, wie er vom Moderator zum Musiker geworden ist, warum er aus dem Schicksal seiner vier Onkel ein Lied gemacht und wie vor wenigen Wochen ein Konzert vor Publikum (!) in Luxemburg gelaufen ist. Und natürlich geht es auch um das deutsche Fernsehen und seine besondere Beziehung zu Loki Schmidt, die ihm beim Abschied immer einen Kuss auf den Mund gegeben hat.

 Das sagt Reinhold Beckmann über …

… seinen 65. Geburtstag:

„Ich finde das mit der 65 eigentlich ganz entspannt, ein angenehmerer Geburtstag als vor fünf Jahren, als mir die Sechs am Anfang doch zu schaffen gemacht hat. Es ist mittlerweile eine neue Ruhe eingekehrt, auch dank der Gewissheit, dass man nicht mehr alles machen muss. Das normale Leben ist mir heute wichtiger als die dauernde mediale Präsenz. Und mit meiner Produktionsfirma beckground TV ist das Fernsehmachen ja immer noch auf meinem Schirm.“

… sein neues Leben als Musiker:

„Ich habe immer schon Musik gemacht, nur nicht in der Intensität wie jetzt. Mit 15 gab es die erste Gitarre, dazu ein charismatischer Musiklehrer in der Schule - damals habe ich sogar überlegt, Musik zu studieren. Musik war für mich immer ein Sehnsuchtsort. Zwei Musiker aus der Band von Ina Müller haben mir dann vor ein paar Jahren den entscheidenden Anstoß gegeben, sie waren besessen von der Idee, ich solle mal Songs schreiben. Mittlerweile ist daraus nicht nur ein großer Spaß geworden, sondern auch eine Erfüllung. Bis zum Lockdown haben wir zwischen 50 und 60 Konzerte im Jahr gespielt, und ich hoffe sehr, dass es bald wieder losgeht. Dieser direkte Kontakt zu den Menschen ist etwas Besonderes, Abend für Abend, das kann Fernsehen nicht.“

… ein Konzert in Luxemburg:

„Ich habe vor einem Monat ein Konzert in Luxemburg gespielt. Dort gibt es eine Kultur- und Justizministerin, die gesagt hat: So geht es nicht weiter, ab dem 15. Januar sind bei uns Konzerte unter Corona-Bedingungen wieder erlaubt. Die haben mich angerufen, und ich dachte erst, das sei ein Scherz. Dann bin ich nach Luxemburg gefahren, allein mit drei Gitarren, jeder vierte Platz im Theater durfte besetzt sein, und alle Zuschauer hatten eine Maske auf. Es war ein wunderbarer Abend, man hat die Freude der Menschen nach der langen kulturellen Durststrecke gespürt. Ich glaube, dass die ersten Konzerte auch bei uns ganz besondere Momente werden, dann wird die Anspannung der vergangenen Monate abfallen. Die 24 Stunden in Luxemburg waren jedenfalls für mich wie eine Reise ins Paradies.“

… die „Vier Brüder“:

„Das ist ein Song auf meiner neuen Platte über die Brüder meiner Mutter, die alle vier aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr nach Hause gekommen sind. Der jüngste war erst 16, als er kurz vor Kriegsende noch eingezogen wurde. Er hatte sich im Keller vor den Feldjägern versteckt, heulend vor Angst. Sie haben ihn abgeholt, und ein paar Wochen später kam er zurück - in einer Holzkiste. Meine Mutter hat die Erinnerung an ihre Brüder immer hochgehalten, Weihnachten war es, als würden sie noch mit bei uns am Tisch sitzen. Leider habe ich meiner Mutter den Song nicht mehr vorspielen können. Es gibt Texte, die schreibt man in kurzer Zeit, aber dieser hat seine Zeit gebraucht.“

… Udo Lindenbergs Auftritt in der DDR, bei dem er als 27-Jähriger dabei war:

„Ich durfte Udo Lindenberg 1983 bei seinem legendären Auftritt im Palast der Republik in Ost-Berlin als Kameraassistent begleiten. Stargast der FDJ-Friedensveranstaltung war eigentlich Harry Belafonte, und ich kann mich noch an eine Szene in der Garderobe von Udo erinnern, als Harry Belafonte reinkam, den Arm um ihn legte und sagte: „Udo, um ehrlich zu sein: Du bist der wirkliche Star heute Nacht. Das ist dein Abend.“ In der BRD haben viele das Konzert und alles, was Udo damals in Richtung DDR gemacht hat, als Anbiederung empfunden. Im Grunde genommen hat Udo mit diesem Konzert aber schon damals – sechs Jahre vor dem Mauerfall - ein paar Löcher in die Mauer gehauen.“

… das Ende seiner Talkshow „Beckmann“:

„Nach fast 16 Jahren war es genug. Meine Entscheidung aufzuhören hatte auch damit zu tun, dass damals der NDR-Intendant Marmor eine Debatte über zu viele Talkshows angestoßen hatte – eine Debatte, die heute keiner mehr führen würde. Schon damals habe ich mich nach etwas Neuem gesehnt. Ich gestehe, es gibt Tage, da habe ich einen kleinen Phantomschmerz, weil ich glaube, dass das lange, ausführliche Interview mit Gästen, das damals bei uns möglich war, heute zu selten stattfindet. Man sieht jetzt am Erfolg von Markus Lanz, dass tiefergehende Einzelgespräche die Menschen mehr abholen als die oft zu gleich besetzten Diskussionsrunden.“

Reinhold Beckmann und Loki Schmidt konnten herrlich zusammen herumalbern.
Reinhold Beckmann und Loki Schmidt konnten herrlich zusammen herumalbern. © Unbekannt | Andreas Laible

… seine besondere Beziehung zu Loki Schmidt:

„Ich war bei den Schmidts oft zu Hause, was weniger etwas mit Helmut als mit Loki zu tun hatte. Wir mochten uns sehr und konnten herrlich albern sein. Sie war öfter bei mir in der Sendung, daraus entstand eine Freundschaft, und Loki sagte irgendwann zu mir: „Reinhold, du bist jetzt mein Sohn“. Da durfte man nicht widersprechen. Wir sind ab und an essen gegangen, ich habe sie dann in Langenhorn abgeholt, und sie hat gesagt: „Reinhold, heute hätte ich Lust mal wieder ins Vier Jahreszeiten zu gehen.“ Und dann sind wir los, das war ein großer Spaß. Loki hat meinen Käfer ganz schön vollgequarzt ...“

… Fußball und Kultur in Zeiten von Corona:

„Die Fußballer sind ganz schön privilegiert. Wenn ich die Bundesliga mit dem Kulturbereich vergleiche, dann muss ich feststellen: Die Kultur hat bei Weitem nicht die Unterstützung der Politik erfahren wie der Profi-Fußball. Die Kulturstätten waren die Ersten, die raus waren, und werden wahrscheinlich die Letzten sein, die wieder aufmachen dürfen. Das kann nicht sein, da gehen im Moment viele Biografien kaputt, ich kenne Musiker, die darüber nachdenken, ob sie nicht grundsätzlich etwas anderes in ihrem Leben machen sollten.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Wenn Lockerungen möglich sind, müssen auch die Kultureinrichtungen dabei sein. Dass Theater, Konzertbühnen und Museen erst ganz am Ende kommen, kann nicht sein. Kultursenator Carsten Brosda hat ja noch drei Tage vor dem letzten Lockdown gesagt: ,Der sicherste Platz ist das Theater.‘ Recht hat er. Also: Hamburg, mach die Theater auf!“

… seinen Umzug von Winterhude nach Ottensen:

„Ich habe lange in Winterhude gelebt und bin vor einem Jahr nach Ottensen gezogen, das ist wie ein Umzug in eine andere Stadt. Ich wohne in einer Fabriketage. Einraumwohnung, Küche mit integriertem Proberaum. Der große Vorteil: Ich kann da Musik machen, wann und so laut ich will. Man muss ab und an mit sich ins Risiko gehen und seine Lebensgewohnheiten überdenken. Jetzt lerne ich endlich den Hamburger Westen richtig kennen.“

… die immer gleichen TV-Gesichter:

„Ich glaube, dass das ZDF in den vergangenen Jahren ein bisschen mutiger war als die ARD, wenn es darum ging, neuen Formaten und neuen Gesichtern eine Chance zu geben. Der Erfolg gibt dem ZDF recht. Das ZDF ist schneller, jünger, moderner geworden. Dabei könnte man in den dritten Programmen der ARD sehr gut Talentförderung betreiben. Man sollte einem neuen Format auch mal mehr Zeit geben als nur zwei oder drei Folgen, und nicht gleich mit dem Sparstrumpf drohen. Gutes Fernsehen braucht immer ein bisschen Anlauf.