Hamburg. Kurz die Welt retten: Lars Haider spricht im Podcast mit dem Drogeriemarkt-Pionier über sein Buch, Fleischkonsum und schwarze Schwäne.

Dirk Rossmann ist einer der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Unternehmer – und trotzdem wird es in dieser Folge von „Entscheider treffen Haider“ nicht mit einem Wort um seine Drogeriekette gehen.

Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht mit dem 74-Jährigen über die Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe, die große Frage unserer Zeit. Rossmann hat in einem Buch eine Antwort darauf gefunden, die mindestens so irre wie spannend ist…

Das sagt Dirk Rossmann über…

…einen Traum, der sein Leben in diesem Jahr geprägt hat:

„Im Dezember 2019 bin ich über einen Zeitraum von 14 Tagen jede Nacht um vier Uhr aufgewacht, und habe in einer geheimnisvollen Traumwelt die Idee zu diesem Buch gehabt. Danach hatte ich einen Zwang, es zu schreiben, ich stand richtig unter Druck. Dieses Buch ist weniger aus meinem Kopf als aus meinem Bauch oder Herzen heraus entstanden.

Seit ich im Januar mit dem Schreiben angefangen habe, hatte ich nur noch dieses Thema im Kopf. Ich habe mit sechs Rechercheuren zusammengearbeitet, die mir sehr viele Informationen aus der ganzen Welt geliefert haben. Es war anstrengend und belastend, gerade in der ersten Phase, als ich über die aktuelle Klimasituation geschrieben habe. Ich habe eine Magenschleimhautentzündung bekommen, es ging mir gar nicht gut. Aber in der zweiten Phase wurde es fröhlicher, positiver, das war mir wichtig: Die Zukunft muss nicht düster sein, wenn wir entschlossen handeln.“

…die unendlichen Diskussionen über den Klimawandel:

„Ich erlebe, dass seit 20 Jahren unendlich viele Informationen über den Klimawandel vorliegen und ausgetauscht werden. Es gibt Klimakonferenzen und Absichtserklärungen. Aber wenn man bedenkt, dass viele Klimakipp-Punkte schon bald erreicht sind, stehen wir so sehr unter Zeitdruck, dass das alles nicht mehr reicht. Die Menschheit hat anscheinend immer noch nicht begriffen, an welchem Punkt wir stehen. Wir leben einfach so weiter, als ob gar nichts wäre, und gefährden damit auf das Dramatischste die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder.

,Der neunte Arm des Oktopus’ ist meine Antwort auf die Problematik dieser Zeit. Ich habe mich gefragt: Was wäre eigentlich, wenn die drei mächtigsten Länder der Welt, wenn China, die USA und Russland, sich nicht mehr gegenseitig beäugen, sondern zusammenarbeiten würden - und gemeinsam die drei großen Themen der nächsten zehn Jahre angehen: Abrüstung, Einhaltung des Klimaziels, Begrenzung der Weltbevölkerung. Anders geht es nicht, man muss das Unmögliche denken. Ja, ich finde es unerträglich, dass sich Wladimir Putin mit Männern wie Lukaschenko und Assad gemein macht, da verhält er sich völlig falsch. Aber darüber hinaus ist er ein intelligenter Mann, das gleiche gilt bei Xi Jinping. Bei beiden halten ich eine Entwicklung für möglich.“

…eine Klima-Allianz aus Russland, China und den USA:

„Das hört sich aus heutiger Sicht natürlich wie ein Märchen an. Denn es müssten sich autoritäre Politiker wie Putin oder Xi Jinping radikal verändern. Aber wenn diese dramatische Veränderung ausbleibt, möchte ich nicht wissen, in welcher Klimasituation wir in zehn oder 15 Jahren sind. Mein Buch ist eine Ermahnung an die Politik, dass es so nicht weitergehen kann. Darin setzen sich auf Initiative von China, den USA und Russland 300 Wissenschaftler zusammen und überlegen, was zu tun ist. Dabei wird auch die Frage diskutiert, ob es ethisch zu verantworten ist, militärische Mittel gegen jene Staaten einzusetzen, die den Bestand der Welt gefährden.

Ich würde sagen: Wenn ein Mensch dabei ist, sich die Lunge herauszureißen, würden wir doch auch eingreifen, weil das Selbstmord wäre. Die These im Buch ist: Man braucht im Zweifel auch eine Drohkulisse, um Länder, die weiter gegen den Klimaschutz verstoßen, zum Einlenken zu bringen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, lösen wir unsere ernsten Probleme nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Menschheit, die einen Beethoven und einen Kant hervorgebracht hat, so unendlich dumm ist, alles aufs Spiel zu setzen.“

…die Corona-Krise:

„Ich habe schon Anfang des Jahres in Gesprächen mit Freunden vorhergesagt, dass es in der Zeit von 2020 bis 2030 mehrere schwarze Schwäne geben wird – also Ereignisse, die kein Mensch auf der Welt für möglich hält. Ich wusste damals nichts von Corona. Aber von der Idee, dass unsere Geschichte anders verlaufen kann und wird, als sich die meisten Menschen das vorstellen, davon bin ich zutiefst überzeugt. Und jetzt ist der erste schwarze Schwan gekommen, denn Corona war für uns alle in diesem Ausmaß doch unvorstellbar.“

…Verzicht auf Fleisch:

„Weniger Fleisch zu essen, wird extrem wichtig sein. Vor allem der Verzehr von Rindfleisch ist schuld daran, dass unendlich viele Regenwälder gerodet und abgeholzt werden. Es wird Limitierungen geben müssen, weil wir sonst das Klima und die Welt nicht werden retten können. Greta Thunberg hat völlig Recht, dass wir etwas tun müssen.“

…neue Werte:

„Dieses Gehetzte, dieses Getriebene, dieses Streben nach immer mehr muss enden, das bringt die Menschheit nicht mehr weit. Wir müssen uns auf Werte wie Menschlichkeit, Vertrauen und Miteinander besinnen, das wird die Menschen auch glücklicher und zufriedener machen als die ewige Suche nach dem goldenen Kalb.“

…die verschiedenen Schauplätze, an denen seine Klima-Utopie spielt:

„Ich wollte damit zeigen, dass es in einem Teil der Welt Menschen gibt, die extrem viel Kohlendioxid verbrauchen, und Menschen in einem anderen Teil extrem darunter leiden. In diese Entwicklung müssen wir eingreifen. Wenn wir jetzt das richtige tun, werden auch Menschen in 80 oder 100 Jahren ein glückliches Leben führen können. Deshalb lasse ich in meinem Buch auch Menschen aus dem Jahr 2100 auf die turbulenten 2020er-Jahre zurückblicken.“

…das Dilemma der Politiker:

„Schon Plato hat gesagt, dass Menschen lieber das tun, was angenehm ist, als das, was gut ist. Politiker sind in einer schwierigen Lage: Denn sie werden nur gewählt, wenn sie den Menschen eine bessere Zukunft versprechen. Ein Politiker, der von den Bürgern Verzicht und Entbehrungen fordert, damit die Welt gerettet werden kann, würde wahrscheinlich gar nicht gewählt werden.“

…Christian Wulff:

„Er ist ein enger Freund, mit dem ich sehr viel über Politik rede. Er hat mir bei dem Buch stark geholfen, er war einer der zehn, zwölf wichtigsten Gesprächspartner bei dem Projekt. Christian war einer der ersten, der das Buch gelesen hat, und er ist übrigens auch der Meinung, dass etwas Eruptives passieren muss.“

…die Fortsetzung:

„Ich habe die Fortsetzung fertig im Kopf. Ich arbeite bereits dran. Mein erstes Buch endet 2025 mit der Gründung einer Weltregierung. Für die Jahre danach stellt sich die Frage, wie mehr als 200 Staaten auch jenseits der Klimathemen vertrauensvoll zusammenarbeiten können.“