Der alte CDU-“Hase“ und sein Hamburger Unterstützer Christoph Ploß über die Entwöhnung von Angela Merkel, die US-Wahl und Corona.
Der eine will Chef der Bundes-CDU werden, der andere ist gerade zum neuen Landesvorsitzenden in Hamburg gewählt worden. Lars Haider hat Friedrich Merz und dessen Unterstützer Christoph Ploß zu einer Extrasendung des Podcasts „Entscheider treffen Haider“ getroffen. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider sowie in diesem Artikel direkt unterhalb der Überschrift.
Herr Merz, Sie sind viel unterwegs in diesen Tagen im Land, treffen viele CDU-Mitglieder: Wie ist die Stimmung in der Partei?
Merz: Die Stimmung in der Partei ist insgesamt gut. Aber zwei Faktoren spielen eine wichtige Rolle: Corona und der ziemlich lang andauernde Prozess um die Neuwahl unseres Vorstandes und insbesondere des Vorsitzenden.
Der zu lang ist?
Merz: Er ist lang, und er sollte nicht länger dauern als bis zum 4. Dezember. Das Ziel aller Beteiligten ist, dass die Wahl an diesem Tag stattfindet, in welcher Form auch immer.
Herr Ploß, kann man sagen, dass ein Besuch in Hamburg für Friedrich Merz ein Heimspiel ist? Die Hamburger CDU hat sich klar für ihn als Vorsitzenden ausgesprochen.
Ploß: Wir haben bisher keinen offiziellen Beschluss gefasst, aber ich nehme aus dem Landesverband sehr viele Stimmen wahr, die Friedrich Merz unterstützen. Ich selbst habe mich bereits vor meiner Wahl zum Landesvorsitzenden dafür ausgesprochen, dass er unser neuer Bundesvorsitzender wird.
Was hat Friedrich Merz, was Armin Laschet und Norbert Röttgen nicht haben?
Ploß: Wir haben drei hervorragende Kandidaten und sollten positiv übereinander sprechen. Ich unterstütze Friedrich Merz, weil er beispielsweise die Klimaschutzziele nicht durch Verbote oder Bevormundung erreichen möchte, sondern durch Investitionen in neue klimafreundliche Technologien. Und gerade nach der Corona-Krise wird es auf jemanden ankommen, der Wirtschafts- und Finanzkompetenz hat. Und die hat Friedrich Merz.
Insgesamt, Herr Merz, lässt sich sagen, dass Sie gerade von jungen CDU-Mitgliedern gefeiert werden – und das, obwohl Sie der älteste der drei Kandidaten sind.
Merz: Wahr ist, dass ich einen großen Zuspruch bei der Jungen Union und jungen Menschen bekomme. Ich glaube, ich bin in der Lage, deren Sprache zu sprechen, ohne mich anzubiedern. Und wenn ich bei jungen und alten Leuten mit meiner Rhetorik Begeisterung auslöse, dann freut mich das natürlich.
Herr Ploß, ist der eigentliche Favorit der jungen CDU-Mitglieder nicht Jens Spahn?
Ploß: Die Frage stellt sich für mich nicht, weil er nicht antritt. Jens Spahn genießt genau wie Friedrich Merz hohe Wertschätzung vor allem bei jungen CDU-Mitgliedern.
Herr Merz, Sie liegen in Umfragen sowohl was den CDU-Vorsitz als auch die Kanzlerkandidatur angeht vorn – zumindest so lange, wie den Befragten nicht auch Jens Spahn und Markus Söder zur Auswahl gestellt wird. Können Sie mir mal den Hype um Söder erklären, dessen Corona-Zahlen in Bayern bei weitem nicht so gut sind wie seine Umfragewerte?
Merz: Ich versuche mal eine Erklärung. Markus Söder ist von Anfang an eine sehr vorsichtige und stringente Linie gefahren, gleichzeitig hat sein Auftreten in der Öffentlichkeit ein gewisses Führungsverhalten demonstriert. Und die Menschen wollen in unsicherer Zeit Führung, das kommt gerade jetzt gut an.
Wie finden Sie beide insgesamt die Strategie Söders, die stark auf Angstmachen, Drohen und Strafen setzt?
Ploß: Wir müssen in den nächsten Wochen noch stärker lernen, mit dem Virus zu leben.
Merz: Ist es Angstmachen, was Markus Söder tut? Er und die Bundeskanzlerin sind wirklich besorgt. Ich bin auf der Seite der Vorsichtigen. Wir sollten im Zweifel lieber etwas mehr tun, um im Kampf gegen die Pandemie weiter zu den Erfolgreichen zu gehören.
Herr Merz, Sie haben bei ihren Wahlkampf-Auftritten immer einen Punkt, den viele noch nicht richtig wahrnehmen, der aber entscheidend für die Zukunft der CDU und die Bundestagswahl ist – nämlich, dass Angela Merkel bald nicht mehr da ist. Was heißt das für die Suche nach einem Parteivorsitzenden?
Merz: Wir gewöhnen uns in der Partei erst langsam und zögerlich daran, dass wir in Zukunft ohne Angela Merkel auskommen müssen. Die CDU möchte keinen Bruch mit dieser Zeit, die Generation von Abgeordneten, die den langen Weg mitgegangen ist, will nicht delegitimiert werden. Und das wird es mit mir auch nicht geben. Richtig ist es zu sagen: Wir haben eine erfolgreiche Zeit gehabt, Deutschland steht nach 16 Jahren Merkel gut da. Und trotzdem müssen wir für die nächsten zehn Jahren eine Antwort darauf geben, wohin sich das Land bewegen soll.
Norbert Röttgen könnte für den Fall, dass er CDU-Vorsitzender wird, auch mit einem anderen Kanzlerkandidaten leben, also mit Markus Söder, wie ist das bei Ihnen?
Merz: Die CDU wählt am 4. Dezember ihren neuen Vorstand und die Vorstände von CDU und CSU werden danach gemeinsam entscheiden, mit welchem Kanzlerkandidaten sie in den Bundestagswahlkampf gehen. Ich möchte, dass sich beide Parteien als gleichberechtigte Partner verstehen. Wir werden uns einig werden.
Ploß: Wir haben alle unsere Lehren aus dem Jahr 2018 gezogen, wo es fast zum Bruch zwischen CSU und CDU gekommen wäre. CDU und CSU werden geschlossen in den Wahlkampf gehen.
Es ist natürlich durchaus möglich, dass uns die gesundheitlichen Folgen der Pandemie auch noch kurz vor der Bundestagswahl 2021 beschäftigen. Wahrscheinlicher ist, dass es um die wirtschafts- und finanzpolitischen Folgen der Krise geht.
Merz: Die Analyse teile ich. Wir werden eine große Zahl von Insolvenzen und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit sehen. Wir haben es bis jetzt immer geschafft, aus solchen Situationen herauszukommen. Das wird uns auch diesmal gelingen, aber es wird länger dauern.
Ploß: Das ist eines der zentralen Argumente, das aus meiner Sicht für Friedrich Merz spricht. Die Menschen werden wissen wollen, wie ihre Arbeitsplätze gesichert werden und wo neue Arbeitsplätze entstehen. Durch Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und in erneuerbare Energien können wir in Deutschland neue Arbeitsplätze schaffen und Klimaschutz zum Exportschlager machen.
Herr Merz, ein weiterer Punkt auf Ihrer Agenda ist die Generationengerechtigkeit. Kann man die, nach all dem, was wir aktuell gerade an finanziellen Problemen auf folgende Generationen verlagert haben, überhaupt noch herstellen?
Merz: Ich halte es für richtig, dass wir jetzt Geld in die Hand nehmen, um die aktuellen Probleme zu lösen. Aber das Geld muss dort ausgegeben werden, wo morgen Arbeitsplätze entstehen. Die riesigen Rettungspakete müssen überall in Europa vor allem den jungen Generationen zugutekommen.
Kann man mit Generationengerechtigkeit in einer konservativen Partei Wahlkämpfe gewinnen?
Ploß: Die CDU hat immer dann Wahlen gewonnen, wenn sie generationsübergreifend gedacht hat. Es wäre ein schwerer Fehler, junge Generationen zu vernachlässigen, nur weil sehr viele Wähler über 60 sind.
Merz: Wir sollten nicht nur mathematisch gucken, ob es genügend Wähler gibt, für die Generationengerechtigkeit ein großes Thema ist. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder, die viele Eltern und Großeltern ernstnehmen, und die deshalb für mich und meine Botschaft auch politisch erreichbar sind: Wir haben 70 Jahre lang viel erreicht, einen großen Wohlstand, aber jetzt müssen wir auch mal darauf achten, dass das nachhaltig wird.
So gesehen wäre es nicht verkehrt, wenn wir mal wieder einen Kanzler hätten, der Kinder hat.
Merz: Das kann jedenfalls ein starker Antrieb sein. Mein Denken wird enorm stark von meinen Kindern und ihren Lebensumständen geprägt.
Wie kommt Friedrich Merz bei den Frauen an?
Ploß: Ich bekomme da sehr positive Rückmeldungen.
Aber es gibt Kritik, dass sich diesmal nur drei Männer um den Posten des Vorsitzenden bewerben.
Ploß: Wir haben als CDU ja nun wirklich gezeigt, dass wir an der Spitze ganz starke Frauen haben können. Außerdem kann sich ja auch eine Frau um den Vorsitz der Bundespartei bewerben.
Herr Merz, Frau ist ein gutes Stichwort: Zur Vorbereitung dieses Gesprächs haben ich viele Filme und Auftritte von Ihnen angesehen – und Sie vor kurzem einmal ganz anders erlebt, als man Sie sonst erlebt: Das war bei einer Wanderung mit ihrer Frau, bei der Sie RTL begleitet hat… Wie wichtig ist es, einen Politiker auch in seinem privaten Umfeld kennenzulernen?
Ploß: Ich persönlich halte mein Privatleben aus der Politik heraus. Aber ich habe den Film auf RTL auch gesehen, und fand ihn sehr charmant.
Merz: Meine Frau und ich haben so etwas noch nie gemacht, und wir haben uns das gut überlegt. Meine Frau hat gern mitgemacht, weil sie der Meinung war, dass wir den Menschen in Deutschland auf diesem Weg mal eine Seite von mir zeigen können, die sie nicht kennen.
Norbert Röttgen war auch in ungewohnter Rolle im Fernsehen, in der „heute-Show“. Moderator Oliver Welke hat gesagt, er habe Sie und Armin Laschet auch eingeladen. Warum sind Sie nicht hingegangen?
Merz: Ich habe Vorbehalte, in solche Sendungen zu gehen, denn ich möchte nicht, dass Politik in Comedy abgleitet. Diese Gefahr ist immer da. Bei Norbert Röttgen ist das zwar nicht passiert, allerdings kann das in Sendungen wie dieser auch anders ausgehen.
Herr Merz, Sie waren lange Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Zur US-Wahl und Trump: Alle denken, dass er diesmal verliert – und könnten sich wieder irren?
Merz: Es kann Überraschungen geben. Die Chancen von Biden sind besser als die von Hillary Clinton vor vier Jahren. Trotzdem wage ich keine Prognose und würde auch keine Wette eingehen.
Kann man als deutscher Politiker irgendetwas von der Strategie Trumps lernen?
Ploß: Insbesondere Trumps Stil finde ich inakzeptabel, aber es gibt da schon zwei Punkte: Der eine ist der Umgang mit den sozialen Medien. Trump hat es darüber geschafft, eine enorme Reichweite aufzubauen. Darüber hinaus hatte er den Mut, Debatten zu führen, die sich andere nicht getraut haben.
Merz: Wenn wir seinen rüden Umgangston von dem trennen, was er politisch bewirkt hat, müssen wir sagen: Er hat nicht alles falsch gemacht. Die Tatsache, dass die USA selbstbewusster gegenüber China aufgetreten ist, hat eine Reihe von Vorteilen gebracht. Trump hat auch im Mittleren Osten einiges bewirkt. Ich bleibe trotzdem in meinem Gesamturteil kritisch: Dieser Präsident hat der politischen Kultur nicht gutgetan, die Demokratie in den USA ist aus den Fugen geraten. Das sollte für uns kein Vorbild sein.