Hamburg. Bei „Entscheider treffen Haider“ spricht der Theaterchef über Männerfreundschaft, die Lizenz 007 und einen Familienbetrieb.

Er betreibt zwei der schönsten und ältesten Theater Hamburgs, ach was, Deutschlands: Thomas Collien ist der Chef vom St. Pauli Theater und seit gut einem Jahrzehnt auch vom Hansa-Theater – und einer, von dem man gar nicht so viel weiß, außer, dass er neben seiner Frau noch eine große Liebe hat: Ulrich Waller, seinen künstlerischen Partner.

Bei „Entscheider treffen Haider“ spricht Collien über die ungewöhnliche Männerfreundschaft, die Lizenz 007 und einen Familienbetrieb, in dem er wahrscheinlich die letzte Generation ist. Ach ja, und um Theaterspielen mit An- und Abstand geht es natürlich auch. Das komplette Gespräch hören Sie unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Thomas Collien über …

…seinen Wunsch, Schauspieler zu werden, und den Einstieg ins Familienunternehmen:

„Früher dachte ich, ich kann selbst Schauspieler werden, am Ende war mein Respekt vor der Bühne aber zu groß. Heute bin ich froh, dass ich spielen lassen kann. Nach Abitur, Bund und Handelsschule und einem kurzen Abstecher in die Plattenbranche wusste ich erst nicht so recht, was ich machen sollte. Ich hing ein bisschen in der Luft, habe eine Urlaubsvertretung in der Konzertdirektion meines Vaters begonnen und zwei Jahre zusätzlich abends Kulturmanagement studiert. Daraus sind inzwischen 30 Jahre geworden. Mich hat das Theater immer mehr interessiert und fasziniert, je älter ich wurde.“

…seinen Job als Bodyguard:

„Ich habe schon zu Jugendzeiten viel in der Konzertdirektion Collien und im Theater gejobbt. Ich habe an der Kasse gesessen, Programme verkauft. Ich war Fahrer und sogar Bodyguard. Nicht, weil ich das besonders drauf habe, sondern damit die Firma Geld sparen konnte. Ich habe zum Beispiel Larry Hagman (JR Ewing) mal gefahren und war gleichzeitig sein Leibwächter.“

…die Gründung der Konzertdirektion Collien:

„Mein Großvater Kurt hat die Firma 1932 gegründet und sieben Jahre später ein Berufsverbot erhalten, weil er mit jüdischen Musikern gearbeitet hat. Nach dem Krieg hat er die Lizenz 007 für Veranstaltungen bekommen. Seinerzeit war er einer der ganz großen Impressarios. Er hat u.a. Maria Callas, Mahalia Jackson, Ella Fitzgerald, Marlene Dietrich und die Beatles engagiert, die Großen der Zeit. Er war bekannt dafür, dass ein Handschlag reichte, um mit ihm Geschäfte zu machen.“

…die ersten Musicals in Hamburg:

„Es ist eine Mär, dass Stella, Stage oder sonst wer die Musicals nach Hamburg geholt haben. Das war mein Großvater Kurt, der im Theater am Besenbinderhof schon „West Side Story“ aufgeführt und von 1960 bis 1970 das Operettenhaus betrieben hat. Dort gab es damals die komplette Palette von Operetten bis Musicals.“

…Subventionen:

„Mein Vater und mein Großvater wollten kein Geld von der Stadt haben. Mein Großvater hat das Operettenhaus 1970 verlassen und ist ins St. Pauli Theater gegangen, weil Hamburg damals nicht zu einer Ausfallbürgschaft bereit war. Ich sehe das mit den Subventionen inzwischen anders. Eine bestimmte Programmatik kann man einfach nicht unsubventioniert spielen. Je anspruchsvoller das Programm, desto schwieriger ist es, das Publikum ins Theater zu holen. Für ein bestimmtes Niveau braucht man Unterstützung, das lässt sich privatwirtschaftlich allein nicht tragen. Ein Privattheater ist letztlich mehr Liebhaberei als ein Geschäft. Aber wir sind in der glücklichen Lage, dass wir auch andere Sachen machen. Etwa das Hansa-Theater oder das Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“, das sind lukrative Veranstaltungen.“

…seine besondere Beziehung zu Uli Waller, dem künstlerischen Leiter des St. Pauli Theaters:

„Viele haben uns prophezeit, dass das mit uns vielleicht zwei, maximal drei Jahre gut geht. Inzwischen sind wir das doppelte Lottchen. Kennengelernt haben wir uns vor 17 Jahren. Uli arbeitete damals in den Kammerspielen und war dort unzufrieden. Ich hatte seine Inszenierung über die Gebrüder Wolf, die bekannten Hamburger Sänger, gesehen, die mir sehr gut gefallen hat. Und ich hatte den Eindruck, dass die Produktion besser auf den Kiez passen würde. Deshalb habe ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hat, mal vorbeizukommen. So haben wir uns kennen- und liebengelernt und seitdem viel Spaß gehabt – auch wenn nicht immer alles kommerziell erfolgreich war.“

…den Kauf des St. Pauli Theaters:

„Das Haus gehörte, verwaltet von der Sprinkenhof AG, der Stadt. Als ich sah, dass es langsam sanierungsbedürftig wurde, habe ich mir gedacht: Ich stecke da doch nicht noch mehr Geld rein, wenn es mir gar nicht gehört. Deshalb habe ich es 2006 gekauft, mit der Auflage, es zu sanieren und hier Theater zu spielen. Alles andere ist bis heute ausgeschlossen. Mir ist es wichtig, dieses Denkmal aus dem Jahr 1841 zu erhalten, ich habe in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Euro da reingesteckt. Es macht mich stolz, sagen zu können, dass mir ein Theater gehört.“

…das Hansa-Theater:

„Zu kaufen war leider bloß der gesamte Hansa-Block auf St. Georg, der hätte 21 Millionen Euro gekostet. Und da hat mir die Kreativität gefehlt, wie ich das hätte finanzieren sollen. Wir betreiben das Hansa-Theater jetzt seit zwölf Jahren, die Hamburger lieben es. Und wir würden gern im Oktober in unsere 13. Spielzeit gehen, haben aber bisher nur ein Zehntel der Karten verkauft wie vor einem Jahr. Wir wollen die nächsten Mitteilungen des Senats zu Corona-Maßnahmen abwarten und spätestens Mitte August entscheiden, was wir machen. Vielleicht spielen wir mit weniger Zuschauern, und es gibt Entschädigungen von der Stadt. Vielleicht kann man die einzelnen Zuschauerboxen auch mit Plexiglas voneinander abtrennen. In der Bürgerschaft geht das ja auch.“

…die Künstler:

„Wir haben als erstes versucht, sie finanziell aufzufangen. Dabei hat uns unser Förderkreis mit seinen rund 500 Mitgliedern sehr geholfen, etwas für diejenigen zu tun, die nicht einmal ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Es ist eine beachtliche Summe zusammengekommen, mit der wir in vielen Fällen helfen können. Wir wollen jetzt bald wieder mit den Künstlern proben, es gibt ja Stücke, die auch mit Abstand auf der Bühne spielbar sind. Es haben uns auch mehrere Schauspieler signalisiert, dass sie bereit wären, in Quarantäne zu gehen, um distanzloses Theater spielen zu können.“

…Auswege aus der Corona-Krise:

„Wir bräuchten mal einen Superspreader für die Kultur, einen, der unbegrenzt Optimismus versprüht und sagt, wie es gehen kann, Theater und Corona. Dass wir nicht wissen, was kommt, dass sich die Ansagen alle paar Wochen ändern, das zermürbt. Ich war selten so müde wie im Moment, habe oft nachts wach gelegen und gegrübelt. Das Nachdenken über die Zukunft strengt echt an, aber wir werden das weiter tun, weil wir das Team retten wollen, die Häuser und uns letztlich damit auch. Durchhalten ist die Devise. Wir wollen spätestens im September wieder loslegen.“

…die Zukunft des Familienunternehmens, das er in dritter Generation führt:

„Dass meine Kinder es eines Tages übernehmen, bezweifele ich, weil die beruflich etwas ganz anderes machen und ich sie auch nicht nötigen will, diesen Job weiterzuführen. Ich bin zwar traditionsbewusst, möchte das aber nicht von meinen Kindern verlangen und freue mich sehr, dass sie Freunde an ihren Berufswegen haben. Meine Tochter studiert Medizin in Wien, mein Sohn studiert Politikwissenschaften in Potsdam. Die wollen woanders hin, und das ist auch völlig in Ordnung.“

…die Konkurrenz zum Schmidt-Theater in unmittelbarer Nachbarschaft auf dem Kiez:

„Ich sehe die Nachbarn nicht als Konkurrenz. Die machen eine andere Art von Theater, wesentlich mehr Unterhaltung und vielleicht auch mal Trash. Uli Waller und ich haben so einen Slogan: Wie intelligent darf gute Unterhaltung auf dem Kiez sein? Und genau das versuchen wir zu beweisen...“