Hamburg. Brigitte Engler über die Wochen, in denen die Innen- eine Geisterstadt war und über das neue Shoppingverhalten der Menschen.
Die Geschäfte waren die Ersten, die in der Corona-Krise wieder öffnen durften. Und trotzdem sind sie, gerade in der Hamburger Innenstadt, noch weit entfernt von einem Zustand, den man zumindest in Ansätzen normal nennen könnte. City-Managerin Brigitte Engler spricht in der neuen Folge von Entscheider treffen Haider über Verkäuferinnen mit Masken, die Abhängigkeit Hamburgs von Touristen – und über Läden, die nicht wieder öffnen werden.
Das sagt Brigitte Engler über …
… den Shutdown der Hamburger Innenstadt:
„Ich werde nie vergessen, wie ich am 17. März alle unsere Mitgliedsunternehmen anschreiben und ihnen mitteilen musste, dass die Geschäfte in der Innenstadt geschlossen bleiben müssen. Das haben wir alle nicht für möglich gehalten.“
… die Geschäfte, die während der gesamten Zeit geöffnet bleiben durften, wie etwa Supermärkte:
„Die hatten es auch sehr schwer in den vergangenen Wochen. Es war von einem auf den anderen Tag so, dass die City aussah wie eine Geisterstadt. Wie eine Kulisse für einen Film. Ich bin durch die Straßen gegangen und habe zum Teil keinen Menschen getroffen. Das heißt: Die Läden, die geöffnet bleiben durften, hatten viel, viel weniger Kunden als zu normalen Zeiten.“
… die Abhängigkeit der Innenstadt von Nicht-Hamburgern:
„Touristen machen mindestens 25 Prozent der Umsätze aus, die in der City erzielt werden. Dazu kommen die Kunden aus der Metropolregion. Ich konnte verstehen, dass die Bundeskanzlerin Sorgen hatte, die Geschäfte zu öffnen, weil sie einen Ansturm auf die Innenstädte befürchtete. Nur: Bei uns ist das anders. Wir leben von den Touristen, eine Wohnbevölkerung gibt es im Zentrum Hamburgs quasi nicht. Wir haben im Moment nur 20 Prozent der Frequenz, die wir vor Corona hatten. Die Kunden sind verunsichert, das Shoppingerlebnis leidet unter der Maskenpflicht, in Busse und Bahnen trauen sich im Moment auch viele nicht. Bisher sind 75 Prozent unserer Kunden mit dem ÖPNV gekommen, im Moment kommen sehr viele mit dem Fahrrad und dem Pkw.“
… die Maskenpflicht:
„Ich höre, dass es dem Verkaufspersonal extrem schwer fällt, den ganzen Tag durch die Masken zu atmen. Die müssen sich immer im Wechsel zurückziehen, die Masken abnehmen und mal tief durchatmen. Die Kunden sind wahnsinnig diszipliniert und tragen alle Masken, da gibt es überhaupt keine Probleme.“
… Homeoffice:
„Wir mussten in den vergangenen Wochen auch auf die vielen Menschen verzichten, die sonst in der Innenstadt gearbeitet, hier gegessen und eingekauft haben. Und ich befürchte, dass wir uns daran gewöhnen müssen, dass in der City künftig weniger Angestellte sein werden. Homeoffice hat sich etabliert, wir erleben gerade alle, wie gut das mit Videokonferenzen funktioniert.“
… die ersten Geschäfte, die aufgeben:
„Die ersten Geschäfte haben mich jetzt darüber informiert, dass sie nicht wieder öffnen werden. Es war zuletzt gerade nicht mehr eine Frage von Wochen, sondern von Tagen, wer das durchhalten kann. Einige kleine Unternehmen und Individualisten haben es leider nicht geschafft. Wer hat schon Rücklagen, um zwei Monate zu überstehen? Und dann sind bei vielen die staatlichen Hilfen noch nicht angekommen, das Kurzarbeitergeld steht aus. Das ist dramatisch.“
… die Rolle der Restaurants:
„Das Einkaufserlebnis hat sich in den vergangenen Jahren komplett gewandelt. Jeder kann 24 Stunden am Tag online shoppen. Das heißt, wir als Innenstadt müssen etwas bieten, was es online nicht gibt – deshalb ist die Gastronomie immer wichtiger geworden. Immer mehr Center haben einen immer höheren Gastronomie-Anteil. Wenn die Restaurants wieder öffnen, werden das auch die anderen Geschäfte anhand der Kundenfrequenz wieder merken.“
… die Hamburger Innenstadt nach der Coronakrise:
„Ich gehe schon davon aus, dass wir Leerstände haben werden. Hamburg ist eine attraktive Stadt, aber es wird eine Weile dauern, bis wir wieder so stark sein werden wie früher. Zumal wir ja schon vor der Krise sehr viele neue Verkaufsflächen dazubekommen haben, die erst einmal vermietet werden müssen.“
… die Frage, ob der Siegeszug des Onlinehandels überhaupt noch aufzuhalten ist?
„Meine größte Sorge ist im Moment eine andere. Das Konsumklima ist so schlecht wie seit Jahren nicht. Wer nur zu Hause sitzt, braucht zum Beispiel keine neue Kleidung, das trifft den stationären genauso wie den Online-Modehändler. Konsum steht im Moment einfach nicht im Fokus, und ich glaube kaum, dass sich das kurzfristig ändern wird.“
… Bürgermeister Peter Tschentscher:
„Ich finde, er macht einen großartigen Job. Dass ich mir eine schnellere Öffnung des gesamten Handels gewünscht hätte, liegt auf der Hand, das ist mein Job. Ich glaube, dass wir mit unseren Hygieneregeln, die sicher noch lange gelten werden, dafür sorgen können, dass sich bei uns niemand mit dem Virus ansteckt.“
… Events in der Innenstadt:
„Die Branche liegt mit dem Gesicht am Boden: Caterer, Ausstatter, Security… An den Events hängen so viele Firmen und Arbeitsplätze, die überhaupt nicht wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Das ist furchtbar. Wann wird es wieder einen Dom geben? Wie und wo wird es Weihnachtsmärkte geben? Das weiß heute keiner. Aber all diese Events sind sehr, sehr wichtig für die Innenstadt und für Hamburg überhaupt.“
Entscheider treffen Haider – hören Sie auch die Podcasts mit: