Alles begann mit Wasserpfeifen und einer E-Mail: Wie der heute 30 Jahre alte About You-Chef sein Modeunternehmen gründete. Für die Zukunft hegt Tarek Müller politische Ambitionen.

Manchmal kann in einer E-Mail ein ganzes Leben stecken. Die Mail, die Tarek Müller an seine Eltern schickte, begann so:

„Liebe Eltern,

diesen Text habe ich bereits gestern geschrieben und wollte ihn euch heute Abend geben, bevor ich es euch sage. Ich habe das Gefühl, in meiner Firma schon lange meine Lebensaufgabe gefunden zu haben. Meine Firma ist bereits ein Teil meines Lebens und meiner Persönlichkeit. Das klingt bestimmt voll komisch, aber Handel und Wirtschaft und so sind einfach meine Passion, ohne die mein Leben total langweilig und doof wäre. Und ich weiß bzw. bin mir sicher, dass ich, egal was passiert, immer das machen werde und will. Ich möchte niemals in meinem Leben als Angestellter irgendeine Arbeit machen müssen, an der ich nicht selbst mitgestalten kann. Also nicht falsch verstehen, ich würde sogar zehn Stunden am Tag als Tellerwäscher arbeiten, wenn ich damit meine selbstständige Nebentätigkeit finanzieren müsste. Aber auf irgendwas mit Selbstständigkeit oder Wirtschaft könnte ich niemals mehr in meinem Leben verzichten.“

Und, etwas weiter unten:

„Deshalb möchte ich mit der Schule erst mal für ein halbes Jahr aufhören.“

Als Tarek Müller diese Mail schrieb, war er 18 Jahre alt, und hatte unter anderem mit Wasserpfeifen gehandelt. Heute ist er 30 und gerade zum Marketingmann des Jahres in Deutschland gewählt worden. Sein Unternehmen, der Modehändler About You, ist das erste „Einhorn“ Hamburgs. So werden Firmen genannt, die innerhalb kürzester Zeit einen Wert von mehr als einer Milliarde Euro erreicht haben. About You gibt es seit fünf Jahren, es wächst so schnell wie wenige andere Mode-Firmen in Europa.

„Unser Jahrgang galt als hoffnungsloser Haufen“

Tarek Müller ist das Gesicht dieses Erfolges. Er hat damals, nachdem er die E-Mail geschrieben und lange mit seinen Eltern gesprochen hat, die Schule, das Heisenberg-Gymnasium in Heimfeld, tatsächlich verlassen. „Unser Jahrgang galt als ein ziemlich hoffnungsloser Haufen“, sagt Müller im Abendblatt-Podcast „Entscheider treffen Haider“ (www.abendblatt.de/podcast). Was eine Fehleinschätzung gewesen ist. Einer seiner Mitschüler sei heute ein erfolgreicher Pianist, „der die Elbphilharmonie füllt“. Und bei ihm selbst ist fast alles so gekommen, wie es in der E-Mail steht. Bis auf einen Punkt: Tarek Müller hatte seinen Eltern versprochen, „keiner von diesen Workaholics zu werden, die sich in einen dunklen Raum einschließen und da 24 Stunden am Tag arbeiten, ohne sich zu duschen und nie mit anderen Menschen sprechen und so.“

Klar, er duscht, und natürlich schläft er auch, aber vor allem arbeitet Tarek Müller: „Im Moment von neun Uhr morgens bis zwei Uhr nachts.“ Termine im Halb-Stunden-Takt, Zahlen, Strategien: „Normalerweise verlasse ich nicht einmal zum Essen das Büro.“ About You muss, About You will wachsen, und Tarek Müller kann das nicht schnell genug gehen. Auch deshalb hat der Mann, der als Teenager mit seinen unternehmerischen Ideen so viel Geld verdient hat, „dass das Finanzamt mich jedes Jahr geprüft hat“, einen Investor an der Seite: die Otto Group. „Ich wollte immer ein großes Unternehmen aufbauen und wusste, dass ich das allein nicht schaffen werde.“

Mit 40 Jahren will er aufhören –  und etwas anders machen

Als er 2013 von Otto gebeten wurde, ein Konzept für das zu entwickeln, was About You heute ist, war der ideale Partner gefunden: „Otto denkt langfristig, in zwei, drei Generationen, nicht in zwei, drei Quartalen.“ Das sei ihm und seinen beiden Mit-Geschäftsführern wichtig gewesen: „Ich will ein Unternehmen aufbauen, das es auch dann noch lange gibt, wenn ich längst schon wieder raus bin.“

Und ja, selbst dafür gibt es einen Termin. Spätestens mit 40 wird Tarek Müller sowohl About You als auch die Wirtschaft überhaupt verlassen. Das wissen alle, die mit ihm zusammenarbeiten, auch die Ottos – und das hat zwei Gründe. Der kleinere: „Irgendwann werde ich nicht mehr der Richtige für die Firma sein.“ Der größere: „Ich möchte in die Politik, ich möchte eine eigene Partei gründen.“

Auch das habe er schon gewusst, als er seinen Eltern damals die Mail schrieb. „Als Politiker kann man wirklich sinnvoll etwas bewegen.“ Darauf arbeitet Tarek Müller hin, und nur deshalb ist ihm, der privat weder ein Auto, noch eine teure Uhr und nicht einmal einen prall gefüllten Kleiderschrank hat, Geld sehr wichtig. Bis spätestens 40 will er so viel verdient haben, dass er sich dann nur noch um seine politische Ambitionen kümmern kann. „Ich brauche genügend Geld, um eine Partei aufzubauen und einen Wahlkampf zu führen. Das ist die Idee dahinter“, sagt er, der übrigens schon Mitglied in einer etablierten Partei ist.

Bleibt dieser, einer der letzten Absätze in seiner Mail, die sein Leben vorweggenommen hat. Tarek Müller schreibt: „Ich bin und bleib ja eher ein gesellschaftlicher Mensch, der gern feiert und Kontakt mit Frauen hat und so und ich gründe auch bestimmt mal eine Familie.“ Bei About You hat vor wenigen Monaten das erste Pärchen geheiratet, das sich in der Firma kennengelernt hat, Nummer zwei folgt bald. Die Wahrscheinlichkeit, dass Tarek Müller seine Frau im Büro kennenlernt ist, nicht nur wegen seiner Arbeitszeiten, hoch: sind ja fast alle in seinem Alter bei About You. Und was würde er tun, wenn eines Tages seine Kinder auf die Idee kämen, die Schule abzubrechen? „Ich würde ihnen ins Gewissen reden. Wenn ich heute mit Schülern spreche, sage ich immer: Macht das bloß nicht, es ist ein verdammt großes Risiko.“ Tarek Müller hat übrigens damals noch mit „Ach und Krach“ sein Fachabitur geschafft, auf einem Wirtschaftsgymnasium, Notendurchschnitt: 3,0.

Bei About You nehmen sie heute unter Bewerbern in der Regel die besten fünf Prozent eines Uni-Jahrgangs.

Tarek Müller – der Fragebogen

Hamburger Abendblatt: Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Tarek Müller: Bis ich 13 Jahre alt war, wollte ich Architekt werden – danach Unternehmer.

Was haben Ihre Lehrer über Sie gesagt?

In fast jedem meiner Zeugnisse stand: „Tarek ist abgelenkt und lenkt andere ab. Er bleibt dadurch deutlich unter seinem Potential.“ Außerdem hat mir mein Mathelehrer in der 9. Klasse einmal geraten mit den Internet-Unternehmen aufzuhören, da seiner Meinung nach das Internet sowieso irgendwann wieder abgestellt werden würde.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Weil das Unternehmertum mir ein Gefühl von Freiheit gibt. Denn es erlaubt mir das zu tun, was ich gerne mache, und mit den Menschen zusammen zu arbeiten, die ich schätze.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Es sind zu viele, um sie hier alle aufzuzählen.

Auf wen hören Sie?

Auf meine Eltern, meine Arbeitskollegen, meine Freunde und meine Mentoren sowie auf sonstige schlaue Menschen, die mir begegnen.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Weitsicht und gleichzeitig das Erkennen von kurzfristigen Erfolgsmöglichkeiten.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Für seine Mitarbeiter unberechenbar sein.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Privat unwichtig. Beruflich wichtig.

Duzen oder siezen Sie?

Duzen. Auch bei About You duzen wir uns alle – unabhängig von jeglichen Hierarchien.

Wie viele Stunden arbeiten  Sie pro Woche?

Vermutlich so um die 70 bis 80 Stunden pro Woche.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Unter der Woche schlafe ich durchschnittlich sechs Stunden pro Nacht und am Wochenende etwas länger.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich versuche rational und ruhig zu bleiben.

Wie informieren Sie sich (außer über das Hamburger Abendblatt, natürlich)? 

Über das Internet. Ich höre viele Podcasts, lese verschiedene Blogs und Zeitungen online.

Wie kommunizieren Sie?

Schnell und direkt. Wenn nicht in persona, dann am liebsten per WhatsApp und Mail.

Wie viel Zeit verbringen Sie an ihrem Schreibtisch?

Vermutlich rund ein Drittel meines Tages. Der Rest des Tages findet bei Meetings in Konferenzräumen statt.

Wenn Sie morgen keine Lust mehr auf ihren Job hätten – gäbe es im Unternehmen einen Mann UND eine Frau, die sofort übernehmen könnten?

Ja.

Was unterscheidet den Menschen vom Chef Müller?

Ich hoffe, nicht so sonderlich viel. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, mich verstellen zu müssen, wenn ich bei der Arbeit bin.