Hamburg. Im Abendblatt-Podcast erklären Ärzte ihr medizinisches Fachgebiet, geben Tipps. Folge 5: Gallensteine, Sodbrennen, Divertikel.
Was bedeutet es eigentlich im wahrsten Sinne des Sprichwortes, wenn einem „die Galle überläuft“? „Medizinisch geht es dabei um die zähe Flüssigkeit, die von unserer Leber produziert und dann in der Gallenblase gespeichert wird“, sagt Dr. Thomas Mansfeld, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik Wandsbek, der in der aktuellen Folge der digitalen Sprechstunde, dem Gesundheitspodcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios, unter anderem erklärt, wie die teils äußerst schmerzhaften Gallensteine entstehen, von denen jeder Vierte der über 40-Jährigen betroffen ist.
Gallensteine können wie Bernstein aussehen
„Wenn diese Flüssigkeit lange in der Gallenblase steht – im Prinzip wie bei einem Stausee –, dann bilden sich Steine.“ Manche so winzig klein wie ein Sandkorn, andere groß wie eine Linse, manche aber auch bis zu acht Zentimeter lang. „Einige sehen sogar richtig hübsch aus, fast wie Bernstein“, sagt der Mediziner.
„Aber die Optik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese Gallensteine zum Risiko werden können.“ Besonders gefährlich seien die kleinsten Steine. „Die wandern nämlich leicht in den Hauptgallengang ab und sorgen dann dort für richtig viel Ärger.“ Dieser äußere sich bei den Betroffenen oft in Form von Koliken, also heftigen und krampfartigen Bauchschmerzen.
Die meisten Menschen bemerken ihre Gallensteine nicht
Doch längst nicht jeder, der Gallensteine hat, spürt sie auch. „75 Prozent merken ihr Leben lang gar nicht, dass sie überhaupt betroffen sind“, sagt der Experte. Bei wem die Steine plötzlich Schmerzen verursachen, hänge mit verschiedenen Faktoren wie Ernährung und Körpergewicht zusammen, sei aber nicht final erforscht, so der Chefarzt. „Wir wissen mittlerweile, dass Frauen, die viele Kinder geboren haben, über 40 Jahre alt und blond sind, ein erhöhtes Risiko haben. Aber fragen Sie mich nicht, warum. Die genetische Komponente spielt eine Rolle.“
Der „Goldstandard“ in der Therapie sei die vollständige Entfernung der Gallenblase. „Für einen Chirurgen ist das natürlich keine überraschende Antwort“, sagt Dr. Thomas Mansfeld lachend. Doch die Ergebnisse nach einer Behandlung mit Medikamenten seien nicht erfolgversprechend genug.
Entfernung der Gallenblase geschieht minimal-invasiv
„Die Steine kommen wieder.“ Auch von einer früheren Methode, die Gallensteine mit Ultraschall-Stoßwellen zu zertrümmern, sei man zum Glück längst abgerückt. „Die Steine wurden dadurch nur scharfkantig, was dann zu Verletzungen führte.“
Die Entfernung der Gallenblase, mittlerweile ein minimal-invasiver Routineeingriff, wie er in Deutschland jedes Jahr 200.000 Mal durchgeführt wird, dauere nur knapp 30 Minuten. „Der Patient kann abends schon wieder essen und rumlaufen und darf im Regelfall zwei Tage nach der Operation wieder nach Hause.“
Sodbrennen erscheint zunächst harmlos
Ähnlich verbreitet wie Gallensteine sind auch Sodbrennen und Diverkulitis, also die Entzündung von Ausstülpungen der Darmscheidewand. Auch über diese beiden Volksleiden spricht der Vater von vier Kindern, von denen zwei Medizin studieren.
„Ich habe drei Krankheitsbilder herausgesucht, die Tausende betreffen. Allein Sodbrennen, dieses Brandgefühl in der Speiseröhre, kennt doch fast jeder.“ Während die meisten, darunter auch Schwangere, oft nur temporär unter diesem Reflux, also dem Rückfluss der Salzsäure aus dem Magen in die Speiseröhre leiden, gibt es zahlreiche Patienten, die dauerhaft betroffen sind. „Wenn man dann weiß, dass es nicht vom Rotwein gestern Abend oder vom fetten Sonntagsbraten kommen kann und wenn weder Hausmittel wie Kamillentee noch die diversen Präparate aus der Apotheke helfen, dann sollte man einen Arzt aufsuchen“, sagt Dr. Thomas Mansfeld, der Arzt werden wollte, seit er als 13-Jähriger nach einem Kletterunfall mit Gipsbein in einem Schweizer Spital lag.
„Sodbrennen ist erst einmal harmlos, aber im schlimmsten aller Fälle kann daraus Speiseröhrenkrebs entstehen.“ Zunächst einmal werde Sodbrennen „konservativ“ behandelt, also mit säureblockierenden Tabletten. Zusätzlich müsse dann meist auch der Lebensstil der Patienten gesünder werden. „Wenn aber ein mechanischer Fehler die Ursache des Leidens ist, dann ist oft ein chirurgischer Eingriff empfehlenswert, bei dem eben der defekte, untere Speiseröhrenverschluss rekonstruiert wird.“ 90 Prozent der Patienten seien nach dieser Operation für den Rest ihres Lebens beschwerdefrei.
Divertikel führen zu heftigen Bauchschmerzen
Etwa genauso hoch ist auch die Quote bei jenen, die sich Divertikel, also die entzündeten Ausstülpungen der Darmwand, entfernen lassen. Divertikulitis möge nicht so bekannt sein, aber 70 Prozent der über 70-Jährigen hätten diese entzündeten Schleimhautsäckchen, so Mansfeld, der auch mit einer Chirurgin verheiratet ist. „Und die sind mit richtig heftigen Schmerzen im Bauch verbunden, oft auch mit Fieber.“ Einige Betroffene entwickelten zudem eine Bauchfellentzündung. „Diese Patienten können dann gar nicht mehr selbst zu uns in die Klinik kommen. Die werden gebracht.“
Galle, Speiseröhre, Darm – hat man als Chirurg eine Lieblings-Operation? „Nein, jede OP, die gut verläuft, macht Spaß“, sagt Dr. Thomas Mansfeld, der seit seinem fünften Lebensjahr in Hamburg zuhause ist und am liebsten am Anleger in Teufelsbrück entspannt. „Ich sage meinen Patienten und Kollegen immer: Es gibt keine kleinen und großen Operationen. Es gibt nur gute und schlechte.“
Gesundheits-Podcast mit Asklepios
Die digitale Sprechstunde ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert.
In der nächsten Folge berichtet Privatdozentin Dr. Sara Sheikhzadeh, Ärztliche Leiterin der Zentralen Notaufnahme an der Asklepios Klinik Harburg, über die Wartezeiten in der Notaufnahme und spektakuläre Fälle.
Haben Sie Anregungen? Schreiben Sie uns eine Mail an sprechstunde@abendblatt.de