Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki waren über Jahrzehnte Zentralgestalten der deutschen Literatur. „Ein Stück deutscher Geschichte“ nennt der Literaturjournalist und Buchautor Volker Weidermann die jahrzehntelange Beziehung zwischen dem Literaturnobelpreisträger und dem „Literaturpapst“ genannten obersten Literaturkritiker des Landes. In der Erinnerung ist es eine Fehde mit vielen Verletzungen gewesen (Verletzungen sind allerdings auch schnell beigebracht in jenem eitlen Betrieb...). Aber es gab auch Momente der tiefen Verbundenheit, bei aller Rivalität gegenseitige Hochachtung. Weidermann erzählt in seinem Buch „Das Duell“, das auch von längst vergangenen Zeiten berichtet, in denen seine Helden lebten, die Biografien Reich-Ranickis und Grass’ und was passierte, als sich ihre Bahnen kreuzten. Ist das langweilig wie Grass’ schlechtere Bücher oder spannend wie ein Roman? Das erörtern Thomas Andre und Rainer Moritz in der neuen Folge von Next Book Please, dem gemeinsamen Literatur-Podcast von Literaturhaus Hamburg und Hamburger Abendblatt. In dem geht es auch um den neuen Roman der 1985 geborenen Schweizer Autorin Simone Lappert. In „Der Sprung“ entblättert sie einen Kleinstadtkosmos, der es mit einem unerhörten Ereignis zu tun bekommt. Eine junge Frau steht auf dem Dach eines Wohnhauses und droht sich herunterzustürzen. Aus der Perspektive von fast einem Dutzend Personen wird nun davon erzählt, was sich auf dem Dach zuträgt. Aber dieses Geschehen ist lediglich der erzählerische Fluchtpunkt. Viel mehr noch geht es um die Schicksale jener Personen, die ja nicht mal alle in einer Beziehung zu der Frau auf dem Dach stehen. Dafür stehen sie selbst an Wendepunkten in ihrem Leben. Nora Bossongs neuer Roman „Schutzzone“ ist, wenn man so will, das Gegenteil: Er ist ein Ausbund an Weltläufigkeit mit wechselnden Schauplätzen. Das muss er insofern, als seine Heldin Mira bei den Vereinten Nationen arbeitet. Früher in New York City und Afrika, jetzt vorübergehend in Genf. Bossong porträtiert ihre Protagonistin und die Flüchtigkeit der Begegnungen auf verschiedenen Erzählebenen. Ein politischer Roman, der die Frage nach den Werten des Westens stellt. Und der Roman über eine Frau, die sich im UN-Jetset zu verlieren droht. „Schutzzone“ handelt von der Instabilität – der persönlichen und der der ganzen Welt. Das vierte Buch, das in dieser Next-Book-Please-Ausgabe besprochen wird, ist der Abschluss einer Trilogie: Terézia Mora bringt in „Auf dem Seil“ ihre Erzählung aus dem Leben des IT-Mannes Darius Kopp zu einem Ende. Die Büchnerpreisträgerin und Deutscher-Buch-Gewinnerin lässt ihren Darius, der seinen Job und seine Frau verloren hat, erst in Sizilien stranden, wo er als Pizzabäcker arbeitet. Dann schickt sie ihn nach Berlin, also dorthin, von wo er einst aufbrach. Seine bürgerliche Existenz liegt in Trümmern, die Freunde, die er zurückließ, sind sauer. In seiner noch nicht abbezahlten Eigentumswohnung leben mittlerweile andere Menschen, er ist quasi pleite. Vor allem aber muss damit zurechtkommen, dass er nach dem Tod der Frau erstmals wieder gefühlsmäßig verstrickt ist. Er erklärt sich selbst zum Aufpasser seiner minderjährigen Nichte, die den schönen Namen Lorelei trägt und überdies schwanger ist. Wo am Anfang also ein Tod stand, geht es jetzt um das Leben; und wie aus alldem ein ganz eigener Familienroman werden kann, darüber sprechen Rainer Moritz und Thomas Andre im Literatur-Podcast.