Knapp drei Jahre ist der Vorfall bereits her, aber vergessen kann Jamaine Arhin ihn nicht. „Irgendwann ist das alles ausgeartet“, sagt der 35 Jahre alte Hamburger. „Das alles“ – damit sind die Geschehnisse vom 25. August 2017 gemeint. An jenem Freitagabend spielte der FC Quickborn gegen den FC Roland Wedel. Amateurfußball vom Feinsten, Bezirksliga West. „Das Spiel lief zunächst sehr ruhig und vernünftig“, sagt Arhin, der seinerzeit als Schiedsrichterassistent an der Linie stand. „Als Quickborn dann aber ein paar Gegentore kassierte, eskalierte die Lage.“ 32 Monate nach Quickborns folgenreicher 2:5-Niederlage sitzt Jamaine Arhin in seinem Zuhause in Poppenbüttel und spricht im Abendblatt-Podcast „HSV – wir reden weiter“ über die damaligen Vorfälle. Der dunkelhäutige Hamburger, der im Alter von zwei Jahren aus Ghana nach Deutschland kam und seit fünf Jahren für den HSV Amateurspiele als Leistungsschiedsrichter pfeift, erinnert sich noch ganz genau an die Beschimpfungen, die ihm von den Zuschauern an den Kopf geworfen wurden. „Was macht der Schwarze da? Der soll in die Küche gehen und putzen!“, soll ein Zuschauer gerufen haben. Doch nachdem Arhin zunächst nicht reagierte („Ich habe versucht, mich zu beruhigen“) sollen die Zuschauer sogar seinen damals vier Jahre alten Sohn, der ebenfalls beim Spiel dabei war, beleidigt haben. „Was macht der Bimbo-Junge da?“, soll einer gerufen haben. „Nach dem Abpfiff habe ich mir den jungen Mann vorgeknöpft und ihn gefragt: Was soll so was? Da wurde er noch ausfallender“, sagt Arhin, der es gewohnt war, aufgrund seiner Hautfarbe beleidigt zu werden. „Aber selten so heftig.“ Arhin machte das, was man als Schiedsrichter in so einer Situation machen kann: Er verfasste einen Sonderbericht und stellte diesem dem Hamburger Fußball-Verband zu. Das Sportgericht des HFV gab ihm recht und verdonnerte den FC Quickborn in erster Instanz zu einer Strafzahlung von 700 Euro. „Das ist viel für ein Amateurverein“, sagt Arhin. „Aber ich dachte mir: endlich mal eine angemessene Strafe.“ Ende gut, alles gut? Von wegen. In zweiter Instanz wurde der FC Quickborn freigesprochen, „weil ich schon während des Spiels einem Ordner hätte Bescheid sagen müssen“, sagt Arhin. Doch viel schlimmer: Entschuldigt hat sich keiner der Verantwortlichen jemals bei ihm. Trainer Jan Ketelsen, der gerade erst vom Verband für die Fair-Play-Geste des Monats Oktober 2019 ausgezeichnet wurde, sprach seinerzeit von einem „Freispruch erster Klasse“. Dass derartige Geschichten keine Einzelfälle sind, kann man an diesem Sonntag (23.15 Uhr) im NDR verfolgen. In der sehr sehenswerten Sportclub-Story „Offensiv gegen Rassismus“ hat der Journalist Patrick Halatsch neben Arhin auch den Ludwigsburger Basketballer Konstantin Konga und Peter Fischer getroffen und porträtiert. Der Präsident von Eintracht Frankfurt kämpft seit Jahren gegen rechte Tendenzen im Fußball und die neue Stärke der AfD. Arhin, ein guter Freund vom früheren HSV-Profi Otto Addo, musste nicht lange überlegen, ob er bei der NDR-Reportage mitmacht. „Mich ärgert extrem, dass die Leute auch im Deutschland von 2020 mit so etwas immer noch so einfach davon kommen“, sagt der Referee. Mit Addo, der derzeit als „Talente-Trainer“ bei Borussia Dortmund arbeitet, spricht Arhin viel und oft über das Thema Rassismus im Fußball. „Wir schicken uns häufiger gegenseitig Artikel“, sagt der Vertriebsdirektor einer Versicherung, der sich zumindest beim HSV bestens aufgehoben fühlt. „Man merkt, dass der Club in den vergangenen Jahren viel gemacht hat“, sagt er. „Ich fand es auch klasse, wie der HSV hinter Bakery Jatta stand.“ Auch Arhin soll als Schiedsrichter beim HSV weiter gefördert werden, ist derzeit das Gesicht einer Kampagne. Ein dunkelhäutiges Gesicht, das sich trotz Anfeindungen aber nicht entmutigen lassen will. „Ich bleibe sehr, sehr gerne Schiedsrichter“, sagt Arhin.
Rassismus auf dem Fußballplatz: „Was macht der Bimbo-Junge da?“
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