Ex-HSV-Nachwuchstrainer erzählt, wie Walter mit schwierigen Phasen umgeht und warum es am Freitag ein Spektakel geben könnte.
Dass Tim Walter ein Mensch ist, der Mut einfordert, hat er bereits in seiner Zeit bei Holstein Kiel bewiesen. Und dieser Mut beschränkt sich nicht nur auf seine Arbeit als Fußballtrainer. Das weiß Fabian Wohlgemuth (42). Der frühere HSV-Jugendtrainer arbeitete mit dem heutigen HSV-Cheftrainer in der Saison 2018/19 in Kiel zusammen.
Wohlgemuth als Manager, Walter als Trainer. Beide erlebten ihre erste Station im Profifußball. Und gingen regelmäßig zusammen in das thailändische Restaurant Banmaai. Mit Hang zum Risiko. „Wir haben uns regelmäßig darin übertroffen, wer das schärfste Essen verträgt“, erzählt Wohlgemuth in der aktuellen Folge des Abendblatt-Podcasts „HSV – wir müssen reden“.
Wohlgemuth über Walter: „Er ist so, wie er immer war“
Der Mut zur Schärfe ging so weit, dass Wohlgemuth einmal einen Löffel Chiliöl ins Essen rührte – und schließlich einen gehörigen Schweißausbruch bekam. „Diese Geschichte ist immer mal wieder ein Thema bei uns“, sagt Wohlgemuth.
Am Freitag trifft er seinen Freund Tim Walter wieder. Nicht zum Essen, sondern in Paderborn zum Auftakt des elften Zweitligaspieltags. Wohlgemuth ist seit 2020 Geschäftsführer Sport beim SC Paderborn und freut sich auf das Wiedersehen. Vor allem aber freut er sich auf das Spiel, das für die Zuschauer ein Spektakel verspricht. So wie vor einem Jahr, als die Hamburger am zweiten Spieltag in Paderborn mit 4:3 gewannen.
„Tim legt in seinem Spiel den Fokus auf das Angreifen. Das ist bei uns nicht anders. Daher kann es schon sein, dass wir wieder auf ein Spektakel zusteuern. Spiele von Paderborn und dem HSV haben in dieser Saison ohnehin einen gewissen Dramatik-Faktor“, sagt Wohlgemuth, der mit dem SCP trotz der Abgänge von Erfolgstrainer Steffen Baumgart und Kapitän Sebastian Schonlau als Tabellenvierter aktuell drei Punkte vor dem HSV liegt.
Zwei meinungsstarke Typen, eine gemeinsame Sache
Einen ähnlich guten Start schafften Wohlgemuth und Walter vor drei Jahren mit Holstein Kiel, insbesondere durch den 3:0-Sieg am ersten Spieltag im ausverkauften Volksparkstadion beim Bundesliga-Absteiger HSV. „Der Sieg war damals ein wichtiger Ausgangspunkt“, sagt Wohlgemuth über seine Beziehung zu Walter, den er zuvor nur aus dem Nachwuchsfußball kannte.
Walter wurde in Kiel noch von Wohlgemuths Vorgänger Ralf Becker verpflichtet, ehe dieser zum HSV wechselte. Innerhalb kurzer Zeit mussten Walter und Wohlgemuth einen neuen Kader zusammenstellen. Oft bis tief in die Nacht schauten sie Videos und suchten nach Neuzugängen. Unter anderem holten sie Finn Porath vom HSV. „Unsere Diskussionen waren nicht selten kontrovers und manchmal auch über Zimmerlautstärke. Wir sind zwei meinungsstarke Typen. Es ging jedoch immer um die Sache.“
Am Konzept auch in Krisenzeiten festhalten
Walter kam damals aus dem Nachwuchs des FC Bayern München, Wohlgemuth war zuvor Chef der Jugend beim VfL Wolfsburg. Obwohl sich ihre Wege schon nach einem Jahr in Kiel trennten, weil Walter zum VfB Stuttgart wechselte, telefonieren die beiden heute noch mehrmals im Monat. Wohlgemuth schaut sich nach Möglichkeit auch die Spiele des HSV im TV an. So auch das jüngste 1:1 gegen Düsseldorf. Dass es rund um den Volkspark nach dem dritten Unentschieden in Folge schon wieder unruhig wurde und die Fans im Stadion pfiffen, kann Wohlgemuth nicht nachvollziehen.
„Wir alle wollen attraktiven Fußball sehen. Die Zuschauer haben lange verzichten müssen. Tim Walter ist in der Lage, genau diesen Fußball ins Stadion zu bringen. Diese Spielweise ist möglicherweise ein Ansatz, um Fans zu entschädigen und neu zu begeistern“, sagt er. Wohlgemuth ist sicher, dass sich Walter von seinem Weg nicht abbringen lässt. „Wichtig ist, dass du ein Konzept hast, an dem du auch in Krisenzeiten festhältst. Ich habe Tim als konsequenten Menschen kennengelernt, der sich durch öffentlichen Druck nicht nervös machen lässt.“
„Du musst als junger Spieler sofort funktionieren“
Wohlgemuth, der von 2008 bis 2010 als HSV-Trainer in der U 16 und U 17 arbeitete und zum Nachwuchschefscout aufstieg, hat Walter seit 2019 weiter beobachtet. Dass dieser sich gewandelt hat, kann er nicht bestätigen. „Aus der Fernsicht kann ich bei Tim keine wesentlichen Veränderungen erkennen. Hamburg und der HSV bieten eine größere öffentliche Bühne, als dies in Kiel der Fall war. Er hat sich sicher darauf eingestellt und den nächsten Schritt gemacht.“
Aber der HSV ist eben weder Kiel noch Paderborn, obwohl alle Clubs jetzt die gleiche Strategie verfolgen. „Ich kann mir schon vorstellen, dass die Entwicklung für das einzelne Talent beim HSV noch einmal besonders herausfordernd ist. Du musst als junger Spieler sofort funktionieren“, sagt Wohlgemuth, der weiß, dass Walter den Mut hat, seine Talente weiter spielen zu lassen.