Hamburg. Die Chefin von Gruner + Jahr im Podcast: Ein Gespräch über “Großkopferte“, Podcasts und das Durchschnittsalter in ihrem Verlag.
Gäbe es eine Rangliste der größten Hamburger Unternehmen, die von Frauen geführt werden, wären Gruner + Jahr und Julia Jäkel auf Platz drei. Ein Gespräch über Allianzen, lange Tage im Büro – und den Verkauf des Hamburger Abendblatts.
Das sagt Julia Jäkel über…
… ihre mehr als 20 Jahre bei Gruner + Jahr:
„Das klingt vielleicht langweilig, ist es aber überhaupt nicht: Gruner + Jahr ist ein sehr aufregendes und facettenreiches Haus. Es gibt wenig Plätze und Aufgaben, die so interessant und thematisch breit sind, wie das, was ich hier machen darf. Deshalb habe ich auch trotz der langen Zeit noch nicht einen Moment darüber nachgedacht, mal woanders arbeiten zu wollen.“
…die neue Zusammenarbeit im Bertelsmann-Konzern:
„Die wachsende Nachfrage nach nationalen Inhalten und die Konkurrenz durch die großen Digitalplattformen haben uns noch einmal deutlich gemacht, auf was für einem Inhalteschatz wir sitzen – zwei Milliarden Euro investieren wir in der Bertelsmann Content Alliance in Deutschland jährlich in Inhalte. Und wie sinnvoll es deshalb ist, wenn die Mediengruppe RTL mit Fernsehen und Radio, Random House, BMG, die Ufa und Gruner + Jahr noch viel enger zusammenarbeiten. Wir treffen uns mit allen Geschäftsführern alle vier Wochen im Board der Content Alliance. Dort entwickeln wir neue große Projekte. Wir sind zum Beispiel der exklusive Partner der größten Arktis-Expedition. Wir bei Gruner + Jahr berichten in unseren Magazinen, die UFA dreht einen Film, Random House produziert Bücher, und es entstehen Podcasts. Daneben haben wir unsere Zusammenarbeit mit der Mediengruppe RTL intensiviert. Mein Kollege Stephan Schäfer ist weiter für die Inhalte bei Gruner + Jahr verantwortlich, dazu aber auch für die Inhalte bei RTL.
… Podcasts:
„Es ist ein intensives Medium, man ist seinem Gesprächspartner, aber auch dem Zuhörer sehr nah. Das macht etwas mit einem, ich verfolge Podcasts immer sehr konzentriert, und trotzdem kann man nebenbei noch etwas anderes tun, zum Beispiel bügeln. Mit den Podcasts haben wir auch bei Gruner + Jahr und in der Bertelsmann Content Alliance eine neue Form des Geschichtenerzählens entdeckt, mit der wir alte und neue Zielgruppen erreichen können und bei denen wir jetzt Gas geben.“
…die Frage, ob nicht Journalisten statt Kaufleuten an der Spitze von Verlagen stehen müssten:
„Nicht „statt“, es geht um ein gutes Miteinander. Ich finde es deshalb wichtig, dass Schlüsselpositionen in Verlagen auch von Journalisten besetzt sind. Ein Beispiel: Die G+J-Kommunikationschefs kamen früher nicht aus unseren Redaktionen, waren häufig nicht mal Journalisten. Heute ist das anders. In einem Haus, das von Kreativität lebt, musst du ein Gefühl für das haben, was du herstellst, für Geschichten, für Recherche. Wir nehmen bei Gruner + Jahr zunehmend wieder Journalisten in kaufmännische Verantwortung und haben damit gute Erfahrungen gemacht.“
…Alphatiere:
„Wir verspüren keine Sehnsucht nach Großkopferten, die schreien: ‚Mir nach, ich allein sag euch, wo es langgeht.‘ Wir haben viel Energie in allen Bereichen und auf allen Ebenen, die genutzt werden will. Das funktioniert besser mit Führungskräften, die gut zuhören und damit Kräfte freisetzen können als mit Alphatieren.“
… die „Spiegel“-Affäre mit Claas Relotius:
„Als Leserin sage ich: Ich habe die meisten Texte damals, als sie erschienen, nicht gelesen. Diese Form des Journalismus ist nicht die, die mich persönlich anregt. Als Verlagschefin sage ich: Am Ende geht es um mehr als um einen einzelnen Fall. Es geht um die Regeln für unser Handwerk und darum, wie wir arbeiten wollen. Der „Spiegel“ hat sich aus guten Gründen damit in seinem Bericht intensiv beschäftigt. “
… den Moment, als Axel Springer das Hamburger Abendblatt verkauft hat:
„Das war ganz zu Beginn meiner Zeit als Verlagschefin. Der Verkauf hat auf uns bei Gruner + Jahr durchaus Druck ausgeübt, weil wir ja einen ganz anderen Weg gehen wollten als Springer. Extern und intern wurden wir gefragt: ‚Könnt ihr nicht disruptiver sein und alles Alte verkaufen?’ Damals mussten wir sehr viel erklären: dass wir einen Weg gehen, bei dem wir unsere Mitarbeiter und unsere großen Titel – ob „Stern“, „Brigitte“ oder „Schöner Wohnen“ – bei der Transformation mitnehmen, und warum dieser Weg für uns der richtige ist. Aus heutiger Sicht sind wir sehr glücklich, dass wir diesen Weg eingeschlagen haben. Er ist mühsamer, er dauert länger, ist aber nachhaltig und, zumindest für uns, lustvoller.“
… Zeiten, in denen man jeden Abend bis tief in der Nacht im Büro geblieben ist und auch noch stolz darauf war:
„Das hat sich radikal geändert. Die Kollegen achten mehr auf sich und auf ihr Leben. Ich versuche auch, davon ein bisschen zu lernen. Ich fahre mit dem Fahrrad ins Büro, ich mache auch mal Home-Office. Ich finde, die neue Art zu arbeiten ist ein Gewinn an Freiheit.“
… das Durchschnittsalter bei Gruner + Jahr:
„Wir sind inzwischen bei einem Durchschnittsalter von 39 Jahren, was zeigt, wie digital wir geworden sind und dass wir uns wieder zu einem attraktiven Arbeitgeber entwickelt haben. Viele gut ausgebildete Leute wollen zu uns kommen, weil sie unseren Weg der Transformation aufregend finden. Dass wir das gemeinsam hinbekommen haben, erfüllt mich schon ein bisschen mit Stolz.“