Berlin. Archäologen fanden an Knochen aus der Bronzezeit Spuren brutaler Gewalt: Dutzende Menschen wurden offenbar hingerichtet und verspeist.

Es ist der Beginn vieler Krimis: Eine Leiche wird entdeckt, Spurensicherung und Polizei beginnen mit den Ermittlungen und überführen den Mörder. Was im Fernsehen meist wie ein Kinderspiel aussieht, ist in der Realität eine komplexe Aufgabe, die Präzision, Fachwissen und modernste Technik erfordert.

Noch schwieriger wird es, wenn die Spuren Jahrtausende alt sind. Hier kommt die forensische Archäologie ins Spiel – eine Disziplin, die längst vergessene Verbrechen ans Licht bringt und Einblicke in die dunkelsten Kapitel der Geschichte gewährt.

Wie tief diese Wissenschaft blicken kann, zeigt nun ein spektakulärer Fund in der britischen Grafschaft Somerset. Dort stießen Archäologen bereits in den 1970er Jahren in einer tiefen Grube auf über 3000 menschliche Knochen und Fragmente aus der frühen Bronzezeit. Erst Jahrzehnte später fand ein Forscherteam um Rick Schulting von der University of Oxford durch eine nähere Analyse heraus, dass die Überreste von einem grausamen Massaker stammten.

Mord und Kannibalismus: Die blutige Geschichte von Charterhouse Warren

Die Überreste von mindestens 37 Männern, Frauen und Kindern wurden in einer 15 Meter tiefen Grube in der Nähe von Charterhouse Warren gefunden. Anders als die meisten Überreste aus der Zeit zwischen 2500 und 1500 v. Chr. in England weisen sie deutliche Spuren von Gewalt auf: eingeschlagene Schädel, Knochenbrüche, Schlag- und Schnittspuren. Auffällig war auch das Fehlen von Pfeilspitzen, was das Archäologenteam um Rick Schulting von der Universität Oxford zu der Vermutung veranlasste, dass die Menschen nicht bei einem bewaffneten Konflikt ums Leben kamen.

Um ihre These zu überprüfen, analysierten Schulting und sein Team die Knochen aus Charterhouse Warren noch einmal im Detail. Dabei stellten sie fest, dass die Toten offenbar ohne große Gegenwehr gestorben waren. „Diese Opfer waren entweder bereits Gefangene oder sie wurden überrascht“, so das Team.

Auch die Details der Verletzungen offenbaren ein grausames Schicksal: Schnitte an Langknochen und Rippen deuten darauf hin, dass die Toten ausgeweidet wurden. Brüche an den Rippen lassen vermuten, dass der Brustkorb gewaltsam geöffnet wurde. Und auch an Hand- und Fußknochen fanden sich Spuren von menschlichen Zähnen – für die Forscher ein eindeutiger Hinweis auf Kannibalismus.

Gewalt und Kannibalismus zur Machtdemonstration?

Die Forscher schließen jedoch aus, dass die Opfer aus Hunger gegessen wurden. Der gleichzeitige Fund zahlreicher Rinderknochen deutet darauf hin, dass Nahrung im Überfluss vorhanden war. Auch eine rituelle Bestattung schlossen die Archäologen aus, da solche Praktiken in Großbritannien aus dieser Zeit nicht bekannt sind.

Stattdessen vermuten die Archäologen, dass der Kannibalismus symbolisch motiviert war – eine bewusste Entmenschlichung der Opfer. Indem die Täter das Fleisch ihrer Feinde aßen und die Überreste mit Tierknochen vermischten, wollten sie möglicherweise ihre Macht demonstrieren und Schrecken verbreiten.

Massaker in England: Was hat die Gräueltaten ausgelöst?

Die Ursachen des Massakers geben derweil Rätsel auf. Genetische Analysen deuten nicht auf ethnische Konflikte hin – Opfer und Täter könnten die gleiche Abstammung gehabt haben. Stattdessen könnten soziale Spannungen, Diebstahl oder Streit um Ressourcen eskaliert sein. Auch Krankheiten könnten laut den Forschernden eine Rolle gespielt haben: In den Zähnen zweier Kinder wurde eine Pestinfektion nachgewiesen.

Funde wie dieser sind für die Bronzezeit in Großbritannien äußerst selten, wie das Forscherteam betont. „Bisher konzentrierte sich unser Verständnis dieser Epoche vor allem auf Handel und Austausch“, erklärt Schulting. „Dieser Fund wirft ein düsteres Licht auf eine Epoche, die bisher als relativ harmonisch galt.“

Bemerkenswert ist auch der Erhaltungszustand der Skelette, denn in dieser Zeit war es üblich, die Toten zu verbrennen. Die große Zahl intakter Überreste sei außergewöhnlich und deute auf ein Ereignis hin, das weit über einen Einzelfall hinausgehen könnte, resümiert das Forscherteam.

Die vollständige Studie ist in der Fachzeitschrift „Antiquity“ erschienen.