Berlin. Die Serie „Die Toten von Marnow“ handelt von Kindesmissbrauch. Schauspielerin Schmidt-Schaller erlebte als Kind selbst viel Bedrückendes.
Petra Schmidt-Schaller hat im Lauf ihrer Karriere, die 2007 mit „Das fliehende Pferd“ abhob, vieles erlebt. Aber für die neuen Folgen ihrer Krimireihe „Die Toten von Marnow“ (ab 7. Dezember um 20.15 Uhr in der ARD) musste die 44-Jährige ganz besondere Strapazen auf sich nehmen. Wie die Schauspielerin mit den körperlichen und psychischen Belastungen zurechtkam und wie sie dazu steht, dass ihre 13-jährige Tochter nun selbst schauspielert, erzählt sie im Interview.
In den neuen Folgen von „Die Toten von Marnow“ geht es ganz besonders heftig zu – von Kinderhandel bis zu wilden Schießereien. Wie haben Sie das erlebt?
Petra Schmidt-Schaller: Um es kurz zu beschreiben: Ich habe in der Drehpause eine Lungenentzündung bekommen und stand, nachdem ich genesen war, wieder am Set und es ging weiter mit Schneeregen und Eis. Am Ende ging aber alles gut.
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Fragt man sich in so einer Situation, ob das für einen der richtige Beruf ist?
Schmidt-Schaller: Der Beruf ist jedenfalls nicht lebensverlängernd. Da muss man Leidenschaft im doppelten Wortsinn haben. Es wäre zugegebenermaßen schön, wenn sich bestimmte Drehbedingungen ändern würden. Aber wer A sagt, muss auch B sagen.
Petra Schmidt-Schaller: Deshalb ging ihr der Krimi-Dreh so nah
Was hat Sie während dieses schwierigen Drehs dann positiv aufgebaut?
Schmidt-Schaller: Die enge Verbindung zu meiner zwölfjährigen Kollegin Greta Kasalo. Wir haben viel getanzt und Choreografien entworfen. Es hat dabei auch geholfen, dass sie ein ähnliches Alter wie meine Tochter hat.
Angesichts Ihrer Tochter dürfte Ihnen diese Geschichte ganz besonders nahegegangen sein.
Schmidt-Schaller: Absolut. Wenn es um Menschenhandel und Kindesmissbrauch geht, dann werden Sachen ausgelöst, dass man schier Amok laufen möchte. Ich war glücklich, diese Thematik nach dem Dreh Ende März loslassen zu können.
Aber Sie wussten, auf welche Art von Handlung Sie sich da einlassen?
Schmidt-Schaller: Ja, aber froh war ich über so etwas nicht. Das treibende Motiv war, dass so etwas erzählt werden muss, weil die Verhältnisse noch nicht so sind, wie sie sein sollten. Wir müssen wach bleiben und alle zusammen etwas dagegen tun. Gerade in Großstädten kann man gut beobachten, dass die Menschen Desinteresse aneinander haben. Deshalb ist es wichtig, dass man die Menschen über Filme auf solche Themen stößt.
Schauspielerin über DDR-Kindheit: „Ich war froh, als die Wende kam“
Wie behütet sind Sie selbst aufgewachsen?
Schmidt-Schaller: Ich bin neun Jahre in der DDR groß geworden, wo das Verhältnis zu Kindern ganz anders war. Teilweise haben Institutionen wie Kinderkrippe, Kindergarten und Schule zu viel Macht gehabt. Da wurde uns beigebracht, dass wir nichts zu wollen und zu wünschen haben. Wenn ich sagte: „Ich will das nicht“, dann hieß es: „Ja, will, will, will.“ Da gab es keine Balance zwischen Ich und Wir, sondern nur Gemeinschaft. Wenn ich heute nach Nordkorea schaue, dann sehe ich viele Ansätze, wie ich sie eingeimpft bekommen habe. Das war schon bedrückend. Zum Glück bin ich in einer Künstlerfamilie groß geworden, wo es etwas lockerer zuging. Aber ich war ganz froh, als die Wende kam.
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Das heißt, Ihre Kindheit war eher unglücklich?
Schmidt-Schaller: Nein, denn von meinem Wesen her habe ich das Glas immer halb voll gesehen. Deshalb fand ich meine Kindheit super. Ich habe einfach bestimmte Sachen akzeptiert, die rückblickend der reine Wahnsinn waren.
Zum Beispiel?
Schmidt-Schaller: Es gab in der Schule ein Mädchen, das von seinen Alkoholiker-Eltern misshandelt wurde. Die Institutionen wussten das und haben nichts getan. Der haben wir dann geholfen zu fliehen, und ihr eine Bretterbude auf einem Hausdach gebaut. Da kamen dann die Volkspolizisten und wir mussten lügen. Letztlich hat man das Mädchen doch gefunden und zurück in die Familie gesteckt. Irgendwann kam sie zu ihrem Onkel und dann lief es relativ okay. Aber ich hatte damals einfach nur die Haltung: Okay, so ist das Leben. Das ist nicht richtig, also helfen wir ihr abzuhauen. Dass Kinder Rechte haben, das habe ich erst nach der Wende gehört. Meine Tochter hat zum Beispiel schon mit sieben von Kinderrechten geredet.
So steht Petra Schmidt-Schaller zur Schauspiel-Karriere ihrer Tochter
Bei Ihrer Tochter haben Sie vermutlich den individuellen Willen gefördert, den Sie seinerzeit nicht ausleben durften.
Schmidt-Schaller: Ja, aber auch das Gegengewicht. Sie soll auch schauen: Wie bewege ich mich in meinem Umfeld? Wie ist das Geben und Nehmen? Sie wird leider ohne Geschwister groß, aber ihre Freundinnen sind ziemlich gute Sparringpartner. Ich habe das Gefühl, dass sie mit ihren 13 Jahren ziemlich gut weiß: Hier kann ich mich abgrenzen und hier mache ich etwas für die Gemeinschaft.
Der Dreh war auch aus anderem Grund aufreibend für Sie. In den Pressenotizen meinten Sie, dass Sie auf Schießerei-Szenen wegen des Ukrainekriegs sehr empfindlich reagieren.
Schmidt-Schaller: Der Krieg ist für mich sehr nahe gerückt, weil ich in der Zeit einigen Ukrainern geholfen habe. Im letzten Jahr ist auch noch der Bruder einer der Personen gestorben. Ich habe natürlich früher schon am Set mit Waffen gearbeitet und weiß auch um deren Faszination. Aber inzwischen habe ich viel mehr begriffen, was das für Machtwerkzeuge sind und welche Katastrophen damit verursacht werden. Wenn ich jetzt solche Szenen drehe, dann geht mein Körper in einen Flucht- und Anspannungsmodus.
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Sprechen wir lieber darüber, was Sie zuletzt an schönen Dingen erlebt haben...
Schmidt-Schaller: Das große Glück war, dass ich den ganzen Sommer meine Tochter zu den Dreharbeiten zu dem Film „Woodwalkers“ begleiten konnte. Sie hatte da eine kleine Rolle und wir waren in Deutschland und Italien unterwegs. Das war intensive Mama-Tochter-Zeit.
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Sie meinten doch vorhin, dass man als Schauspieler leidensfähig sein müsste. Finden Sie es da gut, dass Ihre Tochter jetzt ins gleiche Metier einsteigt?
Schmidt-Schaller: Sie wollte das unbedingt machen, und ich dachte, ich stehe nicht im Weg. Aber sie sieht das auch entspannt. Wenn sie beim Casting mal eine Absage bekommt, dann ist das okay. Momentan habe ich das Gefühl, dass sie eines Tages sagt: „Das war ganz schön. Ich habe tolle Freunde kennengelernt, aber jetzt gucke ich, was mir das Leben sonst noch bieten kann.“ Und wenn nicht, dann wird sie ihren Weg machen.