Paris. Frankreich hat Wort gehalten: Fünf Jahre nach dem verheerenden Brand erstrahlt Notre-Dame in neuem Glanz. Was die Besucher erwartet.
Als Emmanuel, die 13 Tonnen schwere und damit größte Glocke Notre-Dames, im November erstmals wieder anschlug, ging ihr Klang den Parisern direkt ins Herz. Der Glockenschlag stimmte die Stadt und ihre Bewohner ein auf Wiedereröffnung am 7. Dezember, die selbst gestandene Kirchenvertreter bisweilen kaum erwarten konnten.
„Es wird Zeit, dass Notre-Dame ihre Pforten wieder weit öffnet für die 14 Millionen Gläubigen und Besucher, die wir erwarten und empfangen werden, damit sie sich vor so viel Schönheit verneigen können“, sagte der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich. „Heute merken wir, wie sehr eine Kathedrale ein Ort der Hoffnung ist!“
Notre-Dame: Wiederaufbau gelang dank Millionen-Spenden
Es stimmt, die Pariser haben den Glauben an ihre Schutzheilige nie verloren. Erschüttert, oft wortlos, verfolgten die Einwohner der Lichterstadt – und Millionen am Fernseher –, wie Notre-Dame an jenem 15. April 2019 loderte und vom Dach her ausbrannte, bis der Giebelreiter im Zeitlupentempo in das Flammenmeer stürzte.
Nach dem ersten Schock und der endgültigen Löschung zeigte sich, dass die Marienstatue aus weißem Kalkstein im rußgeschwärzten, von Wasser triefenden Kirchenschiff völlig unversehrt geblieben war. Ein Wunder? Der Elan des Glaubens war jedenfalls sofort da; aus 150 Ländern trafen kleine und große Spenden ein, die bald 850 Millionen Euro erreichten. Emmanuel Macron besichtigte das verkohlte Kirchenschiff und sagte, in fünf Jahren werde Notre-Dame wieder stehen.
So prachtvoll erstrahlt Notre-Dame nach dem Wiederaufbau
Der französische Präsident hielt Wort: Das große Werken setzte noch im selben Jahr ein. Das 250 Tonnen schwere Eisengerüst aus früheren Dacharbeiten – die den fatalen Kurzschluss oder Zigarettenbrand wohl verursacht hatten – war geschmolzen oder eingestürzt. Unklar war, ob es die alten, teils 900 Jahre alten Steinmauern indirekt stützte. Zuvor erstellte Scans erlaubten es den Ingenieuren zum Glück, die Schäden genauestens auszumessen. Riesige Kräne entfernten vorsichtig die Reste des Dachgebälks, Roboter säuberten das einsturzgefährdete Kirchenschiff vom Trümmerschutt und den Bleipartikeln des verbrannten Dachs.
Wiederaufbau stellte Frankreich vor Mammutprojekt
Dann erst konnte die Restauration beginnen. Ein Handwerkerheer machte sich in der Basilika zu schaffen: Tischler, Zimmerleute, Dachdecker, Maurer, Steinmetze, Kunstschmiede, Glasmaler, Tapezierer, Polsterer, Vergolder, Maler. Frankreich entdeckte fast verwundert, dass es noch über all diese traditionellen Berufe verfügt.
Auch interessant
Uralte Werkzeuge paarten sich in diesem spätgotischen Bau mit modernsten Hightech-Apparaten: 3D-Baupläne, Laserreinigungen und zum Schluss auch KI-Techniken kamen in fast allen Bereichen zur Anwendung. Und nicht nur in der Pariser Baustelle: Die Hälfte der Arbeiten fand weit entfernt in der Provinz statt. Drei Wälder spendeten – unter Wahrung der Nachhaltigkeit – 1300 Eichen für den Dachstuhl.
In Lothringen präparierten Dachdecker 14 Meter lange Balken und den fein ziselierten Dachreiter; Extremkletterer setzen ihn dann in Paris auf das steile Bleidach. In Montpellier und dem Burgund reinigten Spezialunternehmen die 8000 Teile der zerlegten Orgel. In Chartres, aber auch Deutschland und Italien restaurierten andere jede einzelne Scheibe der 3000 Quadratmeter umfassenden Kirchenfenster und Rosetten. Skulpturen und Gemälde – kein einziges war bei dem Brand verloren gegangen – wurden aufgefrischt und repariert.
- Tod: Hospiz-Krankenschwester – „Ab diesem Punkt sterben Menschen innerhalb von 72 Stunden“
- Tier-Angriff: Surfer überlebt Hai-Attacke – „Um mich herum war eine Blutlache“
- Familie: Kinderprostitution – „Ich spüre noch seine Hände auf mir“
- Nahtoderfahrung: Vom Blitz getroffen – Überlebender berichtet von „verdammtem Glück“
- Kindesentführung: Von der eigenen Mutter gekidnappt – Ich habe es selbst erlebt
Ein Steinbruch außerhalb von Paris lieferte 1300 Kubikmeter Quader. Dank des hellen Kalksteins erscheint die Kathedrale „wie in neues Licht getaucht“, berichtete Erzbischof Ulrich aus dem hermetisch geschlossenen Bau. Macron besuchte das Kirchengebäude schon am Freitag, 29. November, voll des Lobes für die Hunderten Beteiligten.
Notre-Dames Wiedereröffnung: Das ist geplant
Zur Wiedereröffnung sind mehrere Dutzend Staatsoberhäupter und Regierungschefs geladen, darunter auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Eine persönliche Einladung von Macron erhielt auch der designierte US-Präsident Donald Trump. „Präsident Emmanuel Macron hat wunderbare Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass Notre-Dame wieder in vollem Glanz erstrahlt, und sogar noch mehr“, so der Republikaner.
Nur einer glänzt mit Abwesenheit: Papst Franziskus, der aus nicht bekannten Gründen absagte. Die Feierlichkeiten sollen mit einem Konzert enden, bei dem unter anderem Klavierlegende Lang Lang auftritt. Die erste Messe in der renovierten Kathedrale wird dann an Mariä Empfängnis (8. Dezember) gelesen.
Mit seinen eigenen Plänen für die Kathedrale ist Präsident Macron allerdings nicht durchgedrungen. Den von Eugène Violet-Le-Duc geschaffenen Vierungsturm, auch „flèche“ (Pfeil) genannt, wollte er „zeitgenössisch“ gestalten. Das ging so wenig durch wie die Pläne kreativer Geister, die auf dem Kathedralendach ein Schwimmbad, ein Treibhaus oder einen Leuchtturm-Scheinwerfer installieren wollten.
Macron gibt aber nicht klein bei; er wünscht sich sechs „zeitgenössische“ Kirchenfenster, wobei er an die Chagall-Fenster in der Königskathedrale von Reims erinnert. Eine Ausschreibung unter Künstlern ist offenbar abgeschlossen; für die Einweihung sind die modernen Scheibenfenster aber nicht bereit. Den Parisern steht der Sinn nicht nach Revolutionärem. Sie wollen ihre Kathedrale zurück, sonst nichts.
Pariser voller Vorfreude: „Werden beten, dass Maria nie mehr ausziehen muss“
Die Marienstatue, das Symbol der Hoffnung, war für die Renovierungsarbeiten in die Kirche Saint-Germain l’Auxerrois gegenüber dem Louvre ausquartiert worden. Eine nächtliche Prozession über den Pont-Neuf und durch die Ile de la Cité brachte sie im November in die Kathedrale zurück. Zumindest eine Kopie; das Original kam in einem Holzkasten per Lastwagen an und wurde auf dem Vorplatz vom Erzbischof gesegnet. Angehörige des Malteserordens und der Ritter vom Heiligen Grab trugen die Jungfrauen-Kopie mit Gesängen und Gebeten über die Seine auf die Insel, gefolgt von mehr als tausend Gläubigen mit Fackelkerzen sowie anderen Zaungästen.
Auch interessant
Isabelle aus dem Vororts-Departement Essonne war eine von ihnen: „Notre-Dame kehrt nach Hause zurück – ist das nicht herrlich? Endlich findet Maria mit dem Jesuskind ihren angestammten Platz in dem Gotteshaus wieder.“ Ihre Rückkehr wühle die Pariser ebenso auf wie vor fünf Jahren der Brand der Kathedrale, so die Französin. „Viele von uns weinen, diesmal vor Glück. Wir werden beten, dass Maria nie mehr ausziehen muss.“
Auch spannend: Pariser Verlobungs-Tourismus boomt – 3000 Euro nur für Fotos
Und dafür, dass Notre-Dame nie mehr brennt: Die Bauherren und -frauen versprechen es hoch und heilig. Sie haben im Dachgebälk ein hochmodernes Sprinklersystem eingebaut. Der über lange Leitungen automatisch verströmte Dampf soll wirksamer sein als jede Schlauchspritze, da er auch die Temperatur senkt. Wie ein Besucher des berühmtesten Dachstocks der Welt scherzte, ist Notre-Dame „ab sofort fähig zur Selbstverteidigung“.