Berlin. In „Helen Dorn“ spielt Anna Loos eine Einzelkämpferin. Privat liebt sie die Gemeinschaft. Doch Familie kann auch nerven, verrät sie.

Seit zehn Jahren ist Anna Loos bereits als „Helen Dorn“ im Einsatz – als Ermittlerin, die ihren eigenen Kopf hat und ganz eigene Wege geht. In der Folge „Der deutsche Sizilianer“ kehrt die Schauspielerin in ihrer Paraderolle zurück (30.11., ZDF, 20. 15 Uhr). Diesmal steht das Thema Familie im Mittelpunkt des Krimis. Zum Glück hat die 54-Jährige mit ihrem eigenen Anhang wesentlich angenehmere Erfahrungen gemacht als ihre Filmheldin. Aber bei aller Harmonie blieben ihr große emotionale Herausforderungen nicht erspart. 

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In der aktuellen Folge wird Helen Dorn mit Geheimnissen aus ihrer Familiengeschichte konfrontiert. Wie gut kennen Sie die Biografie Ihrer eigenen Eltern? 

Anna Loos: Sehr gut, weil meine Eltern und Großeltern mir aus ihren Leben erzählt haben. Meine Mutter ist mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern aus Danzig geflohen. Aber weil sie selbst damals noch ein frisch geborenes Baby war, kennt sie alle Geschichten um ihre Flucht nur aus den Erzählungen meiner Großmutter.

Aber meine Mutter erinnert sich sehr gut daran, wie sie damals in einem Dorf, 30 Kilometer vor Brandenburg an der Havel, aufgewachsen ist. Das Dorf hatten die Flüchtlinge selbst gegründet, weil sie nämlich damals keiner haben wollte. Mein Vater, der sieben Jahre älter war als meine Mutter, ist wiederum als Kind mit seinen Geschwistern aus Ostpreußen nach Brandenburg geflohen. Das alles hat mich natürlich interessiert, es ist ja die Geschichte meiner Familie

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Flucht scheint in Ihrer Familie ein großes Thema – Sie selbst sind ja 1988 aus der DDR in den Westen geflohen.

Loos: Aus einem anderen Grund natürlich, denn bei meinen Eltern war es der Krieg, der ihre Familien aus der Heimat vertrieb. Aber ich glaube, wenn man sich die ganze Welt anschaut, haben sehr viele Menschen oder zumindest ihre Vorfahren eine Fluchtgeschichte. Es ist eher ungewöhnlich, wenn jemand in sechster Generation immer noch da lebt, wo seine Vorfahren auch geboren wurden.

Anna Loos: In diesen Städten entwickelt sie Heimatgefühle

Das berührt natürlich die Frage ‚Was ist Heimat?‘, die in der Folge ebenfalls eine Rolle spielt. Was bedeutet Heimat für Sie?

Loos: Heimat ist da, wo meine Familie ist. Ich liebe Berlin, die Stadt in der ich mit meiner Familie lebe. Ich liebe Brandenburg an der Havel, die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Aber ich liebe auch Hamburg, meine erste Anlaufstation nach der Flucht aus dem Osten, wo ich 13 Jahre gelebt, wo ich studiert und gearbeitet habe.

Theoretisch könnte ich mir immer vorstellen, meine Koffer zu packen und irgendwo hinzugehen, wo ich eine neue Heimat finde, solange meine Familie dabei ist. Ich glaube allerdings auch daran, dass zu dem Ort, an dem man aufgewachsen ist und aus dem man stammt, immer eine tiefe Verbundenheit existiert.

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Promi-Paar: Die Schauspieler Anna Loos und Jan Josef Liefers sind seit zwanzig Jahren verheiratet. © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Aber gibt es einen Ort, wo Sie sich richtig verwurzelt fühlen?

Loos: Auf jeden Fall Brandenburg an der Havel, wo ich bis zu meinem 17. Lebensjahr gewohnt habe. Ich habe dort meine Kindheit und Pubertät erlebt, bin mit dem Moped durch die Gegend gefahren. Diese Jahre, die ich dort verbracht habe und die Menschen, denen ich dort begegnet bin, haben mich sehr geprägt.

Wenn ich heute meine Mutter und Schwester dort besuche und mich dann in ein altes Café setze oder in meinem alten Buchladen stöbere, dann habe ich ein gutes Gefühl in meiner Magengegend und denke: ‚Hier komme ich her.‘ Ich bin halt ein Brandenburger Mädchen. Das heißt aber nicht, dass ich in mein Leben nicht auch woanders glücklich sein kann.

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Wie groß war Ihre Erleichterung, als ein Jahr nach Ihrer Flucht die Mauer fiel und Ihnen der Weg zurück in die Heimat wieder offenstand?

Loos: Sie war riesig. Doch ich bin dann erst einmal nicht so schnell in den Osten gefahren, weil ich eine Zeitlang tatsächlich Angst hatte, dass sie vielleicht die Grenzen wieder dichtmachen –  und zwar genau dann, wenn ich dort bin. Meine Familie ist am Tag des Mauerfalls zu mir gekommen, sie standen auf einmal vor der Tür und wir konnten uns in die Arme nehmen. 

Das war ein wirkliches Glücksgefühl. Innerlich war ich, bis zu dem Tag, davon ausgegangen, dass wir uns erst einmal viele Jahre nicht sehen. Das war hart für mich, weil meine Familie sehr liebevoll und warmherzig ist und sich alle sehr verbunden fühlen, fast schon ein bisschen mafiös (lacht). 

Was heißt das genau?

Loos: Man hilft sich, man steht füreinander ein, man hört einander zu. Und selbst wenn wir in verschiedenen Städten wohnen, leben wir nicht aneinander vorbei, sondern kommunizieren ständig. Wenn bei uns jemand anruft und sich komisch anhört, dann steht eine Stunde später eine Abordnung vor dem Zaun und fragt: „Was ist los?“, „Was brauchst du?“. Ich weiß natürlich, dass das nicht in allen Familien so ist, und weiß es sehr zu schätzen.

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Kann so eine Nähe nicht auch beengend sein?

Loos: Als Jugendliche hat mich das schon ein bisschen genervt, dass sich alle immer so interessierten und präsent sein wollten. Aber spätestens, als ich selbst Kinder hatte, wurde mir bewusst, was für ein Geschenk, das ist, dass sich jemand, der mir nah steht, auch verantwortlich fühlt, und ich somit durch meine Familie nie allein gelassen bin.

Ich würde sagen, das ist das Wertvollste, was ich habe. Und ich werde das genauso weitermachen und in die nächste Generation an meine Kinder übergeben. Ich bin der Spiegel meiner Eltern. Mir gab es immer ein Geborgenheitsgefühl, das man, denke ich, gerade in der heutigen Welt sehr gut gebrauchen kann. Das merke ich an meinen Kindern. Auch ihnen tut es gut. 

MDR - Riverboat. Schauspielerin Anna Loos anläßlich der Aufzeichnung der MDR - Talkshow Riverboat am 22.11.2024 in der M
Anna Loos ist extrem vielseitig: Die Schauspielerin, die mit „Helen Dorn“ eine eigene Krimi-Reihe hat, ist auch als Musikerin unterwegs – und gern gesehener Gast in Talkshows wie hier in „Riverboat“ im November 2024. © imago/STAR-MEDIA | IMAGO stock

Musste Ihr Mann Jan-Josef Liefers alle möglichen Tests bestehen, damit er von diesem Familienverbund akzeptiert wurde?

Loos: Überhaupt nicht. Meine Eltern waren immer der Meinung, wenn ich etwas oder jemanden gut finde, dann wird das auch das Richtige für mich sein. Deshalb haben sie mir nie reingeredet bei meiner Partnerwahl. Aber sie hatten Probleme damit, als ich gesagt habe, ich möchte Schauspielerin werden. Sie hatten immer davon geträumt, dass ich Medizin oder Jura studiere. Beim Schauspielstudium fanden sie, dass ich mich irgendwie verschwende. Mittlerweile haben sie aber damit ihren Frieden gemacht und sind stolz auf das, was ich erreicht habe.