Berlin. Matcha ist zuletzt zu einem Lifestyleprodukt geworden. Das grüne Pulver ist so beliebt, dass es jetzt knapp wird. Das sorgt für Ärger.
Es ist nicht lange her, da musste man in Europa noch erklären, was Matcha ist: Dieses feine grüne Pulver, das, als Tee zubereitet, wacher macht als Kaffee, aber weniger Schwindel erregt, wenn man etwas mehr davon trinkt. Unter Foodies in westlichen Ländern war das Zeug über lange Zeit so etwas wie ein Geheimtipp. Leute, die Sätze sagten wie „Morgens trinke ich jetzt Matcha“, wirkten weltmännisch, originell, fast einzigartig. Denn dieser spezielle Grüntee aus Japan war exotisch.
Diese Zeiten sind vorbei. Sieht man sich heute in hippen Pariser, Berliner oder Londoner Cafés um, ist ein Matcha Latte fast immer im Angebot. Viele bieten Matcha Cookies, Matcha-Tiramisu oder irgendwas Anderes mit Matcha an. Denn nicht nur die kräftige grüne Farbe ist in der westlichen Kulinarik eine Innovation. Der mild-bittere Geschmack erweitert auch die Geschmackspalette. Gerade in Kombination mit süßen Zutaten schmeckt Matcha eigentlich immer hervorragend. So boomt der Stoff.
Matcha aus Japan: So stark sind die Preise gestiegen
Die Exporte aus Japan – wo Matcha vor allem angebaut wird – ist über die vergangenen Jahre deutlich gestiegen. In Berlin gibt es Geschäfte, die sich ausschließlich auf Matchaprodukte spezialisieren – von gröberen bis zu feinsten Sorten, von Süßigkeiten bis zu den Matchabesen, die man braucht, um den Tee daheim zuzubereiten. In anderen Metropolen entsteht eine ähnliche Matchaökonomie. Das Geschäft wächst also, ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
Nur: Als Folge des weltweiten Matchabooms zeigen sich im Ursprungsland erste Phänomene von Knappheit. In Australien – wo Matcha ebenfalls begeistert – sorgte im November die Notiz für Schlagzeilen, dass Matchaimporteure nicht mehr an ihre Ware kommen, weil aus Japan nicht mehr nachgeliefert werde. Andere Hersteller betonen bisher jedoch, es sei noch genügend Kapazität vorhanden, um die Nachfrage zu stillen.
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Dass das Angebot nicht grenzenlos ist, zeigt aber schon dadurch, dass die Preise zuletzt spürbar gestiegen sind. Hersteller aus Kyoto – wo Matcha die höchste Qualität haben soll – haben ihre Preise jüngst deutlich erhöht. Ippodo Tea, ein führender Anbieter, veröffentlichte im September eine Liste auf seiner Website, nach der die Premiumprodukte des Unternehmens fortan rund 20 Prozent teurer sind als bisher. Anderswo sind die Preise gar um rund 40 Prozent gestiegen.
Matcha-Vorräte „extrem gering“ – wer sich darüber besonders ärgert
Niemand habe den Matchaboom vorgesehen, heißt es bei Ippodo als Erklärung. Für Matcha gebe es pro Jahr nur eine passende Erntezeit, zudem erfordere das Mahlen und Weiterverarbeiten zu Pulver nun einmal Zeit. So sei es auch nicht möglich, die Produktion entsprechend auszuweiten, um Preise konstant zu halten. Der Konkurrent Marukyu Koyamaen äußert sich ähnlich: „Wegen des starken Nachfragezuwachses über die vergangenen Monate ist unsere Produktionskapazität überstiegen.“
Die Vorräte für sämtliche Matchaprodukte seien derzeit „extrem gering.“ Bis zum kommenden Jahr dürfte dies bis auf Weiteres anhalten. Im ostasiatischen Raum kommt dies nicht gut an. Matcha ist hier schließlich kein Modegetränk, sondern beinahe ein Grundnahrungsmittel. Hier und da wird über den globalen Boom, den man im Land selbst auch wegen des regen Interesses unter Touristen bemerkt, schon gemosert.
Dabei könnten sich zumindest Patrioten auch freuen. In Japan es üblich, stolz auf die eigene Kultur und froh zu sein, wenn sie auch im Ausland geliebt wird. Und rund um die Pflanze Camellia sinensis hat sich über mehr als ein Jahrtausend eine ausgeklügelte Kultur herausgebildet, die in der buddhistisch geprägten Teezeremonie einen Ausdruck findet. Ein guter Matcha, sagen Expertinnen, erreicht im Geschmack eine Balance zwischen Süße, Bitterkeit und Umami, begleitet von einem oft fein-matten Duft.
Das macht Matcha so beliebt
Nur warum boomt Matcha überhaupt? Tatsächlich ist Matcha ein besonderes Getränk. Durch seine Anbauweise ist die Art, es zu verarbeiten, ist es stärker konzentriert als Grüntee, der aus losen Blättern besteht. Zudem enthält Matcha mehrere antioxidative Stoffe, weshalb diejenigen, die damit ein Geschäft machen, oft gesundheitliche Vorteile gegenüber Kaffee betonen. Matcha soll nicht nur wachmachen, sondern auch die Zellproduktion anregen und geistig fit halten.
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Besonders bedeutend für den Boom des Teeprodukts ist wohl aber die Ästhetik bei der Sache. Die japanische Teezeremonie, bei der starre Regeln eingehalten werden, die das Getränk samt seinen Behältnissen würdigen, wird auf sozialen Medien immer wieder geteilt. Die knallgrüne Farbe wird dabei durch Smartphonefilter gelegt, sodass man auf Plattformen wie Instagram ein noch stärker leuchtendes Grün erhält als in der Realität. Das besorgt Likes und Shares. Und führt dazu, dass Läden Matcha auf die Karte setzen.
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Japanische Hersteller müssen Ausfuhren drosseln
Durch den Hype offenbart sich allmählich die Knappheit des Rohstoffs. In Japan ist es schon lange Standard, dass man im Supermarkt weichen Baumkuchen, knusprige Kekse oder Kitkat mit Matcha-Geschmack kaufen kann. Bisher sind diese Produkte noch nicht schmerzhaft teurer geworden. Doch sofern der Matchaboom anhält, ist dies nur eine Frage der Zeit. Qualitätshersteller wie Ippodo haben ihre Ausfuhren laut eigenen Aussagen gedrosselt, um die Qualitätsstandards wahren zu können.
So dürfte im Ausland zunächst der weniger feine Matcha ankommen, was noch kaum jemandem auffallen wird. Irgendwann aber wird auch der knapp. Und dann wird für Menschen in Japan nicht nur der Genuss der Teezeremonie teurer, sondern auch die eigentlich immer billige Süßigkeit aus dem Supermarkt. Hinter vorgehaltener Hand wird schon gelästert: Bald werden die Europäer wohl noch mit einem Matcha-Cocktail um die Ecke kommen. Und dann müsse man den sogar in Tokio anbieten – für die Touristen.