Hamburg. Das Reich der Inkas kannte zwar keine Schrift, hatten aber trotzdem eine faszinierende Technologie, um Informationen aufzuschreiben.
Das Inka-Reich, einst das größte Imperium Amerikas, fasziniert bis heute Archäologen durch seine beeindruckende Kultur und rätselhaften Traditionen. Vor allem die majestätischen Ruinen von Machu Picchu, die auf einer Höhe von 2430 Metern in den Anden liegen, spiegeln den einstigen Glanz des Reichs wieder. Doch wie schafften es die Inka, ohne Schrift und Rad eine solch mächtige Zivilisation aufzubauen? Indem sie ihre ganz eigene Form eines „Computers“ entwickelten.
Für über ein Jahrtausend nutzten die Menschen, insbesondere die Inka, ein einzigartiges Kommunikations- und Aufzeichnungssystem namens „Khipu“, auch „Qhipu“ geschrieben. Dieses aus Kordeln und Knoten bestehende System wurde in Ermangelung einer Schrift für alles Mögliche verwendet: von Steuerlisten bis hin zu Bevölkerungszählungen.
Archäologen fanden Hunderte Exemplare von Khipus in den Andengebieten. Doch trotz seiner Bedeutung bleibt das volle Potenzial der Khipus ein Rätsel – eines, dem die Datenwissenschaftlerin Karen Thompson in einer neuen Studie auf den Grund gegangen ist.
Inkas: Khipus wurden aus Baumwolle, Tierhaaren und sogar Menschenhaaren gewoben
Die in der Fachzeitschrift „Journal of the Institute of Andean studies“ veröffentlichte Untersuchung verknüpft erstmals zwei bedeutende Khipus miteinander: das größte jemals entdeckte Khipu und eines der komplexesten Exemplare. Beide stammen wohl aus dem Inkareich, das von 1438 bis 1532 existierte, bevor es von den Spaniern erobert wurde. Das Zentrum des Reiches lag im heutigen Peru und Chile.
Khipus bestanden aus Baumwolle oder den Fasern von Kameltieren wie Lamas und Alpakas. Einige enthielten sogar Pflanzenfasern und menschliche Haare. Ihre Farben, die Richtung der Fasern, die Anordnung der Knoten und selbst die Abstände zwischen den Schnüren wurden sorgfältig ausgewählt und haben eine bestimmte Bedeutung. Spanische Chronisten berichteten von der Nutzung der Khipus für Vorratsinventare, Steuerlisten und andere organisatorische Aufgaben.
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Forscher enthüllen faszinierenden Zusammenhang zwischen Khipus
Besonders beeindruckend ist das größte Khipu, das je gefunden wurde: Es misst über fünf Meter und besteht aus mehr als 1800 Schnüren. Im Vergleich dazu hat das kleinere, komplexere Khipu fast 600 Schnüre, die in komplizierten Mustern arrangiert sind.
Thompsons Durchbruch gelang, indem sie die digitale Datenbank „Open Khipu Repository“ nutzte. Bei der Analyse stellte sie fest, dass beide Khipus eine besondere Struktur teilen: „Mir ist aufgefallen, dass beide Khipus rot/weiße ‚Trennschnüre‘ verwendeten, um Zehner- oder Siebenergruppen zu trennen“, schreibt Thompson in einem Beitrag für „The Conversation“. Das größere Khipu ist in zehn Gruppen mit jeweils sieben Schnüren unterteilt, während das kleinere Khipu sieben Gruppen mit jeweils zehn Schnüren enthält.
Der Vergleich der Khipus offenbarte eine erstaunliche Verbindung: So verraten die Zahlen, dass beide Khipus dieselben Daten auf unterschiedliche Weise darstellen. Das kleinere Khipu ist eine Art Zusammenfassung oder Umverteilung der Informationen des größeren Khipus. Warum die Inkas die Informationen zweimal darstellten, darüber könne Thompson nur Vermutungen anstellen.
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Archäologen verblüfft: Hunderte Exemplare der Khipus zeugen von ausgefeilter Bürokratie
Und auch welche Informationen die entschlüsselten Zahlen der Khipus darstellen, bleibt unklar. Thompson spekuliert: „Vielleicht verzeichnete das größere Khipu die gesammelten Vorräte einer Gemeinschaft, während das kleinere die Verteilung dieser Vorräte an Bedürftige oder Lagerhäuser dokumentierte.“
Diese Verbindung ist die bisher komplizierteste numerische Beziehung zwischen Khipus, die jemals entdeckt wurde. Thompson betont, dass dies ohne moderne digitale Werkzeuge nicht möglich gewesen wäre.
Nur ein Bruchteil der ursprünglich gefertigten Khipus hat die Jahrhunderte überdauert. Heute existieren etwa 1600 Exemplare, verteilt auf Sammlungen in Amerika und Europa. Weniger als die Hälfte dieser Khipus wurde digital erfasst, was die Forschung erheblich erschwert.
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