Hamburg. Lange war über die genaue Bedeutung der Inschrift gestritten worden. Nun präsentiert ein Forscher eine faszinierende Interpretation.

Archäologen entschlüsseln Inschriften längst untergegangener Kulturen durch eine Kombination aus linguistischer Analyse und einem Vergleich mit bekannten Sprachen. Oftmals helfen ähnliche Schriftzeichen aus anderen Funden oder bilinguale Texte, wie der berühmte Stein von Rosetta, um eine unbekannte Schrift zu deuten. Moderne Technologien wie 3D-Scans und Bildbearbeitungssoftware machen auch schwer lesbare oder beschädigte Inschriften sichtbar.

Genau durch solche moderne Technik könnte das Rätsel um eine 2600 Jahre alte Inschrift gelöst worden sein. Seit der Entdeckung eines altertümlichen Monuments im Westen der Türkei debattierten Archäologen, was die stark beschädigte Inschrift darauf bedeuten soll. Denn je nach Lichteinfall ist eine andere Interpretation der mit Löwen und Sphinxen dekorierten Inschrift möglich.

Das Monument Arslan Kaya steht in der Nähe des Sees Emre Gölü und lässt sich mit „Löwenfelsen“ übersetzen. Als Erbauer gilt das Volk der Lyder, das während der Eisenzeit in Kleinasien über ein großes Gebiet herrschte. Laut der neuen Studie steht der Name „Materan“ auf dem Bauwerk geschrieben. Was bedeutet er?

Archäologe entschlüsselt Namen der Muttergöttin auf Monument

Materan war eine Göttin des an Lydien angrenzenden Volkes der Phryger. Sie war „schlicht als Mutter“ bekannt, sagte der Autor der Untersuchung, Mark Munn, gegenüber „Live Science“. Auch in anderen altertümlichen Kulturen sei Materan verehrt worden, erklärt der Professor für griechische Geschichte und Archäologie an der Pennsylvania State University. Die Untersuchung wurde in der Fachzeitschrift „Kadmos“ veröffentlicht.

„Die Griechen kannten sie als die Mutter der Götter“, während die Römer sie „Magna Mater“ oder „Große Mutter“ nannten. Zur Zeit des Baus des Denkmals könnte das Königreich Lydien, das ebenfalls Materan verehrt hatte, über die Gegend geherrscht haben, schreibt er in der Studie.

Das Denkmal wurde durch Witterungseinflüsse und Plünderungen stark beschädigt, sodass die Inschrift äußerst schwer zu lesen ist. Was darin steht, sei seit dem 19. Jahrhundert Gegenstand von Debatten, fasst Munn in dem Papier die Geschichte zusammen. Munn fotografierte die Inschrift detailliert, als das Licht gut war, und untersuchte noch einmal ältere Fotos und Aufzeichnungen der Inschrift – so löste er das Rätsel.

The  Aslankaya  Temple  in  Afyonkarahisar  is  thought  to  have  been  built  in  the  7th  centur
Das Monument von Arslan Kaya ist stark beschädigt. Ein Wort darauf konnte nun allerdings entziffert werden. © IMAGO/Pond5 Images | SINAN DOGAN

Forscher rätseln über Monument: Größter Teil der Inschrift bleibt zerstört

Es ergebe Sinn, dass das Denkmal den Namen von Materan trägt, da darauf auch ein Bild der Göttin abgebildet ist, sagte Munn gegenüber „Live Science“. Materans Name sei wahrscheinlich Teil einer größeren Inschrift gewesen, die erklärte, wer die Inschrift in Auftrag gegeben hatte und wer Materan war. Anhand des künstlerischen Stils des Baus datierte der Archäologe die Entstehungszeit der Inschrift auf die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.

Die Lyder und Phryger waren bedeutende Völker in Kleinasien. Während der Eisenzeit und Antike, vom 2. Jahrtausend v. Chr. bis zur Eroberung durch Großreiche wie Persien im 6. Jahrhundert v. Chr. , erlebten sie ihre ihre Blütezeit. Die Lyder, bekannt für ihren legendären Reichtum und König Kroisos, prägten als erste Münzen aus Edelmetall, was den Handel revolutionierte.

Die Phryger hingegen sind für ihre kunstvollen Holzarbeiten, ihre Musiktradition und die sagenumwobene Gestalt des Königs Midas berühmt. Beide Kulturen hinterließen beeindruckende Hinterlassenschaften wie Heiligtümer, Grabhügel und Schriftzeugnisse, die ihre Rolle als kulturelle Brücken zwischen Orient und Okzident verdeutlichen.