Hamburg. Historischer Fund: Skelettierte Überreste von Kindern in Tenochtitlán zeugen von einem grausamen Ritual zur Götterbesänftigung.
Menschenopfer sind ein wesentlicher Bestandteil früherer Kulturen, die vor allem zur Götterbesänftigung erbracht wurden. In Mexiko war dies zur Herrschaft von Moctezuma I. ebenfalls der Fall, wie Forscher bei der Untersuchung von skelettierten Überresten von Kindern in Tenochtitlán herausfanden. Die Herrschenden wollten mit dem grausamen Ritual wohl eine Naturkatastrophe abwenden.
Forscher entdecken skelettierte Überreste von Kindern in Tempelanlage
Die skelettierten Überreste von mindestens 42 Kindern im Alter von zwei bis sieben Jahren wurden 1980 und 1981 im Templo Mayor entdeckt, der bedeutendsten Tempelanlage in Tenochtitlán – dem heutigen Mexiko-Stadt.
Die Skelette, die mit dem Gesicht nach oben lagen und deren Gliedmaßen zusammengezogen waren, befanden sich in Kisten aus Quadersteinen auf einer Sandschicht. Einige waren mit Schmuckstücken wie Halsketten geschmückt und hatten grüne Steinperlen im Mund.
Archäologen rätseln: Warum wurden die Massenopferungen durchgeführt?
Forscher untersuchten geologische Daten und den mexikanischen Dürreatlas, um den Grund für das Massenopfer zu ermitteln. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass Zentralmexiko zwischen 1452 und 1454 von einer schweren Dürre betroffen war.
Die Dürre, die während der Herrschaft von Moctezuma I. und der Errichtung des Templo Mayor eintrat, führte zu massiven Ernteausfällen, brachte die Bevölkerung der Region an ihre Grenzen und zwang hungernde Familien, ihre Kinder im Austausch für Nahrung an benachbarte Städte abzugeben, berichtet Leonardo López Luján, Archäologe und Direktor des Templo Mayor-Projekts des Nationalen Instituts für Anthropologie und Geschichte (INAH).
„Zunächst versuchte der mexikanische Staat, die Auswirkungen der Krise abzumildern, indem er die königlichen Kornkammern öffnete, um die Nahrungsmittel an die bedürftigsten Bevölkerungsschichten zu verteilen, während er im Templo Mayor Massenopfer von Kindern durchführte, um den Zorn der Tlaloque [Regenzwerge, die Gehilfen von Tláloc waren] zu besänftigen“, geht aus den Forschungsergebnissen hervor. „Eine Zeit lang wurde die Tragödie auf diese Weise bewältigt, aber die übermäßige Dauer der Krise machte den Staat verwundbar und zwang ihn, den Massenexodus seiner Bevölkerung zuzulassen.“
Um die Krise zu bewältigen, bestreute man die Körper der geopferten Kinder mit blauem Pigment, Muscheln und kleinen Vögeln und platzierte sie inmitten von elf Skulpturen aus Vulkangestein. Diese Skulpturen waren so gestaltet, dass sie dem Antlitz von Tláloc, dem aztekischen Gott des Regens, Wassers und der Fruchtbarkeit, ähnelten. Laut López Luján sollte der Schmuck der Kinder dafür sorgen, dass diese wie Regenzwerge aussehen.
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