Berlin. Technik-Pannen, Ärger im Zug: Beim Bahnfahren begegnen Karin immer wieder Hürden. Ihre Erfahrungen teilen sie und ihr Mann im Netz.

  • Karin lebt mit einer Zerebralparese und sitzt im Rollstuhl
  • Zugreisen werden für die 54-Jährige und ihren Mann oft zur Herausforderung
  • Doch seit sie ihre Erfahrungen mit der Deutschen Bahn im Netz teilen, hat sich einiges getan

Karin Cordes-Zabel liebt das Bahnfahren. Die Probleme, die dabei auftreten, eher weniger. Karin sitzt in einem elektrischen Rollstuhl, ist auf die Hublifte der Bahn angewiesen, auf freie Rollstuhlplätze und auf funktionierende Behinderten-WCs. Ihr Mann Frank Cordes begleitet sie. Zusammen berichten sie in den sozialen Netzwerken von ihren Erfahrungen.

Mittlerweile ist das Ehepaar aus Bremerhaven in der Welt der Deutschen Bahn bekannt. Angefangen hat das alles 2019. „Wir haben uns gedacht, dass wir Tagestrips zu verschiedenen Städten machen könnten“, so Frank, der auch für seine 54-jährige Frau übersetzt, die einen Sprachcomputer nutzt. Eine Zerebralparese ist der Grund für ihre Bewegungsstörungen. „Es sollte möglichst einfach, möglichst stressfrei und möglichst günstig sein. Aber schon bei der ersten Fahrt gab es Probleme.“

Fehlendes Servicepersonal sorgt für Extrakosten

Nach Berlin sollte es gehen, doch da ein Rollstuhlplatz beim IC fehlte, wurde ihnen gesagt, dass sie einen Tag später fahren sollen. Das nächste Reiseziel: Köln. Hier hatte ein Zug so viel Verspätung, dass abends in Bremen kein Servicepersonal mehr bereitgestanden hätte, um Karin aus dem Zug zu helfen.

Links sitzt eine Frau mit Brille und dunklen Haaren im Rollstuhl. Um ihren Hals ist ein dicker grauer Schal gewickelt. Hinter ihrer Rollstuhl-Lehne schaut ein Bären-Stofftier in die Kamera. Neben ihr sieht man einen Mann mit kurzem, weißen Bart, Brille und einer flachen dunklen Mütze auf dem Kopf. Hinter den beiden steht ein weißer ICE mit rotem Streifen auf dem Gleis.
Karin Cordes-Zabel und Frank Cordes zeigen auf den sozialen Medien, wie schwierig das Bahnfahren im Rollstuhl sein kann. © Frank Cordes / Karin Cordes-Zabel | Frank Cordes / Karin Cordes-Zabel

„Das war das erste Mal, dass wir in einem Hotel übernachten mussten“, erinnert sich der 51-Jährige. Das Ehepaar hatte zu diesem Zeitpunkt erst zwei Fahrten in Angriff genommen, und bei beiden lief direkt etwas schief. „Stell dir mal vor, wir würden darüber schreiben, was uns alles passiert“, waren die Worte, die Frank damals an Karin richtete. Und damit waren die Profile „Der Frankyman“ und „Die rollende Zauberbärin“ geboren.

Bahn-Mitarbeiterin ruft die Polizei

Ein Beitrag ging schließlich durch die Decke: 2022 wollte das Paar abends aus Neumünster zurückfahren. Wegen Personalmangel war Karin auf den Hublift angewiesen, der im Zug eingebaut ist. „Wir wussten damals schon, dass das nicht immer so toll funktioniert“, so Frank.

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Den beiden wurde gesagt, dass man sie nicht mitnehmen könne, weil der Hublift defekt sei und dass sie den Nahverkehr nutzen sollen. „Zwei Tage vor Weihnachten!“, so Frank. „Ich habe der Bahn-Mitarbeiterin gesagt, dass das nicht geht und ich darauf bestehe, dass die Bahn uns mitnimmt. Wir haben dann gehört, wie sie am Telefon sagte, dass der Hublift gar nicht defekt ist und sie ihn nur nicht bedienen kann.“

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Die Bahnmitarbeiterin drohte damit, die Polizei zu rufen, falls das Ehepaar einen Aufstand machte und tat dies schließlich auch. Frank teilte das Geschehene auf seinem Profil. „Und das ging richtig steil.“ Die Deutsche Bahn meldete sich bei dem Paar, entschuldigte sich mit Gutschein und einer Entschädigung und versprach, die Mitarbeiterin nachzuschulen.

Ehepaar bekommt besondere Kontakte

Im Januar 2023 verkündete die Internet-Fangemeinschaft der beiden, dass sie mehr über Franks und Karins Reisen erfahren wollten und spendeten genügend Geld, um eine Bahncard 100 für Karin zu kaufen. „Es ist spannend, was daraus entstanden ist“, sagt Frank. „Dass man uns Tür und Tor damit geöffnet hat und wir Sachen mit der Bahn machen konnten, die nie ein Mensch zuvor gemacht hat.“

Die Deutsche Bahn lud die beiden außerdem zu einem langen Gespräch mit Führungskräften nach Frankfurt ein. Zudem bekamen sie die Mailadresse der Behindertenbeauftragten. „Immer wenn uns etwas passiert, oder wir was entdecken, dann schicken wir eine Mail und versuchen, das Problem dauerhaft zu lösen“, sagt Frank.

Zu Hublift-Schulungen für die Mitarbeiter wurden sie eingeladen sowie zu einem Termin im Werk des Lift-Herstellers selbst. Eine Ingenieurin war vor Ort, die sich Notizen zu Erfahrungen und Problemen des Paares machte. Und Erfahrungen hat Frank genug: Durch Videos und Beobachtungen hat er sich selbst angeeignet, die Hublifte zu bedienen.

„Technik der Bahn entwickelt sich verkehrt“

„Mittlerweile ist das Bahnfahren besser geworden“, erklärt Karin. „Das Zugpersonal ist zum großen Teil sehr motiviert, uns und anderen Menschen im Rollstuhl zu helfen. Aber das hilft natürlich nicht, wenn die Technik nicht funktioniert.“ Die Bahn habe bei den neuen ICEs nur auf die Optik und nicht auf den Nutzen der Hublifte geschaut. In Österreich und Tschechien gebe es dasselbe Modell, das dort allerdings besser funktioniere.

Rechts sieht man einen Mann, der steht. Er hat schwarze Schuhe an, eine blaue Jeans und eine dunkle Jacke. Seine Haare sind kurz und weiß, genau wie sein Bart, und auf dem Kopf trägt er eine flache, dunkle Mütze. Einen Arm hat er ausgestreckt, um auf den Hublift zu zeigen, der links aus einem am Gleis stehenden ICE ausgefahren wird. Der Hublift ist eine flache Metallplatte, an der Seite sind noch weitere Teile des Hubliftes hochgeklappt. Es ist dunkel, über dem Mann erhellt eine Lampe am Bahnhof die Szenerie.
Frank Cordes kennt sich mit den Hubliften der Deutschen Bahn aus. Er hat sich selbst beigebracht, diese zu bedienen, und leistet häufig Hilfestellung. © Frank Cordes / Karin Cordes-Zabel | Frank Cordes / Karin Cordes-Zabel

Ob sie sich auch ohne ihren Mann den Hindernissen der Bahn stellen würde? „Ich kenne meine Frau seit 30 Jahren“, sagt Frank. „Vorher musste sie sich auch durchkämpfen. Sie war von Natur aus immer diejenige, die an ihre Grenzen gegangen ist, um Sachen zu erreichen. Ich selbst habe mein ganzes Selbstbewusstsein durch meine Frau bekommen.“ Karin erklärt: „Wenn ich generell nie etwas machen würde, dann würde ich auch nicht weiterkommen.“

Von Hass-Kommentaren und Aufklärung

Nicht alle finden die Arbeit des Ehepaars gut. Auch mit Hass-Nachrichten müssen die beiden zurechtkommen. „Wir lesen die Kommentare zusammen und diskutieren dann darüber“, erklärt Frank. „Die richtig schlimmen Sachen werden gelöscht und geblockt.“ Karin antworte wenig auf böse Kommentare, Frank versuche es hin und wieder mit Humor.

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„Manchmal gebe ich auch Erklärungen und sehe, dass die Leute Einsicht zeigen. Dass sie sagen: Oh, das habe ich noch gar nicht gewusst“, sagt Frank. „Das finde ich am schönsten. Wenn da Personen sind, die es wirklich einfach nicht verstehen und ich das aufklären kann.“

Neben den Hass-Kommentaren gebe es aber auch viele positive Rückmeldungen, teilweise von Mitarbeitern der Deutschen Bahn. Besonders freut es Frank und Karin, wenn sie auf ihren Fahrten anderen Rollstuhlfahrern begegnen, die sie erkennen und die gern ihre Geschichten mit dem Ehepaar teilen.